Mercedes-Benz 420 SEL (W 126) zum Schnäppchenpreis
S-Klasse mit V8 für unter 8.000 Euro
Ein Mercedes-Benz 420 SEL passt als Langversion mit V8 und Lederausstattung voll in Alf Cremers Beuteschema. Der Preis, 7.900 Euro, lockt. Kauft Alf den Benz trotz klobiger US-Stoßstangen und vieler Meilen?
15.02.2025 Alf Cremers
Ich liebe ihn, diesen Mercedes 420 SEL, selbst in seinem undramatisch-eleganten Grauton Anthrazit-Metallic 172, keine Frage. Auch mit dem Schönheitsfehler der klobigen US-Stoßstangen wäre er mir recht, er passt voll in mein Beuteschema: V8, Langversion, Lederpolster in einer extravaganten Farbe, diesmal feinstes Rosanil in Dattel, Code 274.
Mercedes 420 SEL für 7.900 Euro
Aber er wird – wie die beiden anderen V8-Youngtimer zuvor – sicherlich ein vernünftiger Kauf sein, weil er als Kalifornien-Import äußerlich rostfrei erscheint und weil er nur wenige Mängel aufweist. Und da fehlt mir klar der Thrill. Nirgendwo entdecke ich beim Mercedes 420 SEL die Faszination des Grauens, die mich sonst so magisch anzieht: Keine durchgerosteten Radläufe, kein fehlender Stern, keine schrille Fehlfarbe, keine alarmierenden Kontrollleuchten und kein Preis unter 3.000 Euro.
Nachteile: US-Modell, viele Meilen
Lediglich die 163.934 gefahrenen Meilen im zweiskaligen Tachometer summieren sich auf 263.769 Kilometer und nähern sich damit meinem Verständnis von käuflicher Unvernunft. Die Autohändler Gregor Zimmermann und Andreas Voss von Classic Cars & Bikes Friedrichshafen verlangen unfassbar günstige 7.900 Euro für die im Radstand um 14 Zentimeter verlängerte Staatskarosse mit breiten Fondtüren und flüsterleisem V8. Sie war einst im Mai 1987 als geringfügig upgegradeter 500 SEL gar eines Alfred Herrhausen würdig.
Meine Schnäppchen-Koeffizienten weisen folgende Größen auf: 38,73 Euro pro PS und 4,43 Euro pro Kilogramm. Das Meisterstück von Bruno Sacco schickt sich an, den autoritären Vollmaterial-Mercedes schlechthin, den W 116, preislich zu überholen. Unsere US-Version ist mit 5.285 Millimetern 125 mm länger als ein heimischer 420 SEL. Dieses Plus senkt den Preis, wenigstens ist der Leistungsverlust passé, anfangs brachten es US-420er nur auf 157 statt 204 PS.
Bei mobile.de entdecke ich, der SEL-Entflammte, 24 Stunden später einen vergleichbaren europäischen 420 SEL von 1991, also in der späteren 224-PS-Version, in Dunkel- blau 904 mit blauem Velours, knapp 300 000 km, TÜV und H für glatt 7000 Euro, es wäre das Reserverad, wenn ich es nun gar nicht mehr aushielte ohne einen Langen, der intern V statt W heißt. Denn der hier, das spüre ich beim intensiven Fahren, wird rasch weg sein, daran ändern selbst der Klarlack-Sonnenbrand auf dem Dach und ein paar liebenswerte Eigenheiten beim Start und unter Betrieb nichts. Ein Kenner pariert sie locker.
Das Fahren in dem lässig-langen Schlitten ist der wahre Genuss, es fühlt sich leise, mühelos und gediegen an. Die souveräne Gelassenheit des Wagens, dessen ausgeblichene Drehzahlmessernadel sich nur gewaltsam über die 3.000er-Marke treiben lässt, überträgt sich auf den Steuermann im grünen Pullover, der sich über das klobige, lederbezogene Airbag-Lenkrad alter Schule freut. Für ihn ist es ein Sonderausstattungsfetisch wie das grün getönte WD-Glas mit Mikrofaden-Heizscheibe und der zarte Tempomathebel – hier mit Acceleration und Deceleration beschriftet – und das Becker Mexico Cassette Electronic.
Der glückliche Kapitän in Grün meldet zufrieden: "Alles an Bord. Plus Schiebedach, Mittelarmlehne vorn, vier elektrische Fensterheber, Kopfstützen im Fond." Eine Handvoll Dinge sind beim 420 SEL serienmäßig, doch selbst die geschmiedeten Fuchs-Gullydeckel kosteten satte 1.596 Mark extra. Dieses herrschaftliche Luxusauto mit Plastikradkappen? Für mich einfach unvorstellbar.
Sollte es besser ein 500er sein?
Ehrensache, dass ich vollgetankt habe, 90 Liter gehen rein, es ist die stillschweigende Leihgebühr für den Händler. Am liebsten würde ich ihn selbst leer fahren, so wohl und geborgen fühle ich mich, der Wagen schenkt mir Vertrauen, weil ich ihn sanft und gut behandle, und ich vertraue ihm, weil an ihm nichts beunruhigt oder gar auffällig ist.
Kein fremdes Geräusch, kein herber Gangwechsel von drei auf vier, wenn ich das murmelnde Alles-fließt-Stakkato des V8 intensiver hören möchte. Die M-116-Zündfolge lautet 1-5-4-8-6-3-7-2 und sorgt für einen perfekten Massenausgleich, deshalb klingt der Motor viel sanfter als die Stimmgewaltigen aus Detroit.
Ich mache mir nichts aus der Mehrleistung, aber der 500 genießt eben in der Szene eine weit höhere Reputation als die kleineren Brüder 380 und 420 SEL, oben thront einsam der 560 SEL. Charisma war für mich aber nie eine Frage des Topmodells, sondern eine von Anmut und Ausstattung. Es könnte gar ein 260 SE in Perlmuttgrau mit Leder Mittelrot sein, der mein Herz gewinnt.
Ein V8-Wunschkonzert mit 310 Nm
"Vergebens" ist das falsche Wort, es bezieht sich nur auf das Ziel. Im 420 SEL ist jeder längere Weg das Ziel, deshalb fahre ich die Schleife über Wangen und Lindau zurück. Dabei genieße ich es mitunter, manuell zwischen der dritten und vierten Fahrstufe hin- und herzupendeln, um das melodische Wunschkonzert des kultivierten V8 vollends zu erleben. Der Wagen ist keine Hängematte, vielleicht für die Fondpassagiere, aber beileibe nicht für den Fahrer. Trotz seiner nominell harmlosen 204 PS für runde 1,8 Tonnen ist es eindrucksvoll, wie er bei forcierter Fahrweise mächtig anschiebt, die 310 Newtonmeter haben hier wohl eher das letzte Wort.
Das aufwendige Fahrwerk erlaubt, anders als so manch starrachsiges US-Car, den Parforceritt auf der schmalen, kurvenreichen Allee zwischen Bad Waldsee und Wolfegg. Kurz vor Friedrichshafen halte ich in einem Waldweg an, setze mich nach hinten in die duftende Dattel-Lounge und blättere versonnen im "Owner’s Manual 420 SEL, 560 SEL, 560 SEC". Die passende Preisliste Nr. 47 liegt auch noch im Handschuhfach, ein lieber Gruß vom Vorbesitzer. Ich fühle mich herausgefordert und ermittle den Neupreis inklusive 14 Extras, das Smartphone zeigt 98 737 Mark an. Heute, 37 Jahre später, kostet er 7900 Euro, das sind lediglich 16 Prozent von damals bei völlig intaktem Nutzwert. Wenn das kein Schnäppchen ist!