Mercedes MB 100 - der VW Bulli-Konkurrent
Laut, langsam - aber zuverlässig!
Den Spitznamen "Kutter" trägt der Mercedes MB 100 ganz zu Recht. Sein Vierzylinder-Diesel mit stampfenden 72 PS und das butterweiche Fahrwerk vermittelt eher das Gefühl von Schwimmen denn Fahren. Kommt etwas Seitenwind hinzu, wird's zum Segeln.
30.12.2015
Heinrich Lingner
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Traurig anzuschauen ist so ein Mercedes MB 100 ja schon. Doch man kommt nur selten in die Gelegenheit - denn viele gibt es nicht mehr.
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Das ist insofern kein Wunder, als der in Spanien gefertigte MB 100 eine ungeheuerliche Rostgeschwindigkeit vorlegte. Das hat sein legitimer Nachfolger, Vito/V-Klasse, von ihm geerbt.
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Immerhin packte er was weg. Der Motor sitzt platzsparend unter dem Fahrer/Beifahrer, die Ladefläche ist eben und setzt recht tief an.
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Der MB 100 war mit diversen Aufbauten lieferbar, von der Pritsche über verschiedene Kastenversionen bis zum Fensterbus.
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Als Antrieb gab es nur einen Dieselmotor, den OM 616 mit 2,4 Litern Hubraum und 72/75 PS. Der "Taximotor" OM 616 geht auf dem OM 621 von 1958 zurück und wurde unter anderem auch im Strich-8, dem Unimog und dem G-Modell eingesetzt.
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Mit seiner zurückhaltenden Leistung zieht der OM 616 zwar nicht den Speck vom Teller, doch immerhin läuft er immer - wirklich immer.
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Wenn das maximale Gesamtgewicht erreicht ist - oder wenn der MB 100 als Basis für ein Wohnmobil dient, stampft der 72-PS-Diesel unbeirrbar voran. Langsam aber stetig - wie ein Schiffskutter.
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Der MB 100 wurde auch als Basis für den öffentlichen Personentransport genutzt. Hier ein Modell mit 3 Achsen.
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Die Mercedes-Vertragswerkstatt Iglhaut baute eine Allradversion mit permanentem Allradantrieb und Visco-Kupplung. Die Steigfähigkeit des 600 mm höheren Kraxlers beträgt 35%, die Böschungswinkel vorne 24°, hinten 30°.
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Auch die Tuner AMG (Bild) und Brabus kümmerten sich um den MB 100. Das Tuning beschränkte sich dabei auf andere Stoßfänger und Leichtmetallfelgen.
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Zudem gab es einen Sportauspuff, der allerdings kaum zur Leistungssteigerung des Vierzylinderdiesels beitrug. Die Frontschürze des Brabus-MB 100 war noch voluminöser als die des AMG.
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Das mit einzigen Motor ist so nicht ganz korrekt, denn es gab von Mercedes auch noch Versuchsfahrzeuge mit Elektroantrieb. Die Reichweite des elektrischen MB100 beträgt bis zu 80 km, die Höchstgeschwindigkeit rund 70 km/h und der Verbrauch wird mit etwa 40 kWh auf 100 km angegeben.
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Der MB 100 eignete sich ja auch sehr gut mit einer Zuladung von bis zu 1.800 kg und dem Platzangebot. Im Bild ist die Weiterentwicklung des E-MB100 zu sehen, ein MB 100 "NECAR" mit Brennstoffzellenantrieb.
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Das "NECAR" (für New Electric Car) wurde 1994 als das erste Brennstoffzellenauto der Welt vorgestellt.
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Die gesamte Technik mit Wasserstofftanks und der weiteren Peripherie nehmen den kompletten Laderaum in Anspruch und wiegen rund 800 kg.
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Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 90 km/h, immerhin 130 km Reichweite sind drin.
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Öffentlichkeitswirksam setzte Mercedes bei den Olympischen Spielen von Barcelona im Jahr 1992 eine ganze Flotte der Elektro-MB 100 ein.
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Unter anderem gab es eine fahrbare Tribüne für Fotografen, die lokal emmissionsfrei die Radrennen begleitete.
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Auch als Service- und Sammelfahrzeuge wurden die E-MB 100 eingesetzt.
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Auch geschlossene Versionen als Personentransportfahrzeuge wurden eingesetzt.
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Kann man einem Auto böse sein, das im Grunde seines Rohrrahmens der späte Nachfolger des DKW-Schnelllasters und des Hanomag F20 in einem ist? Bei dem der Motor wie ein ebenso ungebetener wie vorlauter und ungehobelter Gast mitten im Fahrerhaus sitzt, der Schalthebel dafür hinter die Sitze ausweichen muss und bei dem die DIN-mäßig eckigen Scheinwerfer so traurig blicken wie ein Dackel, der sein Herrchen verloren hat?
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So monoton die Triebwerksauswahl, so reichhaltig die möglichen Aufbauten - vom Pritschenwagen, bis zum Fensterbus war alles lieferbar.
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Sogar Allradantrieb gab es: Der Iglhaut Allrad entstand auf Initiative der Vertragswerkstatt Iglhaut im bayrischen Marktbreit. Der permanente Allradantrieb mit Viscokupplung lässt den MB 100 fast jeden Gipfel erklimmen.
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Moderne Zeiten: Mercedes präsentierte den NECAR 1994 als erstes Brennstoffzellenfahrzeug.
Im dritten Gang über die Kasseler Berge
Sehen Sie, das können selbst Sie nicht. Und daher parken auf meinem Internet-Mobile-Parkplatz gern ein paar Mercedes MB 100, der eine oder andere mit Karmann-Wohnmobilaufbau. Wie es so weit kommen konnte? Vielleicht liegt es ja an der Midlife-Krise, dass man nicht nur dankbar an die Damenbekanntschaften der Studententage zurückdenkt, sondern ebenso zärtlich an die Autos, die man damals bewegen durfte. Gegen Bezahlung!
Bei mir waren ein paar MB 100 darunter, ich jobbte einige Semesterferien lang als Fahrer und Hilfsmonteur bei einer Blitzschutzanlagen-Firma. Wir fuhren mit dem blauen Mercedes-MB-100-Kastenwagen quer durch Deutschland, gern auch mit Kompressor-Anhänger, der in den Kasseler Bergen nach dem dritten Gang verlangte.
Laut, langsam - aber zuverlässig!
Abends parkten wir den Mercedes MB 100 dann vor Landgasthöfen, aßen Schnitzel und tranken Licher Pils aus tulpigen Gläsern. Am nächsten Morgen ging es weiter zur nächsten Baustelle. Das konnte ein Kirchturm sein, ein klammer Keller oder eine neue Industrieanlage.
Der Mercedes MB 100 brachte uns überall hin, laut und langsam, doch zuverlässig. Er rostete schneller als sein Schatten, kein Wunder, er kam ja auch ziemlich rostungeschützt aus dem ehemaligen DKW-Werk in Spanien. Dort wurde er bis 1995 gebaut, dann nach Korea und Vietnam weitergereicht, bis er schließlich 2004 in China landete. Der Schnelllaster lebt!
So wenig kostet ein Mercedes MB 100
Schon ab etwa 1.000 Euro kann man einen fahrbereiten Mercedes MB 100 ergattern - wobei ergattern ist wahrscheinlich das falsche Wort, erbarmen wäre richtiger. Von "gutem Zustand" zu sprechen, ist beim MB 100 ebenfalls schwierig, denn solche Exemplare gibt es fast nicht. Nennen wir einigermaßen rostfreie MB 100 also lieber alltagstauglich und in ordentlichem Zustand. Wer solch ein Auto sucht, kann ab rund 2.500 Euro glücklich werden.
Die Mercedes MB 100 mit Wohnmobil-Aus- und Aufbau kosten deutlich mehr. Hier besonders gut nach Rostspuren suchen, denn dadurch, dass bewohnte Fahrzeuge nur ungern trocknen, wird das Blech auch noch von innen angegriffen.