Mercedes-Benz E 250 TD, E 200 T und E 280 CDI T
Drei Generationen Mercedes T-Modell
Wir dachten, im Winter hole niemand sein geliebtes T-Modell für unsere Generationentrilogie raus. Doch wir fanden zwei Verrückte, die es trotzdem wagten. Dabei gelang eine spannende Inszenierung des T-Themas.
20.12.2020 Alf CremersWir wollten die T-Party schon absagen. Die Besitzer der drei Mercedes E-Klasse-Kombis hatten kalte Füße bekommen. Fast unisono hieß es: Es liegt Salz auf der Straße, wie stellt ihr euch das vor? Und dann noch über 50 Kilometer zur Foto-Location fahren, ausgeschlossen, guckt mal aus dem Fenster! Das meinte sogar der Eigner des Jüngsten, eines E 320 Avantgarde der Newcomer-Baureihe S 211, ein V6-Benziner, natürlich Fünfgangautomatik, in rarem Almandinschwarz-Metallic, Code 182, mit prächtiger Vollausstattung, unter hunderttausend km. In seinen Augen ist das kein schnöder Allerweltsgebrauchtwagen mehr, sondern ein Liebhaberstück für trockene, sonnige Tage, die es ja auch im Winter gibt.
Doch der Januar begrüßte uns mit heftigen Schneefällen, klirrendem Frost und glatten Straßen. Nachdem der kalte Ostwind den Asphalt trocknete, sieht er aus wie weiß gekalkt. Vorausfahrende Autos wirbeln Salz auf wie Staub. Das ist kein gutes Klima, erst recht nicht für die anderen beiden Kandidaten. Nicht für den 124er, ein schmucker Mercedes 300 TE in Nautikblau, und nicht für den E 280 T, ein 210er im brillantsilbernen Elegance-Anzug, auch er ein Reihensechszylinder der frühen Modelljahre. Adieu, du schöne Trilogie des T-Modells. Es hätte alles so schön gepasst, Ottomotoren von 180 bis 224 PS, schön homogen und ohne große Sprünge.
Neues Spiel, neues Glück
Doch es fällt schwer, von guten Ideen Abschied zu nehmen. Ich muss die Karten neu mischen, will die T-Modell-Trilogie unbedingt. Schon deshalb, weil einem die gemütlichen Mercedes-Kombis im Winter das Herz wärmen, weil man sich in ihnen auch bei Schneetreiben sicher fühlt, weil man auch sehen will, wie sich der Neue macht. Der Neue ist der S 211 ab Baujahr 2003, den fahren nicht wenige 124er-Fans als ideale Ergänzung zu ihrer T-Ikone im Alltag, meist als CDI-Diesel. Er kenne keinen Rost, so heißt es in den Foren. Ich konnte nicht mehr wählerisch sein, sogar ein leicht angegriffener 210er wäre mir lieber als keiner, wenn es nicht zu arg ist. Eine Dose Lackspray Brillantsilber 744 liegt noch bei mir im Keller, ich werde sie bald brauchen.
Die T-Party muss stattfinden, ich hänge mich noch mal richtig rein, klappere im Internet die Seiten der Händler ab, die ich von meinen unvernünftigen Käufen her kenne. Sie haben noch etwas gutzumachen, denke ich, sie werden mir sicher helfen, weil ich sie von ihren Standuhren befreit habe. Bei Königs Cars in Augsburg werde ich gleich doppelt fündig. Der 211er, ein brillantsilberner E 280 CDI T Classic, eine 450-Newtonmeter-Drehmoment-Granate mit 3,2-Liter-Sechszylinder-Diesel und 177 PS für 4.500 Euro wird wohl als Leihgabe klargehen. Nur was das Borgen seines 124er-Kombis anbelangt, bin ich skeptisch.
Als ich letztes Frühjahr meinen C 180 Esprit bei Kenan Cetinkaya für 450 Euro mitnahm, schwärmte er in vollen Zügen von dem E 250 TD Automatik: "Das ist mein Auto, der Dieselkombi. Echte Mercedes-Qualität, Vierventil-Fünfzylinder, 113 PS, auch mit 315.000 km unzerstörbar. Und dann noch diese tolle Farbe Rosenholz-Metallic." Kenan hat 4.900 Euro Schutzgebühr für den Kombi ausgeschrieben, bisher hat ihn keiner erobert. Als Neuwagen kostete der feine Edelkombi mit den schönen Achtloch-Alus und mit 15 Extras 73.567 Mark.
Ich fasse mir ein Herz, rufe an. Kenan ist anfangs immer ein bisschen streng: "Was, den 124er brauchst du auch? Hast du mal aus dem Fenster geguckt? Es schneit!" Dann wird seine Stimme sanft: "Kein Problem, komm vorbei und pass gut auf meinen Liebling auf." Erleichtert sinke ich in den Sessel und mache mich auf die Suche nach einem 210er T-Modell. Bei Auto Hillmaier in Fürstenfeldbruck werde ich fündig, ein silberner Mercedes E 200 T Kompressor mit Automatik, erst 178.000 km gelaufen, TÜV Mai 2019, für 1.333 Euro. Sieht auf den Fotos ganz gut aus.
Hillmaier geht schon beim ersten Klingeln ran: "Den Mercedes-Kombi können sie für Ihre Story gern haben. Innen ist der neuwertig und technisch einwandfrei. Aber der hat halt Rost, ist untenrum bräunlich wie alle Zwozehner." Ich atme trotzdem auf, die T-Trilogie kann stattfinden: "Macht nichts", flöte ich ins Telefon, "ich habe noch eine Dose Brillantsilber, den kriegen wir schon hin." Die Party kann steigen, die Gästeliste ist komplett: drei Generationen Mercedes T-Modell in einer kreativbunten heterogenen Mischung. Alles ist dabei, Benziner und Diesel, Vierzylinder, Fünfzylinder und Sechszylinder, Sauger und Aufgeladene, Turbo und Kompressor.
Vor einer Viertelstunde gab mir Kenan den Schlüssel von seinem Liebling. Ich sitze im E 250 TD und alles ist so vertraut. Der behagliche 124er mit seinem funktionell-eleganten Innenraum ist ein Stück Heimat für mich, obwohl ich noch keinen 250 TD mit dem späten Fünfzylinder-Vierventil-Saugdiesel gefahren bin. Im Kaltlauf ist noch deutliches Nageln hörbar, aber schon nach wenigen Kilometern läuft der konstruktiv aufwendige Motor für einen Diesel sehr angenehm und geschmeidig.
Die gute alte Viergangautomatik sorgt obendrein für eine kultivierte Fortbewegung. Manchmal muss man etwas energischer aufs Gas treten, denn 113 PS sind weit weniger als im Norm-124er namens 230 TE, dann erhebt der Fünfzylinder mit kehligem Ton seine Stimme und die Automatik schaltet einen Gang zurück.
Man bleibt trotzdem gelassen, muss sich während der Fahrt um nichts sorgen. Alles sitzt am richtigen Platz, geht wie von selbst. Obwohl wir uns noch nicht lange kennen, wächst mir der Wagen trotz weißer Blinker und Plakettengrill sofort ans Herz. Schon die Rosenholzfarbe ist ein Traum, sieht aus wie Champagner-Rosé und passt perfekt zur schwarzen Stoffausstattung, zusammen mit dem tiefgrünen Glas macht sie die Scheiben besonders dunkel. Dazu die schönen Alus samt Sportfahrwerk, was selbst bei diesem Kleinod von einem Dieselkombi für eine gewisse skurrile Exzentrik sorgt. Spielend leicht fährt sich der 124er, er wirkt aus der Fahrerperspektive extrem kompakt und handlich, fast wie ein Kleinwagen. Für mich ist der 250 TD wie die Fortsetzung des Seins: das Lenken, Bremsen und Fahren vollzieht sich so selbstverständlich wie das Atmen, Hören und Sehen.
Es fällt schwer, objektiv zu sein und Nachteile zu erkennen, vielleicht fehlen dem Wagen ungestümes Temperament und eine gewisse Dramatik in Linie und Auftritt. Stattdessen fließt alles ruhig und besonnen, auch die eleganten Linien seiner schönen Karosserie. Selbst das geliebte Handschuhfach ist noch an Ort und Stelle, es wich noch keinem Beifahrer-Airbag.
Läuft gut, innen sauber
Für das angenehme Empfinden des 210ers brauche ich etwas mehr Fantasie. Seine rundliche, bauchige Form gefällt mir inzwischen, selbst mit dem Vieraugengesicht kann ich sehr gut leben, es wirkt heute schon beinahe klassisch. Der Wagen ist groß, er wirkt vor allem im Profil gestreckt, Länge läuft wieder einmal, und sie mündet in ein kraftvolles Steilheck, das viele klobig finden. Sehr schön sind auch die sternförmigen 16-Zoll-Leichtmetallräder des Elegance-Pakets. Doch der Zugang zu ihm, dem selbst in Mercedes-Kreisen weithin Unverstandenen und Gescholtenen, gelingt mir am leichtesten über das Interieur. Innen präsentiert sich der E 200 Kompressor T enorm großzügig und ansprechend.
Er hat sich von der asketischen Funktionalität seines Vorgängers leise verabschiedet. Ja, es schwingt sogar die verschwenderische Pracht der S-Klasse W 140 mit. Ich nehme den 210er aus Fahrersicht schon auf den ersten Kilometern als Straßenkreuzer wahr, sitze enorm bequem auf breitem schwarzen Stoffpolster "Monte Carlo" und finde auf Anhieb eine angenehme Sitzposition. Der Blick fällt auf sehr viel Wurzelnussfurnier und auf vertraute Instrumente mit orangefarbenen Zeigern, der so beruhigende Öldruckmesser fehlt leider, aber dafür gibt es im Tacho ein kleines Display für allerlei Abfragefunktionen.
Der 1.300-Euro-Schlitten, in dessen Laderaum mühelos eine Europalette Platz findet, macht plötzlich Freude am lederbezogenen Volant, ganz ohne Schnäppchenjägertrieb. Der Zweiliter-Vierzylinder, den ich zunächst für eine untermotorisierte Fehlbesetzung in dem großen Auto hielt, klingt ein wenig hell und metallisch, so wie es die Vierventiler ja gern tun, aber er geht schon aus dem Drehzahlkeller heraus kräftig zur Sache, vor allem jenseits von 2.500/min gibt er sich erstaunlich durchzugsstark.
Keine Frage, dass sich das milde Doping des mechanischen Laders nicht nur bei der Höchstleistung von 163 PS bemerkbar macht. Es sorgt vor allem für eine angenehme Leistungscharakteristik über das gesamte Drehzahlband, gleich einem sanften, nachhaltigen Rückenwind ohne den brachialen Turbotritt. Damit wird dem Fahrer deutlich mehr Hubraum vorgetäuscht, was wiederum der Fünfgangautomatik gefällt, die keineswegs nervös oder hektisch agiert, sondern gelassen, solange der Fahrer nicht in Fahrstufe D den seitlichen Tiptronic-Step als Adrenalinschub sucht.
Die direkt operierende Zahnstangenlenkung macht den 210er bei schnellem Kurvenfahren erstaunlich agil, er ist kein schwerfälliger Transporter, der um die Biegung gezwungen werden muss. Da ist er dem 124er überlegen, der sich nur dank seiner Kompaktheit und perfekten Übersichtlichkeit subjektiv agiler anfühlt.
Nun ist die E-Klasse vom Typ 211 in der Ausführung Classic an der Reihe, ein E 280 CDI T, und das Umsteigen fällt auf den ersten Blick gar nicht so schwer. Der Neue, so nenne ich den soeben vom Gebrauchtwagen zum Youngtimer Aufgestiegenen etwas provokant, trägt die gleichen attraktiven Aluräder und ein ähnliches Vieraugengesicht. Er wirkt wie ein 210er, der eine Menge Feinschliff hinter sich hat, dem man das Klobige in der Linie vorsichtig nahm und der nun eine elegante Skulptur abgibt, an der nichts übersteht, die aus einem Guss ist und an dem die sanft abfallende Heckpartie nicht wie aufgesetzt wirkt.
Schönheit vor Nutzwert
Der Neue wirkt innen und außen kleiner als sein Schrankkoffervorgänger, doch die Maße beweisen das Gegenteil. Nur der Laderaum geriet mit 15 Prozent weniger Kapazität nicht mehr ganz so aufnahmefähig, Tribut an die deutlich ausgeprägtere Eleganz. Innen bedeutet der 211er mehr Zäsur als Evolution, die Instrumente und die Cockpitlinie mit dem luxuriösen Akzent von Edelholz in Calyptus Linea folgen dem Stil italienischer Leichtigkeit aus der SKlasse W 220. Ich empfinde den 211er als Neuwagen, für mich könnte er das nächste Jahr in Genf stehen, und ich würde zehn Jahre nach seinem Produktionsende immer noch von Fortschritt sprechen. Vielleicht weil ich mir kaum vorstellen kann, dass das Fahren in einer E-Klasse noch besser geht, noch müheloser, noch komfortabler, noch agiler und noch temperamentvoller.
All das suggeriert dieser E 280 CDI, selbst noch nach 272.000 Kilometern nachhaltigen Gebrauchs. Entscheidend geprägt werden die freudigen Fahrgefühle von dem unerhört kraftvollen 3,2-Liter-Sechszylinder-Diesel mit einsamer Durchzugskraft und ausgeprägter Genügsamkeit. Spielerisch geht das souveräne Triebwerk mit dem 1,8 Tonnen schweren T-Modell um. Dabei erfüllt es mich mit Wehmut, dass gerade diese prachtvollen Großdiesel, die das Fahren so mühelos machen und für deren permanenten Drehmomentüberschuss fünf Automatikstufen locker reichen, heute verfemt werden.
Wenn man dem 211er etwas vorwerfen könnte, dann diese Neuwagenperfektion. Sie fesselt mich total und lässt mich erst wieder frei, als ich in den vergleichsweise unvollkommenen und antiquierten 250 TD einsteige. Erst kurz vorglühen, dann muss ich los, Kenan wartet schon.