Mercedes 300 SLR Uhlenhaut Coupé verkauft
So lief der Verkauf des teuersten Autos der Welt
Mercedes-Benz hat eines von zwei Uhlenhaut-Coupés der 50er-Jahre verkauft. Mit dem genannten Preis ist es nicht nur das wertvollste Auto, das die Schwaben abgeben, sondern der supersportliche Achtzylinder ist das teuerste Auto der Welt. Simon Kidston spricht im Podcast von Chris Harris, wie er den Verkauf anbahnte und wie die Auktion lief.
02.02.2023 Andreas Of-Allinger, Thomas HarloffSimon Kidston, in Genf ansässiger Spezialist für die Vermittlung hochwertiger Oldtimer für Sammler, hat anderthalb Jahre mit Mercedes-Benz über den Verkauf des 300 SLR Uhlenhaut Coupé verhandelt, dabei die Karte im Steigenberger Stuttgart gut kennengelernt und "die Tür aufgestoßen" zum Verkauf des nach Kidstons Meinung "begehrenswertesten Autos der Welt."
Was macht das Uhlenhaut Coupé einzigartig?
Der Händler und Experte berichtet im Podcast von zwei Begegnungen mit einem Mercedes 300 SLR. Das erste Mal sah und hörte er das Auto, als ihn sein Vater nach dem Ende des Studiums zur Mille Miglia mitnahm: Geräusch und Geschwindigkeit des Autos hätten ihn sehr beeindruckt: "Es klingt wie ein Monster aus der Tiefe”, berichtet er. Jahre später habe er von Mercedes die Möglichkeit angeboten bekommen, das Uhlenhaut Coupé für eine 60-Kilometer-Runde am Gardasee zu fahren. Als er hörte, wie laut das Auto sei, habe er verstanden, warum Uhlenhaut im Alter fast taub gewesen sei. Rudolf Uhlenhaut, Chefkonstrukteur bei Mercedes, nutzte das 300 SLR Coupé dienstlich; er pendelte damit zwischen dem Werk in Untertürkheim und seinem Wohnort Riedenberg. Einmal fuhr er in knapp einer Stunde die 230 Kilometer von Stuttgart nach München. Kidston bezeichnet das Auto als "Formel-1-Auto im Anzug.”
Mercedes habe über die Jahre immer wieder Angebote für das Auto bekommen, aber einen Verkauf immer abgelehnt. Nun war es soweit. Im Raum stand eine Summe von 100 Millionen Euro. Kidston und sein Auftraggeber waren fast am Ziel, als sich Mercedes zu einer Auktion entschloss: "a slight degree of frustration" bei Kidston. Aber: "You want to get the deal done." Über seinen Auftraggeber verrät er nur so viel: Er war extrem geduldig und gab ihm freie Hand bei den Geboten.
Die Auktion: Startgebot 50 Millionen
Am Tag der geheimen Auktion wurde das Mercedes-Benz Museum für das Publikum geschlossen. Vor Ort war ein Bieter: Simon Kidston. Am Telefon neun weitere Bieter.
Das Startgebot lag bei 50 Millionen Euro. So teuer war noch nie vorher ein Auto versteigert worden. In Schritten von fünf bis zehn Millionen Euro ging es weiter. Bis bei 130 Millionen Euro zwei Bieter übrig blieben: einer am Telefon und Simon Kidston. Der Telefonbieter erhöhte nach Rücksprache auf 132 Millionen Euro. Kidston gab sein Gebot ab: 135 Millionen Euro. Pause. Der Hammer fiel bei 135 Millionen Euro. Für mehr Geld war noch nie zuvor ein Auto versteigert worden.
Das teuerste Auto der Welt
Mitbekommen hat die spektakuläre Auktion so gut wie niemand, Gerüchte in der Branche hatte es jedoch schon länger gegeben und am 19. Mai 2022 wurde es dann von Mercedes bestätigt: Der Autobauer hat am 5. Mai 2022 in seinem Museum eines von zwei 300 SLR Uhlenhaut Coupés verkauft. Das Auktionshaus RM Sotheby's hat die geheimen Auktion durchgeführt.
"Den höchsten Preis zu erzielen, der jemals für ein Fahrzeug gezahlt wurde, ist eine Ehre und ein Auftrag zugleich: Ein Mercedes-Benz ist mit Abstand das wertvollste Auto der Welt", sagt Ola Källenius, Vorstandsvorsitzender der Mercedes‑Benz Group AG. Am selben Abend hatte Mercedes seine Strategie für die nächsten Jahre verkündet: Die Marke setzt künftig verstärkt auf Luxus und möchte mehr teure Autos verkaufen.
135 Mio. Euro für Ausbildungs-Stiftung
Källenius begründet den Verkauf so: "Mit dem Erlös aus der Auktion wird ein weltweites Stipendienprogramm finanziert. Mit dem 'Mercedes-Benz Fund' möchten wir eine neue Generation ermutigen, in die innovativen Fußstapfen von Rudolf Uhlenhaut zu treten und großartige neue Technologien zu entwickeln, insbesondere zu Dekarbonisierung und Ressourcenschonung." Mercedes sieht den Erlös als Startkapital für Universitäts- und Schulstipendien, die für Umweltprojete und umweltwissenschaftliche Forschung eingesetzt werden solle. Stipendiaten sollen finanziell, mit Kontakten und Mentoring unterstützt werden. In den Fonds soll zudem weiteres Kapital fließen. Im Lauf des Jahres soll außerdem ein Partner bekannt gegeben werden. Den Fonds verantwortet Renata Jungo Brüngger, bei Mercedes im Vorstand für Integrität und Recht zusändig.
Die beiden 300 SLR Coupés hatte Mercedes-Benz für die Marken-WM in der Saison 1956 gebaut, aber nie eingesetzt. Denn zum einen wurde das Langstreckenrennen Carerra Panamericana in diesem Jahr abgesagt und zum anderen hatte Mercedes im Oktober 1955 den Rückzug aus Sportwagenrennen beschlossen. Entwicklungschef Rudolf Uhlenhaut nutzte einen davon stattdessen als Dienstwagen. Eines der Coupés steht im Mercedes-Benz Museum im Mythosraum 4. Auch das Auto, das nun verkauft wurde, soll sichtbar bleiben: "Der private Käufer hat zugestimmt, das 300 SLR Uhlenhaut Coupé auch nach dem Verkauf zu besonderen Anlässen zugänglich zu machen. Das zweite originale 300 SLR Coupé bleibt im Firmenbesitz und wird weiterhin im Mercedes-Benz Museum in Stuttgart ausgestellt", sagt Marcus Breitschwerdt, Leiter Mercedes-Benz Heritage.
Ferrari bisher an der Spitze
Das bisher teuerste bei einer Auktion verkaufte Auto ist ein Ferrari 250 GTO aus dem Besitz des ehemaligen Microsoft-Chefentwicklers Gregory Whitten. RM Sotheby’s hatte den Ferrari von 1962 Ende August 2018 während des Concours d’Elegance in Monterey versteigert. Der Sportwagen mit Scaglietti-Karosserie brachte seinerzeit 48,4 Millionen Dollar (aktuell umgerechnet etwa 46,5 Millionen Euro) ein.
Der höchste Preis, der bisher für einen Mercedes bezahlt wurde, waren 29,6 Millionen Euro für einen W196 R, den unter anderem Juan Manuel Fangio in der Formel-1-Saison 1954 fuhr.
300 PS und 290 km/h Topspeed
Mercedes-Benz hatte für die Rennsaison 1956 zwei 300 SLR Coupé gebaut, von denen eins der Leiter der Versuchsabteilung, Rudolf Uhlenhaut, fuhr. Daher stammt auch der Name des Modells. Der Rennsportwagen hat einen Reihenachtzylinder erreicht damit eine Höchstgeschwindigkeit von 290 km/h. Eines der beiden Autos hat eine rote Innenausstattung, das andere eine blaue.
Trotz der Ähnlichkeit zum 300 SL – Flügeltüren, Gitterrohrrahmen, Name – ist der 300 SLR im Grunde ein zweisitziger Formel 1 mit Coupé-Karosserie und Straßenzulassung. Abgeleitet ist das Coupé von jenem 300 SLR, mit dem Stirling Moss und Denis Jenkinson bei der Mille Miglia 1955 einen Streckenrekord aufstellen, indem sie in zehn Stunden, sieben Minuten und 48 Sekunden und mit einem Schnitt von 157,6 km/h 1.606 Kilometer von Brescia nach Rom und wieder zurück donnern. "Kein anderer Motor klingt so böse wie der des 300 SLR", meinte Stirling Moss später.
Der Motor des Coupés ist ein Reihenachtzylinder mit drei Litern Hubraum und desmodromischer Ventilsteuerung, das heißt, die Ventile haben keine Federn zum Schließen, sondern werden von der Mechanik zwangsgeschlossen. Ein Prinzip, das auch der Motorradhersteller Ducati für seine legendären V2-Motoren nutzt. Der SLR-Achtzylinder erreicht eine Literleistung von 100 PS – macht 300 insgesamt. Bei 7.450/min. Das geht, weil der Motor in der Mitte geteilt ist und die Nockenwellen damit kürzer sind und sich bei hohen Drehzahlen nicht verwinden. Die Kraftabnahme erfolgt in der Mitte. Bohrung und Hub sind mit je 78 Millimeter identisch. Ein Fünfgang-Schaltgetriebe mit kunstvollen mechanischen Sperren für den ersten und den Rückwärtsgang überträgt die Kraft an die Hinterachse. Die Abgase gelangen über zwei Auspuffstummel hinter dem rechten Vorderrad ins Freie. Für Tests wurden teilweise außenliegende Schalldämpfer montiert. Uhlenhaut fuhr mit dem 300 SLR regelmäßig vom Werk in Untertürkheim nach Hause ins zwölf Kilometer entfernte Riedenberg – und einmal sogar zum Grand Prix nach Schweden.
Rudolf Uhlenhaut: schneller Ingenieur
Der 1906 als Sohn einer Engländerin und eines Deutschen in London geborene Rudolf Uhlenhaut studiert in München Maschinenbau und begann 1931 bei Daimler-Benz in der Versuchsabteilung, die damals Fritz Nallinger leitete. Ab 1936 arbeitete Uhlenhaut in der Rennwagenabteilung. Der Ingenieur fuhr selbst Tausende Versuchskilometer und das nicht unbedingt langsam: Während Versuchsfahrten im Jahr 1955 umrundete er den Nürburgring im selben Auto drei Sekunden schneller als Juan Manuel Fangio. Er entwickelte den "Silberpfeil" W 25 erfolgreich weiter: Die Grand-Prix-Saison 1937 beendet Rudolf Carraciola mit dem Mercedes-Rennwagen W 125 als Europameister. Auch die beiden folgenden Jahre war Mercedes im Motorsport erfolgreich. Als der Vorstand 1951 beschloss, wieder in den Motorsport einzusteigen, entwickelte Uhlenhaut aus einem leichten Rohrrahmen und dem Motor des 300 den legendären 300 SL Flügeltürer. Mit dem gewinnt Mercedes 1952 vier von fünf Rennen. Ab 1955 ist Uhlenhaut als Entwicklungschef für Serienautos verantwortlich. In seiner Zeit entstehen etwa die "Pagode", der Strich-Acht und die S-Klasse-Baureihe W116. Diese erste S-Klasse erschien 1972. Im selben Jahr geht der Ingenieur nach 41 Jahren bei Mercedes in den Ruhestand. Uhlenhaut stirbt am 8. Mai 1989 im Alter von 82 Jahren.