Verkauf des Uhlenhaut Coupés
Warum Mercedes nicht sein Tafelsilber versetzt hat
Der Verkauf des Mercedes 300 SLR Uhlenhaut Coupé hat für Aufregung gesorgt. Doch die Idee zum Verkauf gab es schon viel früher, weiß Dirk Johae.
25.05.2022
Dirk Johae
Foto: Hans-Dieter Seufert
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RM Sotheby's hat am 5. Mai 2022 während einer geheimen Auktion im Mercedes-Benz Museum eins von zwei 300 SLR Uhlenhaut Coupés verkauft. Der Preis ist ein neuer Weltrekord: 135 Millionen Euro bezahlte ein unbekannter Sammler für das Auto.
Foto: RM Sotheby's
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Damit ist der 290 km/h schnelle Silberpfeil das teuerste jemals verkaufte Automobil der Welt. Zur Legendes des 300 SLR gehört unter anderem, dass Mercedes-Versuchsleiter Rudolf Uhlenhaut die Strecke Stuttgart-München in unter einer Stunde gefahren sein soll.
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Mercedes baute nur zwei 300 SLR Coupé.
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Auf den ersten Blick hat der 300 SLR ein paar Gemeinsamkeiten mit dem 300 SL: Flügeltüren, Gitterrohrrahmen, Name.
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Doch unter der eleganten Coupé-Hülle steckt die Technik eines damaligen Formel-1-Autos.
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Bemerkenswert ist die Sitzposition: Der Fahrer spreizt seine Beine über einen Tunnel. Rechts davon befindet sich das Gaspedal, links Bremse und Kupplung.
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Zwei Auspuffstummel ragen hinter dem rechten Vorderrad ins Freie. "Kein anderer Motor klingt so böse wie der des 300 SLR", meinte Stirling Moss.
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Der Motor des Coupés, ein Reihenachtzylinder mit drei Litern Hubraum und desmodromischer Ventilsteuerung, erreicht eine Literleistung von 100 PS – macht 300 insgesamt.
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Mercedes-Entwickler Rudolf Uhlenhaut (1906-1989) nutzte das 300 SLR Coupé als Dienstwagen.
Foto: Mercedes-Benz
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Konstruiert hatte Uhlenhaut den Silberpfeil 1995 auf dem Höhepunkt des Erfolges der Silberpfeile Mitte der 1950er-Jahre. Doch weil Mercedes nach einem schweren Unfall in Le Mans 1955 aus dem Spitzen-Motorsport ausstieg, wurde aus dem Projekt nichts.
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Übrig blieben zwei Prototypen, von denen einer im Mercedes-Benz Museum im Mythosraum 4 steht.
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Der andere 300 SLR gehört einem Sammler, der das Auto jedoch bei bestimmten Gelegenheiten der Öffentlichkeit zugänglich machen soll.
Foto: RM Sotheby's
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Hinter den Speichenrädern sind weder Bremsscheiben- noch trommeln zu sehen. Die liegen innen unter der Motorhaube, um die ungefederten Massen zu reduzieren.
Foto: RM Sotheby's
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Aus dieser Perspektive ähnelt der SLR tatsächlich den zahmeren Markengeschwistern ohne R. Doch unter der Flügeltürer-Hülle steckt Formel-1-Technik.
Foto: RM Sotheby's
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Die zwei Ersatzräder im Kofferraum sind für Langstreckenrennen gedacht. Der Tank füllt den Rest des Kofferraums aus.
Foto: RM Sotheby's
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Mit einem Preis von 135 Millionen Euro ist der 300 SLR das teuerste Auto, das jemals versteigert wurde. Im Folgenden die bisher teuersten Auktions-Oldtimer der Welt.
Foto: RM Sotheby's
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Teuerster Ferrari und zweitteuerstes Auktionsauto: Diesen 330 LM von 1962 hat RM Sotheby's am 13.1.2023 in New York versteigert.
Foto: Jeremy Cliff/RM Sotheby's
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Der Rennwagen war 1962 beim 1.000-Kilometer-Rennen auf dem Nürburgring Zweiter, fuhr Le Mans und gehörte 38 Jahre einem Sammler.
Foto: Jeremy Cliff/RM Sotheby's
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Versteigert wurde das Auto für 51,7 Millionen US-Dollar (48,1 Mio. Euro).
Foto: Jeremy Cliff/RM Sotheby's
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Der Zwölfzylinder hat vier Liter Hubraum und leistet 390 PS.
Foto: Jeremy Cliff/RM Sotheby's
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Platz drei der teuersten Auktionsautos: Ferrari 250 GTO, Chassis 3413 GT, Baujahr 1962, 2018 von RM Sotheby's versteigert, Preis: 48,4 Millionen US-Dollar.
Foto: Patrick Ernzen © 2018 Courtesy of RM Sotheby’s
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Der Renn-GTO mit der Chassisnummer 3413GT stammt aus der Sammlung von Gregory Whitten, dem ehemaligen Chefentwickler von Microsoft. Gefahren hat das Auto unter anderem Phil Hill.
Foto: Patrick Ernzen © 2018 Courtesy of RM Sotheby’s
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Ferrari 250 GTO, Chassis 3851 GT, Baujahr 1962, 2014 von Bonhams versteigert, Preis: 38,1 Millionen US-Dollar.
Foto: Bonhams
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Das Auto war 49 Jahre im Familienbesitz und fuhr 1962 auf den zweiten Platz bei der Tour de France.
Foto: Bonhams
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Ferrari 335 Sport, Baujahr 1957, 2016 von Artcurial versteigert, Preis: 35,7 Millionen US-Dollar.
Foto: Artcurial
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Bei der Mille Miglia 1957 erreichte das Auto den zweiten Platz. Seit 1970 befand es sich in der Sammlung Pierre Bardinon.
Foto: Artcurial
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Bonhams versteigerte am 18. August 2023 diesen Ferrari 412P während "The Quail Auction" für 30,3 Millionen Dollar.
Foto: Bonhams
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Mit diesem Rennwagen sind 1967 Richard Attwood, Lucien Bianchi, Piers Courage, David Piper und Jo Siffert gefahren.
Foto: Bonhams
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Das Besondere an dem rund 420 PS starken 12-Zylinder-Ferrari ist nicht nur die Rennhistorie mit Einsätzen in Spa, Le Mans, Brands Hatch, auf dem Nürburgring und der Solitude, sondern auch die Straßenzulassung.
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Mercedes-Benz W196, Baujahr 1954, 2013 von Bonhams versteigert, Preis: 29,7 Millionen US-Dollar.
Foto: Bonhams
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Juan Manuel Fangio, Hans Herrmann und Karl Kling fuhren mit diesem Monoposto.
Foto: Bonhams
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Ferrari 290 MM, Baujahr 1956, 2015 von RM Sotheby's versteigert, Preis: 28 Millionen US-Dollar.
Foto: RM Sotheby's
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Juan Manuel Fangio saß am Steuer dieses Ferrari mit 320-PS-V12.
Foto: RM Sotheby's
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Ferrari 275 GTB/4 NART Spider, Baujahr 1967, 2013 von RM Auctions versteigert, Preis: 27,5 Millionen US-Dollar.
Foto: RM Sotheby's
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Einer von 10 je gebauten N.A.R.T. Spider. Unter der Scaglietti-Karosserie steckt ein 300-PS-V12.
Foto: RM Sotheby's
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Ferrari 275 GTB/C Speciale, Baujahr 1964, 2014 von RM Auctions versteigert, Preis: 26,4 Millionen US-Dollar.
Foto: RM Sotheby's
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Bei dem verkauften Auto handelt es sich um eine von drei Berlinetta. Die Historie gilt als komplett belegt.
Foto: RM Sotheby's
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Aston Martin DBR1, Baujahr 1956, 2018 von RM Sotheby's versteigert, Preis: 22,55 Millionen US-Dollar.
Foto: RM Sotheby's
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Ferrari 290 MM, Baujahr 1956, 2018 von RM Sotheby's versteigert, Preis: 22 Millionen US-Dollar.
Foto: RM Sotheby's
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Stirling Moss gewann mit diesem Auto das Nassau Trophy ans Memorial Race.
Foto: RM Sotheby's
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Teuerstes Auto der Neunzigerjahre: Gooding & Company versteigerte 2021 während des Pebble Beach Concours d'Elegance den bisher teuersten McLaren F1.
Foto: Gooding & Company/Mike Maez
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Das wenig gefahrene Exemplar in Creighton Brown erzielte einen Verkaufspreis von 20,5 Millionen Dollar, die ungefähr 17,4 Millionen Euro entsprechen.
Foto: Gooding & Company/Mike Maez
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Wenn ein F1 unter den Hammer kommt, wird's immer achtstellig: 2017 wechselte ein F1 mit Straßenzulassung für 15,6 Millionen Dollar den Besitzer, 2019 fiel bei 19,8 Millionen Dollar der Hammer für einen F1 in LM-Spezifikation.
Foto: Gooding & Company/Mike Maez
"Mercedes versetzt sein Tafelsilber!" "Wehret den Anfängen!" "Eine Schande für Deutschland!" Mit der ehemaligen Inventarnummer 533 seines Museums hat Mercedes für große Aufregung gesorgt. Diese nüchterne Nummer kennzeichnete einen von nur zwei gebauten 300 SLR Coupés. Für den Zuschlagspreis von 135 Millionen Euro wechselte der kultisch verehrte Supersportwagen aus dem Baujahr 1955 den Besitzer. Dieses SLR Coupé wird jetzt als "wertvollstes Auto der Welt" gefeiert – Mercedes 300 SLR schlägt Ferrari 250 GTO.
Millionen-Opfer für PR?
Wie kann Mercedes nur so etwas machen? Emotional betrachtet ist der SLR ein faszinierender Sportwagen mit für die 50er-Jahre grandiosen Fahrleistungen. Darüber hinaus begeistern die technischen Finessen ebenso wie der raue Sound des Achtzylinders, die elegante Form des geschlossenen Coupés mit Flügeltüren. Also ein No-Go, ein mit kaltem Herzen geschlachtetes Millionen-Opfer für PR und Image durch einen gegründeten Fund für Zukunftsprojekte des Konzerns?
Mit sachlichem Blick jedoch erweist sich das jetzt abgegebene Coupé mit der roten Innenausstattung als historisch weit weniger wertvoll als das Schwesterauto (blaue Innenausstattung), welches im Mercedes-Benz-Museum ausgestellt wird. Der "Rote" mit der Chassisendnummer 00008/55 wurde erst Ende Dezember 1955 fertiggestellt und im Juni 1956 erstmals gefahren worden.
Allerdings hat Uhlenhaut selbst wohl nur zwei Mal am Steuer dieses Autos gesessen, bei Testfahrten im November 1956 und für die Abnahmefahrt. Von 1961 bis 1963 ging der "Rote" auf USA-Tournee. Nach etlichen Demonstrationsfahrten kehrte er schließlich beschädigt nach Untertürkheim zurück, angeliefert in einem Eisenbahnwaggon. 1986 schließlich wurde der "Rote" von Tony Merrick restauriert und war seither immer wieder als für Mercedes-Benz Classic bei einigen Veranstaltungen im Einsatz.
Das echte Uhlenhaut-Auto steht im Museum
Das "Uhlenhaut"-Coupé im strengen Sinn ist der "Blaue" (Chassis …00007/55) und nur der. Dieses Exemplar diente Rudolf Uhlenhaut zeitweise als Dienstwagen. Darüber hinaus als Testwagen für die Sportwagenrennen GP von Schweden, Tourist Trophy und Targa Florio, letztere die beiden abschließenden WM-Läufe sowie in Monza. Dieses erste Coupé war bereits im Juli 1955 fertiggestellt.
Foto: Mercedes-Benz
Eines der beiden Uhlenhaut Coupés steht im Museum.
Die ganze Aufregung um den Verkauf ist angesichts dieser historischen Fakten überzogen. Das jetzt verkaufte Coupé ist der von seiner Geschichte her uninteressanteste aller neun gebauten SLR. Immerhin hat ein Sammler dafür eine Summe geboten, die sonst nur für hochkarätige Kunstwerke gezahlt wird. Vier Tage nach der Coupé-Versteigerung in Stuttgart wurde in New York Andy Warhols Siebdruck von Marilyn Monroe für umgerechnet 195 Millionen Euro versteigert.
Nicht der erste Verkauf
Mercedes selbst hat sich auch vor dem aktuellen Verkauf immer wieder von Autos aus seiner Sammlung getrennt. Zwei SLR wurden beispielsweise an andere Museen abgegeben. Darüber hinaus wurde das erstgebaute Exemplar 1959 dem Ford Museum in Dearborn überlassen, aber 2001 für 3,5 Millionen US-Dollar zurückgekauft. Das Herauslösen auch von hochkarätigen Exponaten aus der Sammlung ist also nichts Neues. Allerdings passierte das bislang viel geräuschloser als im aktuellen Fall. Allenfalls das ganze Bohei rund um die Auktion bietet einen Grund zur Aufregung. Letztlich muss Mercedes wie jeder private Sammler auch darüber entscheiden, wie der Bestand seiner Sammlung gepflegt wird.