Kaufberatung Mercedes 220 S - W 111
Gib' mir die Heckflosse
Die Limousinen der Baureihe 111 gelten trotz ihrer Solidität und ihrer verwindungssteifen Karosserie mit hoher passiver Sicherheit als ausgesprochen rostanfällig. Schon in den siebziger Jahren prägten rostige Flossen das Straßenbild. Später wurde oft geflickt statt instand gesetzt.
Karosserie-Check
Der solide Eindruck beim Schließen von Türen und Hauben täuscht. Die Heckflosse ist als rostanfällig berüchtigt. Die hohe passive Sicherheit und eine verwindungssteife Karosserie bedingen zahlreiche Hohlräume. Schon nach sechs grimmigen Salzwintern in den Sechzigern blühte der Aufbau über den Scheinwerfern an den Schwellern, Radläufen und in Höhe der A-Säule. Anfang der Neunziger kamen rostfreie große Flossen aus den USA zu uns, vorzugsweise als 220 SE und 300 SE, doch litten diese unter verwittertem Lack und von UV-Licht zerstörten Interieurs.
Die deutschen Autos kranken vor allem an Durchrostungen im Bereich der vorderen Längsträger – treffend auch Bananen genannt. Ebenfalls sind der Querträger unter der Stoßstange sowie die A-Säulen unter den ebenfalls sehr rostanfälligen Kotflügeln von Korrosion befallen. Bei der Heckflosse empfiehlt es sich genau hinzusehen, denn es sind viele schlecht restaurierte Blender unterwegs. Darum sind Bodenteppichen und Kofferraummatten zu entfernen. Der Gepäckraumboden im Bereich von Tank und Radhäusern gilt als notorisch rostanfällig, auch die Reserveradwanne ist ein Schwachpunkt. Nützlich kann ein Ausbau der Rückbank sein, um den Zustand der ebenfalls kritischen Längsträger im Bereich der Hinterachse zu prüfen. Radläufe und Endspitzen rosten natürlich ebenso. Nach vier Jahrzehnten sind oft die Sitzbezüge verschlissen. MB-Tex gilt als unzerstörbar, aber Leder – oft nachgerüstet – zeigt zum Teil deutliche Rissbildung. Originalität ist bei Scheinwerfern (H1) und Rädern (14 Zoll) ein kritischer Punkt.
Technik-Check
Die Sechszylindermotoren M 180 der großen Flosse reichen bis zum Typ 220 (W 187) von '51 zurück. Die moderne, kurzhubige OHC-Konstruktion mit vier Kurbelwellenlagern gilt im Gegensatz zum späteren aufgebohrten 250 SE-Motor als ausgesprochen robust und langlebig. Ein recht rauer Motorlauf und der auch im gesunden Zustand leicht erhöhte Ölverbrauch von etwa 1,5 Liter auf 1.000 km sind normal. Bei mehr als zwei Litern auf 1.000 km sind Ventilschaftdichtungen und Kolbenringe zu erneuern.
Die Zweivergaser-Anlagen von 220, 220 S und 230 S (Solex, später Zenith) sind recht einstellempfindlich und nicht einfach zu synchronisieren. Die mechanische Bosch-Einspritzpumpe des 220 SE zeigt sich bei der Überholung kostspielig. Die mechanischen Getriebe halten länger und sind problemloser als die Viergang-Automatik mit der DB-typischen Flüssigkeitskupplung. Deutlichere Schaltrucke sind normal, doch härtere Schläge deuten auf verschlissene Bremsbänder hin. Falsche Schaltpunkte sind ein Justierproblem. Wie bei allen schweren, alten Autos leiden Fahrwerk und Bremsanlage mit der Zeit. Hohe Laufleistungen von weit über 200.000 km sind für die über 40-jährigen Mercedes inzwischen normal.
Preise
Die Große Flosse zählt wie alle Mercedes der sechziger Jahre zu den klaren Gewinnern in der Preisentwicklung. Der Typ 220 Sb ist der häufigste und beliebteste, die weitaus selteneren 220 SEb (Stückzahl 66.086 zu 161.119) sind am teuersten - Aufpreis in vergleichbarem Zustand etwa 4.000 Euro. Komplette Restaurierungsobjekte in schlechtem Zustand kosten etwa 3.000 Euro. Mäßige Exemplare liegen bei eta 5.700 Euro, gute bei 24.000 Euro.Topmodelle der Baureihe 111 sind die Cabriolets: Ein Mercedes 220 SEb Cabriolet kostet in gutem Zustand rund 90.000 Euro, das 280 SEb Cabrio liegt auf gleichem Niveau und für das 280 SE 3.5 Cabriolet sind rund 110.000 Euro fällig.
Ein Schlachtfahrzeug kann sich bei gut erhaltenen Chromteilen lohnen. Der Restaurierungsaufwand der komplexen Karosserie nicht zu unterschätzen. Der einfacher ausgestattete 230 S (41.107 Stück) ist als spätes Modell eine Alternative. Sein Vorgänger 220b (69.691) bietet den speziellen Reiz des Außenseiters.
- Bei Einführung 1959 (Mercedes-Benz 220 S) :
- 13.250 Mark
- Bei Produktionsende 1968 (Mercedes-Benz 230 S) :
- 14.000 Mark
Ersatzteile
Die Ersatzteillage für die 111er-Baureihe ist Mercedes-typisch entspannt. Das gilt speziell für die begehrten Coupés – aber auch für die Limousinen ist so gut wie alles lieferbar, mit Ausnahme einiger Reparaturbleche, Zierteile oder Ausstattungsdetails. Alles andere gibt es sehr kurzfristig beim örtlichen Mercedes-Benz-Vertreter. Die Lücken im Angebot füllen zum Teil das Mercedes-Benz Classic Center in Fellbach www.mercedes-classic.com, Nachfertigungen in Clubregie oder die spezialisierten Teilehändler, zu denen auch die Firma SLS in Hamburg, www.sls-hh.de oder der auf W 111-Reparaturbleche spezialisierte Händler Bruno Wenner in 33775 Versmold, www.Auto-ersatzteil-lager.de gehören. Die mechanische Zweistempel-Einspritzpumpe des 220 SE revidiert Koller & Schwemmer in Nürnberg. Dort liegen auch die notwendigen Ersatzteile bereit.
Schwachpunkte
- Kotflügel (Scheinwerfertöpfe)
- Querträger vorn
- Lenkgetriebebefestigung
- Vordere Längsträger (Bananen)
- Schweller (Wagenheberaufnahmen)
- Hintere Längsträger
- Kofferraumboden
- Chromteile, Stoßstangen
- Hoher Ölverbrauch/Ölverlust
- Vergaser (Verschleiß, Synchronisierung)
- Automatikgetriebe (Bremsbänder)
- Fahrwerksbuchsen, Bremsen
Wertungen
Fazit
Die Limousinen der Baureihe 111 gelten trotz ihrer Solidität und ihrer verwindungssteifen Karosserie mit hoher passiver Sicherheit als ausgesprochen rostanfällig. Schon in den siebziger Jahren prägten rostige Flossen das Straßenbild. Später wurde oft geflickt statt instand gesetzt.