Mercedes 190E 2.5-16 Evolution II zu verkaufen
Homologations-Legende zum Wucher-Preis
Ein US-Händler bietet derzeit einen perfekten Mercedes 190E 2.5-16 Evolution II zum Verkauf an. Seine Preisvorstellung ist jedoch unverschämt hoch.
23.08.2021 Thomas HarloffAls die Corona-Lockdown-Phase in Deutschland vor rund einem Jahr auf ihrem Höhepunkt war, wurde viel über Bescheidenheit gesprochen. Ob Gesellschaft, Industrie oder auch Profisport: Allen Bereichen des Lebens sollte mit mehr Demut und dem größtmöglichen Nachhaltigkeits-Gedanken begegnet, Finanz- und Umweltressourcen mit Augenmaß genutzt werden. Was davon übriggeblieben ist? Inzwischen fliegen Milliardäre für viel Geld und wenige Minuten an den Rand des Weltalls, wechseln Sportprofis für dreistellige Millionensummen die Vereine und Autos für mehr als 20 Millionen Dollar den Besitzer.
Demut, Nachhaltigkeit und Augenmaß scheinen zudem nicht gerade Begriffe zu sein, die in den Showrooms von Speedart Motorsports allzu häufig fallen. Oder wie sonst ist es zu erklären, dass der in Miami ansässige Händler exklusiver Automobile (meist aus Europa, vor allem aus Deutschland) aktuell einen Mercedes 190E 2.5-16 Evolution II für sage und schreibe 475.000 Dollar anbietet? Das entspricht aktuell etwa 406.000 Euro und etwa dem Doppelten, was ein Exemplar des legendären Homologationsmodells derzeit wert ist.
Perfekter Zustand und wenig Kilometer
Zugegeben: Der Zustand des wild beflügelten Sport-Mercedes mit der Fahrgestellnummer WDB2010361F738813 scheint perfekt zu sein, der Tachostand ist mit 11.339 Meilen (fast 18.250 Kilometer) überschaubar. Doch bereits bei der – immerhin gut dokumentierten – Historie wird es kompliziert: Der in der letzten Maiwoche 1990 in Sindelfingen produzierte Evo II wurde an einen niedersächsischen Kunden erstausgeliefert und 1993 nach knapp 10.000 absolvierten Kilometern nach Portugal verkauft. An der dortigen Nordwestküste spulte er weitere rund 8.000 Kilometer ab, bevor er 2015 zu einem niederländischen Händler kam. Von diesem erwarb ein griechischer Geschäftsmann die Nummer 473 von nur 502 produzierten Exemplaren der Kleinserie, wobei der Schürzen-Benz in dessen Händen mehr gewartet als gefahren wurde (143 Kilometer). 2020 kam der Schwabe zum jetzigen Anbieter, der ihn seitdem nur gut 100 Kilometer bewegt haben will – und das auch nur im Rahmen von Wartungen.
Obwohl der Mercedes 190E 2.5-16 Evolution II als Inbegriff eines Homologationsmodell gilt, fehlte dem Straßenmodell schon zu DTM-Glanzzeiten die letzte Sportlichkeit. Trotz Feintunings von AMG und Cosworth lässt der 235 PS und maximal 245 Newtonmeter starke 2,5-Liter-Vierzylinder-Sauger den letzten Biss vermissen. Auch das tiefergelegte Sportfahrwerk, das manuelle Fünfgang-Getrag-Getriebe und die Brembo-Bremsanlage gelten als alles andere als kompromisslos. Zumindest lässt die Dicke-Backen-Optik mit verstellbarem Mega-Heckspoiler mehr dynamische Konsequenz erwarten, als der Evo II tatsächlich zu liefern in der Lage ist.
Sicherheit und Komfort statt Sportlichkeit
Und dann hat der Erstbesitzer sein Auto auch noch mit dem beliebten Komfort-Paket ausgerüstet. Bedeutet: Der König aller 190er verfügt unter anderem über eine Klimaanlage, beheizte Sitze vorne, Lautsprecher im Fond sowie ein Stahl-Schiebe/Hubdach. Auch die gewählten Ausstattungs-Optionen "Fond-Kopfstützen" und "Radio Becker Grand Prix Kassette" zeugen davon, dass bei der Erstkonfiguration eher auf Sicherheit und Komfort als auf Sportlichkeit Wert gelegt wurde. Die vier für den Evo typischen Recaro-Einzelsitze sind mit schwarzem perforierten Leder ummantelt.
Wie alle 499 weiteren Exemplare in Kundenhand (die einzigen beiden Autos in Astralsilber verblieben in Werksbesitz bei Mercedes und AMG) trägt dieser Evo II stolz die Farbe Blauschwarz-Metallic. Laut Verkäufer handelt es sich dabei um den Erstlack. Die ursprüngliche Rostvorsorge soll am Unterboden noch zu sehen sein, Motor- und Innenraum tragen das Prädikat "wie am Tag der Erstauslieferung" und alle technischen Systeme sollen einwandfrei funktionieren. Dass alle Handbücher samt Serviceheft, die Ersatzschlüssel und das originale sowie komplette Bordwerkzeug beiliegen, versteht sich von selbst.