Mercedes 190E 2.3-16 (W 201) Lauda von 1984
190er zum Nicht-Ganz-Wahnsinnspreis
Fast 500.000 Euro sollte ein Mercedes 190E bringen, den RM Sotheby’s am 15.9.2023 in St. Moritz versteigerte. Was ist das Besondere an dem Auto? Und welcher Preis wurde tatsächlich gezahlt?
18.09.2023 Andreas Of-Allinger, Thomas HarloffVierventilmotoren waren keineswegs üblich, als Mercedes auf der IAA 1983 den 190E 2.3-16 vorstellte. Gleichzeitig hatte auch der 190D Premiere und damit war die Bandbreite des Baby-Benz für einige Jahre festgelegt: Auf der einen Seite der Vernunft-Diesel mit 72 PS aus einem neu konstruierten Zweiliter-Motor, auf der anderen Seite der 16V mit serienmäßigem Spoilerpaket, Sperrdifferenzial und 185 PS.
Nur zwei Autos noch original
Dass es Mercedes Ernst meinte mit der Dynamik, zeigten ausdauernde Rekordfahrten in Nardo und das Eröffnungsrennen auf dem Nürburgring am 12. Mai 1984. Zu diesem Rennen hatte Mercedes Weltmeister und aktuelle Fahrer aus der Formel 1 eingeladen, darunter den damals völlig unbekannten Ayrton Senna.
Alain Prost setzte sich auf die Pole, Senna folgte. Der lieferte sich wiederum einige Duelle mit dem F1-Weltmeister von 1975 und 1977, Niki Lauda. Senna gewann, das Auto mit der Startnummer 11 behielt Mercedes-Benz. Der Brasilianer bekam als Siegprämie einen 190E 2.3-16 in Blauschwarz-Metallic. Das zweitplatzierte Lauda-Auto wurde im Renntrimm verkauft, also mit Tieferlegung, Überrollbügel und Beklebung. Die anderen 18 Autos rüstete das Werk zurück und verkaufte sie an Händler oder gute Kunden.
Modifikationen für das Rennen der Stars
Die 20 Autos aus dem Eröffnungsrennen waren gegenüber den Serienautos um 15 Millimeter tiefergelegt und hatten die Serienleistung von 185 PS. Die Hinterachse war mit 4,08 statt 3,08 deutlich kürzer übersetzt als im Serienauto; statt 230 km/h erreichte der 190er im Eröffnungsrennen maximal 192 km/h.
Ein rennmäßiges Schaltschema mit links hinten liegendem ersten Gang brachte das Getrag-Fünf-Gang-Getriebe schon ab Werk mit. An der Vorderachse waren statt der Zweikolben-Schwimmsattel-Bremsen Vierkolben-Schwimmsättel montiert. Auf Vor- und Mittelschalldämpfer hatte Mercedes verzichtet; mit bis zu 100 dB waren die harmlos ausschauenden Viertürer ziemlich laut. Die prominenten Rennfahrer steuerten das Auto mit 38 statt 40 Zentimeter großem Lenkrad.
Becker Grand Prix im Renn-190
Die Sicherheit beim Renneinsatz erforderte Überrollkäfig, Schalensitze mit Sechspunktgurten, Feuerlöscher und einen zentralen Stromunterbrecher. Eher nichts mit dem Renneinsatz zu tun gehabt haben dürften das "Radio MB Exquisit" und die "Antenne automatisch", mit der Laudas Einsatzfahrzeug laut Datenkarte im März 1983 vom Band im Werk Bremen rollte. Inzwischen steckt ein Becker Grand Prix Electronic im DIN-Schacht über den Zusatzinstrumenten. LCD-Stoppuhr, Öltemperaturanzeige und Voltmeter hatte der 2.3-16 zum Basispreis von 52.212 Mark serienmäßig an Bord. Das Lauda-Einsatzauto, in 702 Rauchsilber lackiert, ist außerdem mit schwarzem Leder, Scheinwerfer-Reinigungsanlage und Zentralverriegelung ausgestattet.
Rennauto in 702 Rauchsilber
Mercedes-Benz hatte das Auto im April 1984 laut RM Sotheby‘s mit dem Kennzeichen "S-HH 7837" zugelassen und im Februar 1985 an den Hugo-Boss-Enkel Jochen Holy verkauft. Der veräußerte den Lauda-190er sechs Monate später nach Mannheim. Später kaufte ein Sammler aus Wien den Sechzehnventiler. Lauda kam 2016 noch einmal mit dem Auto zusammen; bei dieser Gelegenheit unterschrieb der Formel-1-Weltmeister auf dem Dach. Seit 2018 befand sich der Mercedes mit der Fahrgestellnummer WDB2010341A076359 in der Iseli Collection.
Teuer, aber unter Schätzpreis verkauft
Deren Besitzer, Daniel Iseli, trennte sich nun während einer Auktion in St. Moritz von rund 100 seiner Autos. Der 190E 2.3-16 mit der berühmten Vorgeschichte sollte laut Auktionshaus 400.000 bis 500.000 Schweizer Franken, umgerechnet 418.000 bis 522.000 Euro, einbringen. Letztlich erzielte der Lauda-Benz einen deutlich niedrigeren Preis, dürfte mit 308.750 Franken (fast 322.600 Euro) aber dennoch zu den teuersten 190ern überhaupt gehören – wenn er nicht gar den Spitzenplatz in dieser Hitliste eroberte.