McLaren M8F im Fahrbericht
Himbeerbomber mit 829 PS
CanAm-Wagen wie der McLaren M8F von Peter Hoffmann sind grösser, schneller und lauter als fast alle anderen Rennwagen. Bei historischen Rennsportveranstaltungen zählen diese kraft strotzenden Boliden zu den Höhepunkten.
Ein ganz normaler Testtag im Hockenheimer Motodrom. Die Sonne scheint, der Asphalt der Rennstrecke wird immer wärmer, in den Boxen werkeln die Teams an den unterschiedlichsten Rennwagen. Das ändert sich, als Peter Hoffmann den 8,3-Liter-V8 seines McLaren M8F zur kontrollierten Explosion bringt.
CanAm – Die verrückteste Rennserie der Welt
Bei Leerlaufdrehzahl lassen die Druckwellen aus den beiden oberarmdicken Endrohren des McLaren M8F den Boden vibrieren, über die Schuhsohlen dringen die niederfrequenten Schwingungen direkt bis in die Magengrube. Alle schauen auf. Ein Gasstoß per Hand auf 3.500 Touren, dann wackeln auch die Boxenwände. Schlagartig verstummen alle anderen Tätigkeiten. Was für ein Motor, was für eine kaum gezähmte Gewalt. Dieses Ding vor Box 18 ist rund 40 Jahre alt. Dennoch gibt es bis heute nichts, was die Nackenhaare steiler aufstellt und eine größere Gänsehaut verursacht, als ein CanAm-Wagen wie dieser McLaren M8F. Und wenn ein ganzes Feld davon die badische Rennstrecke mit irrlichternder Geschwindigkeit umkreist, fühlen sich die Zuschauer auf den Tribünen wie in einem Gewittersturm.
Der McLaren M8F war einer der Akteure der CanAm, oder genauer: der Canadian-American Challenge Cup, war der auf die Rennstrecke übertragene Traum vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Das Reglement von 1966 ließ den Konstrukteuren praktisch freie Hand, was nicht nur zum Einbau gewaltiger Motoren führte, sondern auch zu allerlei Skurrilitäten wie Ventilatoren für mehr Anpressdruck oder vier Motoren an Bord – einer für jedes Rad.
Ein Neuseeländer baut die schnellsten Rennwagen und dominiert als Fahrer
Erstaunlicherweise setzten sich dennoch die eher konservativ aufgebauten, im Detail aber sehr gut gemachten Autos des Neuseeländers Bruce McLaren durch. Von 1967 mit dem McLaren M6A bis 1971 mit dem McLaren M8F regierten die McLaren die CanAm, und Bruce McLaren sowie sein Landsmann Denny Hulme wechselten sich auf den Siegerpodesten zwischen St. Jovite, Laguna Seca und Elkart Lake ab. Von den 43 Rennen in den fünf Jahren gewannen die McLaren 37, das macht eine Erfolgsquote von 86 Prozent.
Nach Bruce McLarens Tod beim Testen in Goodwood 1970 hielt Hulme das Team noch eine Weile zusammen. Dann aber kamen 1972 die Turbo-Porsche 917 und beendeten die Herrschaft der Kiwis. 1974 war auch die Serie am Ende, die zu ihren besten Zeiten auf denselben Strecken deutlich schneller unterwegs war als die Formel 1. Parallel zur CanAm gab es in Europa die Interserie, und für diese erhielt Helmut Kelleners 1972 von der Firma Trojan aus England, wo die Kundenautos von McLaren gebaut wurden, einen McLaren M8F mit der Chassisnummer 272 geliefert.
Vom Ringer zum Rennfahrer – Peter Hoffmann Racing
Diesen McLaren M8F wiederum erwarb zwei Jahre später ein junger, 1939 in Breslau geborener Rennfahrer namens Peter Hoffmann, der sich bis dahin auf verschiedenen BMW und dann Camaro und Corvette seine Sporen verdient hatte. „Mit dem McLaren M8F bin ich Interserie gefahren, WM-Läufe und 1.000-km-Rennen“, erzählt Hoffmann, der vor seiner Rennkarriere auf Bundesliga-Niveau gerungen hat.
Hoffmann ist der lebende Beweis dafür, dass in schnellen Rennwagen die Zeit langsamer verläuft: Der 71-Jährige aus Emmelshausen am Rande des Hunsrück sieht aus wie gute 50 und fährt nach wie vor wie ein junger Gott. Nach der aktiven Laufbahn des McLaren M8F wechselte er damit ohne lange Pause in den historische Motorsport, fuhr aber parallel noch mit einem damals aktuellen Gruppe H-BMW. Aus dieser Zeit stammt auch die etwas ungewöhnliche Farbe des McLaren M8F: Der BMW sollte 1996 lackiert werden, und Hoffmanns Sohn durfte sich die Farbe aussuchen. „Und dann war eben noch so viel lila Farbe übrig“, grinst Hoffmann.
Ein Motor hält mit Glück fünf Rennen- und schiebt bestialisch voran
Wie viele Rennen er mit dem McLaren M8F gefahren ist, kann man nur schätzen, sicher über 300, und einen guten Teil davon hat er gewonnen. „Wie viele Motoren ich bis heute gebraucht habe, möchte ich lieber gar nicht wissen“, sagt Hoffmann, der zusammen mit Freundin Sabine alles am McLaren M8F selbst schraubt, „und für Getriebe habe ich auch viel Geld ausgegeben.“ Ein McLaren M8F-Motor hält mit Glück fünf Rennen, das Exemplar, das sich gerade warm bebt, hat er frisch revidiert eingebaut, auf dem Prüfstand zeigt es 829 PS und 950 Newtonmeter. Für die Testfahrt im McLaren M8F nimmt Hoffmann den 6.000er-Begrenzer raus, damit der Motor am Ende der Parabolika nicht ins Stottern gerät. „Dann viel Spaß“, wünscht er. Einmal trocken Schlucken und los.
Das unsynchronisierte, geradverzahnte Hewland-Getriebe des McLaren M8F besitzt zwar fünf Gänge, verwendet werden aber nur die obersten vier. Bei 950 Nm kann man auch im zweiten Gang anfahren. Hoffmann hat die charakteristische Einspritzanlage des McLaren M8F mit den langen Ansaugrohren gegen einen Vergaser getauscht: „Damit setzt die Leistung weicher ein, was auch das Getriebe schont.“ Tatsächlich ist der Leistungseinsatz ab 3.000/min im Vergleich zu einem vor Jahren gefahrenen McLaren M8C/D nicht ganz so roh – aber im Grunde ist es ein Unterschied wie zwischen Klitschkos linker Geraden und Klitschkos rechter Geraden.
Bei Vollgas schiebt der McLaren M8F so bestialisch voran, dass einem Hören und Sehen vergeht und ich trotz nur vier Gängen mit dem Schalten kaum nachkomme. Aus dem Stand ist das Monster in etwas über fünf Sekunden auf 200, und der Bremspunkt am Ende der Parabolika nähert sich nun mit fast 300. Zum Glück stauchen die vier riesigen Bremsscheiben den McLaren M8F gut zusammen, er bleibt vergleichsweise brav auf Kurs. Denn das ist die beruhigende Seite dieses CanAm-Wagens: Abgesehen von der irrwitzigen Leistung verhält sich der McLaren M8F wie ein ganz normaler, konventioneller Rennwagen und macht genau das, was er soll. „Er ist nicht bösartig“, bestätigt Hoffmann, „aber es gibt Ecken wie der schnelle Linksknick in Spa, in denen man nicht zucken darf.“ Und im Regen? „Da braucht man beim McLaren M8F viel Gefühl – eine falsche Bewegung, und du bist von der Straße.“
Im Trockenen erscheint der Grip des McLaren M8F dagegen endlos , und der Fahrspaß ist grenzenlos. Es stimmt, was CanAm-Fahrer immer wieder behaupten: Es ist wie Kart fahren – nur die Geraden sind kürzer. Die Fahrt im McLaren M8F ist wie ein Rausch, zweiter, dritter, vierter Gang – bei jedem vollen Durchbeschleunigen möchte ich laut „Yippie-ey-yeah“ schreien. Hören würde es ohnehin niemand: Am Ende der Fahrt zeigen die Messgeräte im Motodrom 110 Dezibel für den McLaren M8F. Wow.