Mazda Xedos 6
Was wurde aus der ambitionierten Limousine?
In England sagten sie, er sehe aus wie ein kleiner Jaguar: Der Mazda Xedos 6 versuchte Anfang der 90er, in der oberen Mittelklasse zu landen. Trotz elegantem Design und zuverlässiger Technik scheiterte die Mazda-Mission. Wieso eigentlich?
13.12.2020 Heinrich LingnerVielleicht sind einfach nur die Erwartungen zu groß für den kleinen Mazda. Nach nur sieben Produktionsjahren verliert der Hersteller aus Hiroshima den Mut und stellt die Produktion des Xedos 6 ein. Das Modell basiert auf der erfolgreichen Mittelklasse-Limousine 626, zielt aber eine Etage höher: in die Klasse der Premium-Mittelklässler wie Audi A4, BMW 3er und Mercedes C-Klasse.
Der Xedos gerät recht kompakt, er ist rund 4,5 Meter lang und nur 1,7 Meter breit. So erfüllt das Raumangebot für die Insassen keine übertriebenen Ansprüche, was wiederum zur Einschätzung des Designers Giugiaro passt. Der Italiener wird von auto motor und sport 1992 zum neuen Mazda befragt. Er findet ein paar lobende Worte, sagt sogar, Mazda habe eine Mischung aus Coupé und Limousine geschaffen, der Wagen sei Viertürer und Coupé in einem.
Womöglich hat Giugiaro die Türen des Testwagens gar nicht geöffnet, denn im Interieur geht dem Xedos ein wenig das Flair aus. Inneneinrichtung und Instrumente sind arg nüchtern geraten, schwarze Plastiklandschaften erstrecken sich von Tür zu Tür. Leder für die Sitze ist nur gegen Aufpreis zu haben, ebenso eine Klimaanlage. Beides zusammen verteuerte den Xedos um 4.500 Euro, vielleicht ist das einer der Gründe, aus denen der kompakte Mazda in den Folgejahren nicht so richtig landet beim zahlenden Publikum. Denn 42.790 Mark sind 1992 viel Geld für eine Limousine mit dem Raumangebot eines Golf III und einem anonymen Kühlergesicht, das nur Autokenner auf Anhieb zuordnen können.
Hochwertige Verarbeitung
Mit dem Preis befindet sich der Xedos auf gleicher Flughöhe wie etwa ein BMW 320, ein Audi A4 oder ein Alfa 155 mit vergleichbarer Motorisierung. Zuerst ist der Mazda nur mit dem 144 PS starken Zweiliter-V6 erhältlich, serienmäßig mit Fünfgang-Schaltgetriebe, die Viergangautomatik gibt’s optional (1.650 Mark).
Über die Fahrleistungen und -eigenschaften schreibt der auto motor und sport-Tester in der Ausgabe 16 von 1992 viel Nettes, lobt die Laufruhe und die Sparsamkeit des Antriebs sowie den angenehmen Federungskomfort. Die wenig rückmeldungsfreudige Lenkung findet dagegen nicht viel Beifall, ebenso wenig die fehlende besondere Note beim Fahren.
Das wiederum wird heute vermutlich keinen Xedos-Fahrer ernsthaft stören. Besonderes Flair verströmt der Mazda schon durch seinen hoch drehenden, sehr laufruhigen Sechszylinder und das recht kleinwagenhaft anmutende Interieur. Eine Innenbreite von 1.410 Millimetern haben heutzutage bereits Kleinwagen, und so zierliche Sessel ebenfalls.
Die Suche nach einem passenden Xedos dürfte dabei reichlich einfach sein, so 20 bis 30 Exemplare sind auf den verschiedenen Internet-Plattformen fast immer inseriert, auf äußerst moderatem Preisniveau. Ein offenkundig wohlgepflegtes Exemplar aus erster Rentnerhand bringt kaum mehr als 3.500 Euro. Auch deshalb gilt hier, genau wie bei vergleichbaren Automobilen: Kaufen Sie den Besten, den Sie kriegen können. Denn die Folgekosten durch Ersatz- und Verschleißteilpreise können den Spaß am schönen Premium-Mobil aus Japan zügig beenden.
Das bedeutet freilich nicht, dass der Xedos 6 sehr anfällig wäre, im Gegenteil. Das Fahrzeug ist sorgfältig und hochwertig verarbeitet, mit minimalen Spaltmaßen und aus rostresistenten Blechen. Achten Sie im Übrigen unbedingt darauf, ein Exemplar mit V6 zu wählen.
Ab 1994 gibt es zusätzlich einen Reihenvierzylinder mit 115 PS, der kann in Laufkultur und Flair nicht mit dem kleinen Sechszylinder mithalten. Mein aktueller Favorit aus den Weiten des Internets ist ein weinroter V6 mit Automatik, Klimaanlage und Velours-Sesseln, scheckheftgepflegt aus erster Hand. Kostet keine 3.000 Euro, und wenn man beim Händler über den Hof schlenderte, dabei mit Barem winkte, würde der Mazda wohl deutlich billiger.