Maserati Quattroporte

Drei Generationen Speed, Luxus und Stil

Speed, Luxus, Exklusivität und Stil: Die Mischung macht Maseratis viertürige Limousine über die Generationen zu einem ganz besonderen Charakter. Faszinierend einerseits – nicht ganz ohne andererseits.

Maserati Quattroporte, Generationen Foto: Ingolf Pompe 32 Bilder

Es war einmal. So muss diese Geschichte beginnen, denn so beginnen Märchen. Und diese Geschichte beginnt mit einem Märchen, dem vom Motor des ersten Maserati Quattroporte. Der sei ja, so heißt es oft, eigentlich ein Rennmotor gewesen, nämlich der des Sport-Prototyps 450 S, gut für 400 PS und gebändigt von Fahrern wie Moss, Taruffi und Fangio. Und eben dieser Motor habe dann, auch weil er auf der Rennstrecke weniger erfolgreich war als erwartet, in Maseratis erstem Viertürer Verwendung gefunden und so diese Limousine zu etwas ganz Speziellem gemacht.

"Das wird immer wieder gerne erzählt. Wahr ist es deshalb aber nicht", sagt Jörg Robels, Quattroporte- und Technikexperte des Deutschen Maserati Clubs. "Auf den ersten Blick sehen die sich sehr ähnlich. Aber der Motor, mit dem 1963 der Quattroporte I präsentiert wurde, ist eine Neukonstruktion, in vielen Details anders als der des Maserati 450 S. Der hat zum Beispiel einen viel größeren Zylindermittenabstand, Haarnadel-Ventilfedern und einen Nockenwellenantrieb über Stirnräder."

Maserati Quattroporte I, Frontansicht Foto: Ingolf Pompe
Maserati Quattroporte I (1963 - 1970)
Maserati Quattroporte III, Frontansicht Foto: Ingolf Pompe
Maserati Quattroporte III (1979 - 1990)
Maserati Quattroporte IV, Frontansicht Foto: Ingolf Pompe
Maserati Quattroporte IV (1994 - 2001)

Maserati Quattroporte mit Rennmotor?

Den Rennmotor habe man zwei Mal in einem 5000 GT verbaut und gemerkt: Das geht so nicht. Weshalb der Motor gründlich überarbeitet worden sei. Und erst mit dieser Motorenversion des Tipo 103 sei der des ersten Quattroporte verwandt. Der Besonderheit des Tipo 107 tut dieser große Zwischenschritt keinen Abbruch. Sie gründet nicht auf prominenten Verwandtschaftsbeziehungen, sondern auf originärer Einmaligkeit.

Denn als dieser Wagen zu Anfang der 1960er-Jahre entstand, da prägte er weniger einen Stil als vielmehr - und das wird unterdessen gerne vergessen - ein neues Konzept. Er besetzte eine Nische, die er selbst erst schuf. Er brachte zusammen, was bis dahin nicht zusammengehörte, weil es vermeintlich im Widerspruch zueinander stand: ein beinahe alles überstrahlendes Markenerbe aus dem Rennsport und eine luxuriöse, geräumige Karosserie mit vier Türen, stilvoll gezeichnet von Frua und auf Wunsch nicht weniger luxuriös eingerichtet als ein Rolls-Royce. Günstiger allerdings auch nicht.

Teuer war ein Maserati schon immer

Für rund 50.000 Mark, das entsprach in etwa dem Preis von einem Dutzend Fiat 500, verkörperte der Quattroporte gleich zwei Superlative auf einmal: Er war zugleich der langsamste und die schnellste - der langsamste Maserati nämlich und die schnellste Serienlimousine der Welt. "Maserati definiert die Limousine neu. Mit 230 km/h", schrieben sie in einer Werbeanzeige. Präsentiert als Prototyp auf dem Turiner Salon, 1963 lief im Folgejahr die Serie an, zuerst mit rechteckigen Frontleuchten und De- Dion-Hinterachse, 4,2 Liter, 260 PS.

1966 kommt die zweite Serie mit Starrachse, vier Rundscheinwerfern und Klimaanlage in Serie – was es sonst auch nur bei Rolls-Royce gab, und auch das zeigt den Anspruch Maseratis. Weitere zwei Jahre später unterstreicht ein stärkerer Motor im Angebot den Herrschaftsanspruch des Quattroporte: 4,7 Liter, 290 PS, gut für 255 km/h.

"Auf einmal ist der auf den Markt gekommen, und da wollte ich sofort einen haben", sagte Peter Ustinov, der fünf Quattroporte hatte und vom ersten schwärmte: "Ich glaube, das ist einer der besten Wagen, die ich je gekannt habe. Ich will ihn nie loswerden, er wird da sein, wenn ich nicht mehr bin." Er ist da, präsent, obwohl er noch nicht zu sehen ist. Denn bevor er mit den Nebelleuchten zuerst aus dem dichten, zähen Weiß auftaucht, das auch das Althoff Hotel Schloss Bensberg beinahe verschluckt, kündet vom ersten Quattroporte dieses, nun ja, Familientreffens ein fernes Grollen.

Unaufgeregtes Gebrummel, aber im Schritttempo schon klingt ein Unterton mit, der klarmacht, dass der Wagen auch mit ein paar Jahrzehnten auf dem Buckel als ältlicher Trödler gehörig missverstanden wäre. Bei aller Größe, allem Luxus, aller Gediegenheit kann die erste Maserati-Limousine ihre sportliche Abstammung nicht verleugnen. Die Kombination wirkt ergreifend.

Lounge Chair auf Rädern

Auch die zugegeben hohe und seltsam buckelkrumme Sitzposition am Lenkrad steht dem nicht entgegen. Der Quattroporte I lebt von seinem Motor, seiner Stimme, seiner nachdrücklichen Leistungsentfaltung, doch ist er eben nicht profan funktional, sondern feingeistig vornehm nicht weniger als filigran verspielt – allein die vielen Kippschalterchen und hinter Echtglas platzierten Smith-Uhren. Dazu kommt ein stets deutliches Empfinden: Dies ist – bei aller Gediegenheit – ein Fahrerauto.

Das eint die erste mit der dritten und vierten Quattroporte-Serie, die vor dem Althoff Hotel Aufstellung genommen haben, um anschließend zu einer kleinen Runde durchs Bergische zu starten. Beinahe erstaunlich wirkt das im Zusammenhang mit dem Quattroporte III, denn er steht da inmitten der Verwandtschaft wie ein riesiges Schlachtschiff. Tipo AM 330, vorgestellt 1976, verkauft ab 1979, hat die unmittelbare Wucht und das Raumgreifende eines Eames Lounge Chair, von dem auch erst nach einer Weile deutlich wird, dass er den Raum ja weniger greift und nimmt, als ihn seinerseits zu definieren. Ein bisschen hochbeinig steht er da, und ob der Breite seines großflächigen Aufbaus wirkt er, auch darin einem Rolls-Royce Camargue ähnlich, und das ist nun frei von Ironie schmalspurig.

Eine eigene Größe strahlt der Viertürer auch deshalb aus, weil er, gezeichnet von Giugiaro, auf gestalterische Verspieltheit vollkommen verzichtet. Ihm fehlt das Grazile des Vorgängers, er setzt voll auf Geradlinigkeit und ist nun weniger sportlich orientiert als die erste Generation. Noch mehr betont die dritte Serie die Annehmlichkeiten von Luxus und Komfort. Das gilt für die Ausstattungsdetails wie für die Fahrwerksabstimmung und das verbindliche, aber doch kommodere Fahrverhalten. Es gefällt dem damaligen italienischen Staatspräsidenten Sandro Pertini, der Quattroporte III war die Staatskarosse seiner Wahl.

"Autobahn kann er gut", sagt Jörg Robels von seinem Wagen, ein 1985er 4,9-Liter, ausgestattet, was eher selten vorkam, mit Schaltgetriebe. "Aber auch geschwungene Landstraßen passen prima. Er ist in Kurven sehr schnell, man muss nur die Seitenneigung akzeptieren. Ähnlich wie bei der Giulia, meinem ersten Oldtimer." Technisch basiert der Maserati auf dem De Tomaso Deauville, mit ihm teilt er sich Bodengruppe und Radaufhängung mit innenliegenden Scheibenbremsen, führt die Achsen aber drei Zentimeter weiter auseinander.

Unzuverlässig? Ach was!

Den Viernockenwellen-V8, weiter auch mit 4,2 Litern Hubraum im Angebot, hatte Maserati "gründlich redesignt", wie Robels sagt: Wasserpumpe und Antrieb, Kurbelwelle und Lager, Zylinderköpfe, Ölversorgung. "Die Dinger", meint Robels, "sind zuverlässig – wenn einmal alles richtig gemacht und nicht nur fürs Wochenende gebastelt ist."

Stimmt das auch für den Nachfolger? Stephan Meise lächelt. Ihm gehört der Quattroporte IV in Blu Mezzanotte, ein V8 Evoluzione von 1999, Sechsgang-Handschalter. Meises Erfahrung: "Ich habe in etwa noch mal den Kaufpreis investiert." Aber er sagt es so, als wolle er damit auch erklären, eben dies bislang keine Sekunde bereut zu haben. Wie seine Vorgänger ist auch der vierte Maserati Quattroporte ein Auto, für das man sich entscheidet, weil man das möchte. Oder nicht anders kann. Und fahren? "Sie haben die Wahl, ob Sie den mit 11 oder 21 Litern bewegen." Heißt: Beides gelingt dem Biturbo-Quattroporte mühelos. Und: beides macht Freude.

Schönheit bei längerem Hinsehen

Gestaltet von Marcello Gandini ist der vierte Quattroporte der erste unter Fiat-Regie produzierte Maserati, entwickelt aber schon zuvor auf der technischen Basis der Anfang der 80er-Jahre eingeführten Biturbo-Modelle, und zwar als "Variation des Biturbo-Themas im Extremen", wie es in der offiziellen Jubiläumspublikation zum 100. Jubiläum der Marke heißt. Die Bodengruppe teilt er sich mit dem Biturbo-Ghibli, und auch wenn der Radstand für den Quattroporte auf 2650 mm verlängert wurde, ein zeitgenössischer Fünfer BMW ist immerhin 22 Zentimeter länger.

Speziell vor diesem Hintergrund überrascht das weite Raumgefühl, vorne wie hinten, und angesichts des schlichten Äußeren - man könnte den Quattroporte IV auf den ersten Blick für eine Skizze halten, die ein bekiffter Designer auf Basis eines VW Jetta gezeichnet hat - überrascht dann auch dieser herrschaftlich üppige Innenraum. Dazu die Fahrleistungen eines Elfer. Eine einmalige Kombination. Worin der von vielen wenig geliebte, weil so andere Maserati Quattroporte der vierten Ausgabe doch das Erbe des ersten weiterführt. Ab 1996 auch mit der standesgemäßen Zylinderzahl: acht. Zuvor lief der Maserati Quattroporte IV nur als Sechszylinder mit zwei, respektive 2,8 Litern.

Aber trotz der selben Zylinderzahl ist "Otto", der Ottocilindri Evoluzione von Stephan Meise, ganz anders als seine Vorgänger. Er ist deutlich kleiner, ungestümer, wilder, nachdrücklicher, direkter. Denn Otto, das ist der Punkt, ist geladen, und zwar doppelt. Von zwei kleinen IHI-Turbinen nämlich. Wenn es um Sturm und Drang geht, zieht er Papa und Opa locker den Hosenboden stramm. Druck aufs rechte Pedal, und die Sachen in den Rückspiegeln schrumpfen. Dramatisch schnell. Vollgas heißt in allen Gängen und Geschwindigkeiten ohne deutliche Verzögerung Dampf.

Knarzen gehört beim Maserati Quattroporte zum guten Ton

Eine schlechte Straße, schlecht im Sinne von uneben, kommentiert der vierte Maserati Quattroporte gerne mal mit Knarz- und Knackgeräuschen der Karosserie, ohne dabei irgendwie verlegen zu wirken, weil er ja mal annähernd so viel kostete wie eine 500er S-Klasse. Trotzdem: gediegen gleiten geht auch. Wenn man sich denn beherrschen kann. Und wenn nicht? Erfährt man zumindest auf feuchter Straße, dass immenser, aber nicht eben sanft einsetzender Schub bei eher mäßiger Traktion in einem Fahrverhalten mit ganz eigenem Reiz resultiert.

Und die indirekte Lenkung unterstützt einen nicht dabei, auf dieses eigenwillige Verhalten kontrollierend einzuwirken. Nur vom Fahrersitz aus, beschallt vom Fauchen des Motors und vom Singen der Turbos, ist dieses Auto so zu verstehen, wie es gemeint ist. Und selbst vom Fahrersitz aus ist das nicht wirklich einfach.

Aber das muss es auch nicht sein. Denn da ist ja das Erlebnis, und das stellt den Verstand ohnehin in den Schatten. Wie sollte der Vernunft auch Unvernunft erklärt werden? So ist es bei Maseratis Quattroporte wie bei den meisten Märchen: Es muss schon ein bisschen der Glauben dabei sein, um Gefallen an der Geschichte zu finden.