Lotus Elise 111/111S (1995 bis 2001)
Lohnt das? 733 kg Sportwagen für 20.000 Euro
Die 1995 präsentierte Elise folgte endlich wieder den ehernen Lotus-Prinzipien: Minimales Gewicht, innovative Technik, maximaler Fahrspaß – und sie sieht einfach hinreißend aus. Noch gibt es gute Exemplare unter 20.000 Euro.
15.01.2020 Hans-Jörg GötzlAnthony Colin Bruce Chapman, der charismatische Lotus-Chef, zählt sicherlich zu den schillerndsten Personen der Automobilgeschichte. Seine Mechaniker konnte er in den Wahnsinn treiben, wenn er am Morgen eines Grand Prix mit den Worten „Ich habe heute Nacht ein wenig nachgedacht“ in die Box kam und alles umbauen ließ; die oftmals zu optimistisch am Limit gefertigten Rennwagen konnten zudem für die Fahrer zur tödlichen Gefahr werden. Sein Konstruktionsprinzip aber sollten sich noch heute alle Sportwagen-Hersteller hinter die Ohren schreiben: „Take simplicity and add lightness“, was sich mit „Nimm Einfachheit und addiere Leichtigkeit“ nur eher holprig ins Deutsche übersetzen lässt.
Bugatti-Investor Artioli retttete Lotus
Doch so erfolgreich Chapmans Team Lotus an der Rennstrecke war – sieben Konstrukteurs- und sechs Fahrer-WM-Titel! – und so faszinierend die Straßensportwagen wie Elite, Elan oder Esprit sich fahren ließen, so prekär war oft die finanzielle Lage im ostenglischen Hethel, was sich nach Chapmans plötzlichem Tod am 16. Dezember 1982 noch verschlimmerte. Nach etlichen schweren Jahren nahte 1993 Rettung in Gestalt des italienischen Industriellen Romano Artioli, der seinem Besitz von Bugatti auch die britische Firma hinzufügte und die Entwicklung eines neuen Sportwagens nach alter Tradition anordnete.
Was die Ducati 916 mit der Elise zu tun hat
Der zweite Glücksfall für Lotus und die Sportwagenwelt war die enge Freundschaft von Designchef Julian Thomson mit dem Leiter der Fahrwerksentwicklung, Richard Rackham: Beide fuhren mit Leidenschaft die neue Ducati 916, die damals die Motorradwelt revolutionierte, beide hatten Chapmans Konstruktionsprinzip tief verinnerlicht, und beide liebten die Sportwagen der 60er- und 70er-Jahre, wie sie etwa bei der Targa Florio eingesetzt worden waren. Thomson und Rackham verschrieben sich mit Haut und Haaren dem Projekt M111 und schufen gemeinsam innerhalb von nur 24 Monaten ein Meisterwerk.
Monocoque, Aluminium und Designzitate
Rackham hielt sich dabei gar nicht erst mit herkömmlichen Bauweisen auf und entschied sich für ein Monocoque aus verklebten und vernieteten Aluminium-Strangpressprofilen, das nur 68 kg wog, sowie standesgemäße Dreiecksquerlenker vorn und hinten. Thomson formte darüber eine zum Niederknien schöne Karosserie aus Verbundwerkstoff, hier ein wenig Ferrari Dino 206, dort etwas Lotus 23, dazu ein Schuss Ford GT40 und Lamborghini Miura.
Als Antrieb griff man nach alter Lotus-Tradition zu bewährter Großserientechnik, in dem Fall zum 1989 präsentierten Rover-K-Motor mit 120 PS aus 1,8 Litern Hubraum, montiert direkt hinter den Sitzen der beiden Passagiere. Und da alles zusammen nur 733 kg auf die Waage brachte – ein MX-5 wiegt 300 kg mehr, ein aktueller 911 mehr als das Doppelte –, sorgte das für grandiose Fahrleistungen: 0 bis 100 km/h in wenig mehr als sechs Sekunden, Spitze über 200.
Entsprechend begeistert war die Reaktion der Sportwagengemeinde, als der neue Lotus im September 1995 auf der IAA in Frankfurt präsentiert wurde, der nur kurz davor noch von Romano Artioli seinen endgültigen Namen erhalten hatte: Elise, nach seiner geliebten Enkelin Elisa.
Handling wie ein Rennwagen
Die Elise fuhr sich sofort in die Herzen der Fans und ist mit gut 10.000 produzierten Exemplaren der ersten Serie bislang der erfolgreichste Lotus-Sportwagen überhaupt. Und wenn man sich heute, ein Vierteljahrhundert nach dem IAA-Debüt, über den breiten Schweller in die perfekte Sitzposition gleiten lässt, dann weiß man auch, warum: Die Elise macht jede kurvenreiche Landstraße zur Rennstrecke.
Das Handling ist nach wie vor messerscharf: Sehr spät bremst man in die Kurve hinein, um kurz darauf wieder auf dem Gas zu stehen. Der Grip ist phänomenal, der Rover-Vierventiler lässt sich sauber dosieren und treibt die Elise nachdrücklich auf die nächste Ecke zu. Die seilzugbetätigte Schaltung des Fünfganggetriebes kann zwar mit der eines Elan nicht mithalten, ist aber dennoch ausreichend präzise.
Das macht sehr schnell so süchtig, wie es sonst nur wenige andere Autos vermögen. Und es zeigt, dass Chapman mit seiner Grundidee immer recht hatte: Take simplicity and add lightness.
Karosserie-Check
Das Wichtigste bei jeder Elise ist der Zustand des Aluminium-Monocoques: Es lässt sich bei Unfall, Verformung oder ausgerissenen Fahrwerksaufnahmen nicht TÜV-konform reparieren, sondern muss ausgetauscht werden, was nur selten lohnt. Der Unterboden sollte glatt und ohne Dellen sein, der angeschraubte Heckrahmen aus Stahl rostfrei, alle Fahrwerkslager in gutem, spielfreiem Zustand. Umbauten von Rechts- auf Linkslenker sind vergleichsweise problemlos und aus kundiger Hand bedenkenlos. Autos mit Trackday-Vergangenheit müssen, wenn stets gut gewartet, nicht schlecht sein.
Technik-Check
Der Rover-Vierzylinder neigt dazu, seine Kopfdichtung zu verblasen, allerdings deutlich seltener als im MG F oder Rover 200 – achten Sie auf Ölspuren im Kühlwasser oder weißen Auspuffrauch. Der Zahnriemen will alle vier Jahre gewechselt werden. Das seilzugbetätigte Getriebe lässt sich vergleichsweise präzise schalten, Kratzgeräusche deuten auf eine defekte Synchronisierung hin. Die besonders leichten, für die Rennstrecke aber weniger geeigneten MMC-Bremsscheiben wurden 1998 gegen Stahlscheiben ersetzt. Last, but not least: Auf Originalität achten – Elise werden gern verbastelt.
Preise
Bei Einführung 1995 (Lotus Elise) 49.600 Mark. Classic-Analytics-Preis 2020 (Zustand 2/4)22.000 / 9000 Euro Versicherung (Haftpflicht/Vollkasko) 261,08 / 761,35 Euro
- Bei Einführung 1995 (Elise) :
- 49.600
Ersatzteile
Die meisten Teile sind problemlos erhältlich, vor allem bei den Verschleißteilen halten sich die Kosten in überschaubarem Rahmen. Für Innenraum und Karosserie griff Lotus gern auf Großserienprodukte zurück, die sich günstig erwerben lassen. Nachgefertigte Teile von Drittanbietern sind mitunter von zweifelhafter Qualität.