Leserauto Rolls Royce Camargue

Jede Fahrt ein Plaisir

Unter den wenigen gebauten Exemplaren des einst teuersten Autos der Welt ist der Rolls-Royce Camargue des Luxemburger Musik-Professors Jean-Jacques Kasel ein ganz besonderes. Ursprünglich war es vom Sultan von Brunei geordert worden.

Rolls Royce Camargue, Kühlergrill Foto: Hardy Mutschler 13 Bilder

Der Sultan hat es sich anders überlegt. Er will nicht mehr. Was soll man da machen? Er hatte ihn bestellt, und damals hörte sich alles ganz verbindlich an: ein Rolls-Royce Camargue, Royal Blue, die 40 Quadratmeter Leder des Interieurs bitte in Magnolia, dunkelblau eingefasst. Dazu unter anderem in Sonderanfertigung ein Barfach in der Mittelkonsole, bestückt mit zwei Flachmännern in Silber und vier handgravierten Kristallgläschen.

Rolls-Roys Camargue wird kurzfristig storniert

Doch dann, der Rolls-Royce Camargue ist bereits nach den Wünschen des Herrschers fertiggestellt und unterwegs in Richtung Südchinesisches Meer, klingelt im Rolls-Royce-Hauptquartier in Crewe das Telefon, und aus dem Hörer kommt die Stornierung der Bestellung. Es muss ein sehr plötzlicher Rückzieher gewesen sein, denn es existiert ein internes Schreiben, das den Vorgang als "yet another example of the fickleness of these uneducated Royal People" bezeichnet, als "nurmehr ein weiteres Beispiel für die Wankelmütigkeit des ungebildeten Adels“.

Was aber, wenn nicht nur eine Laune der wirkliche Grund war? Der Preis? Mit ein bisschen Extra-Chichi kostete das Coupé bei seiner Vorstellung 1975 doppelt so viel wie der Silver Shadow, auf dem der Rolls-Royce Camargue basiert. Elf Jahre später liegt der Preis der letzten Exemplare des Rolls-Royce Camargue bei 400.000 Mark. Doch wer sollte sich das damals teuerste Auto der Welt besser leisten können als Hassanal Bolkiah? Der Sultan von Brunei erlaubt sich, weil er an den Öleinkünften seines Landes maßgeblich beteiligt ist, die Charakterstärke, regelmäßig einer Charakterschwäche nachzugeben: teure Autos kaufen.

Sultan von Brunei besitzt über 3.000 Fahrzeuge

Auf 3.000 Fahrzeuge wird Bolkiahs Sammlung beziffert, woanders ist von 5.000 die Rede, davon schon Mitte der 1980er um die 100 Rolls-Royce. Aber nur ein einziger Rolls-Royce Camargue. Dabei sollte es bleiben. Der Sultan erliegt der Versuchung nach einem weiteren Silver Spur, und der blaue Camargue fliegt mit den Flachmännern in der Mittelkonsole retour nach England.

Dort findet der Zurückgewiesene vorübergehend das Gefallen von Lucian Grainge. Der Chef der Universal Music Group kauft diesen letzten produzierten Rechtslenker und beweist damit einen Geschmack, dem es zumindest mal an Eigensinn und Exaltiertheit nicht fehlt. Es geht das Gerücht, der von Paolo Martin bei Pininfarina gestaltete Rolls-Royce Camargue sei bei der ersten Begutachtung in Crewe, was die Eleganz der Karosse angeht, mit dem Felsen von Gibraltar verglichen worden. Wenn man schon das teuerste Auto der Welt baue, hieß es, sollte es zumindest gut aussehen.

Rolls-Roys Camargue wiegt 2,4 Tonnen

"Ich fand die Form immer genial. Der Camargue hat mich fasziniert, weil er ein Kunstwerk ist, außen wie innen", sagt Jean- Jacques Kasel, ein Orgel-Professor, der das einst für einen Sultan bestimmte Auto 2012 in London kaufte. Während er die 2,4 Tonnen Rolls-Royce Camargue mit zwei leichten Fingern am Lenkrad durch die Luxemburger Innenstadt dirigiert, wirkt Kasel seltsam entrückt und sehr präsent zugleich. Es ist die "eigentümliche Wirkung des Wagens auf mich. Die Welt dreht sich langsamer. Ich zelebriere den Moment. Es ist ein Hochgenuss", sagt Kasel. Später spricht er davon, das Auto zu "goutieren", beschreibt eine "gänzliche Unaufgeregtheit", die von den Passagieren Besitz ergreife wie ein Zauber, und erzählt, dass "diese niedere Lust, jemanden durch Leistung zu übertreffen, völlig verloren geht. Man möchte sogar, dass es langsamer geht, damit die Fahrt länger dauert."

Luxusliner adelt seine Insassen

Sie endet vor dem großherzoglichen Palais in Luxemburg-Stadt, wo Jean-Jacques Kasel seinen Rolls-Royce Camargue parkt. Er hat dafür eigens eine Sondergenehmigung organisiert, und so kommt der Camargue schließlich doch noch in die Nähe von Fürstlichkeit. Der Motor ist noch nicht aus, da wuseln ihren Kameras und Mobiltelefonen folgend schon die ersten Touristen herbei. Unbeherrschtheit führt für ein Foto die Hände zu Kühlerfigur und Kotflügel, Neugier und Sensationslust lenken die Blicke auf die Scheiben. Muss da nicht ein Royaler drinsitzen, ein Schwerreicher oder Prominenter zumindest? So entfaltet das Auto seine Aura des Besonderen heute wohl mehr als vor 30 Jahren, es adelt in den Augen der Umstehenden seine Insassen und isoliert sie mehrzonig klimatisiert von der Gewöhnlichkeit der Außenwelt.

Für Kasel wandelt der Rolls-Royce Camargue jede Fahrt zu "einer Zen-Kur. Er ist mein persönliches Plaisir, auf das ich nicht mehr verzichten würde." Gut für ihn, dass der Sultan von Brunei seinerzeit anderer Meinung war.