Lancia Aurelia B20 GT Outlaw
50er-Jahre-Coupé mit 300 PS und 1.100 kg
Thornley Kelham hat eine Lancia Aurelia im Outlaw-Stil gebaut – aber stärker, flacher und 75 kg leichter als das Original. Genial oder Sakrileg?
21.11.2021 Andreas Of-AllingerRestomods, das kennt man ja inzwischen von diversen Umbauten der Porsche-Modelle 356 und 911, kommen oft etwas abseits des Mainstreams daher. Bei diesen Klassikern ist oft nicht ganz klar: Sind das noch Oldtimer, ist das noch zeitgenössisch und ist das überhaupt erlaubt? In genau dieser spannenden Grauzone bewegt sich auch der Aurelia-Umbau des britischen Lancia-Restaurierers Thornley Kelham, der in den btischen Cotswolds zwischen Swindon und Gloucester nach eigenen Angaben auf Concours-Niveau Klassiker von Alfa Romeo bis Rolls-Royce restauriert, wartet und auf Rallyes vorbereitet. Nach diversen originalen Aurelia hat er sich nun auf Kundenanfrage einen Outlaw-Umbau vorgenommen.
Lancia hat mit der Aurelia 1950 ein Auto für technische Feinschmecker, Ästheten und Rennfahrer präsentiert. Das Coupé taugte zur erfolgreichen Teilnahme an Rennen wie der Mille Miglia und den 24h von Le Mans, der Spider gilt bis heute als eines der weltschönsten Autos und schon die Limousine bringt einige technische Neuheiten mit: Die Aurelia ist das erste Serienauto mit einem V6-Motor. Der ist außerdem – Innovation Nummer zwei – komplett aus Aluminium gefertigt. Das half beim Gewicht sparen.
Innovationen: Alu-V6, Transaxle
Dank Transaxle-Bauweise – Motor vorn, Getriebe an der Hinterachse – ist das Gewicht auch noch gleichmäßig verteilt. Innenliegende Trommelbremsen reduzieren die ungefederten Massen an der De-Dion- oder Schräglenker-Hinterradaufhängung – je nach Baujahr. Sosehr die Aurelia anderen Autos 1950 auch voraus war – Lancia hat das Entwickeln nach ihrer Präsentation nicht etwa sein lassen. Ganz im Gegenteil: Bis 1957 erschienen sechs Serien, also fast jedes Jahr eine. Im Lauf der Zeit wuchs der Hubraum von 1,75 auf 2,5 Liter, die Leistung verdoppelte sich in etwa von 57 auf 118 PS.
Alfa-Romeo-V6 mit rund 300 PS
Was vor fast 70 Jahren, als in Europa Autos mit 30 PS herumfuhren, mächtig viel war, kann im heutigen Verkehr – oder im Vergleich mit modernen Antrieben -wenig erscheinen. Thornley Kelham installiert deshalb in seine Outlaw-Aurelia Alfa Romeos 3,2-Liter-Busso-V6 – obwohl der Restaurator es zur Bedingung des Projekts machte, einen authentischen Lancia-Motor zu verwenden. Tatsächlich tat die Maschine in Lancia-Modellen wie Kappa oder Thesis Dienst, auch wenn man sie eher aus diversen Alfa kennt. Doch da wollen wir mal nicht so kleinlich sein, schließlich reden wir hier von 300 PS – herausgekitzelt mittels klassischem Tuning am Zylinderkopf und neu programmierter Einspritzelektronik.
Dach gechoppt, Gewicht gesenkt
Weil Kilos schneller machen, wenn sie nicht da sind, hat TK das Gewicht der Aurelia um 75 Kilogramm gesenkt. Ab Werk waren Hauben und Türen aus Aluminium gefertigt. Der britische Spezialist baute darüber hinaus die gesamte Karosserie aus Leichtmetall. Das bot sich ohnehin an, da die Engländer auch das Dach abgesenkt und die Frontscheibe gekürzt haben.
Radikale Maßnahme mit realem Vorbild
Eine radikale Maßnahme, für die es ein reales Vorbild gibt: Das Team fand in Zeitschriften Fotos einer Aurelia des Privatrennfahrers Giovanni Bracco. Der hatte 1951 bei der Mille Miglia den zweiten Platz geholt und in Le Mans seine Klasse gewonnen. In drei weiteren Rennen wurde Bracco mit seiner Aurelia Erster: 6h von Pescara, Nachtrennen von Caracalla und Carrera Panamericana. Seine Aurelia mit der Fahrgestellnummer 1010 hatte einen leistungsgesteigerten Zweilitermotor und ein abgesenktes Dach. Genau dieses Auto hat Thornley Kelham restauriert – und zum Vorbild für sein Outlaw-Projekt genommen. In beiden steckt viel Arbeit: 4.000 Stunden dauerte die Restaurierung des Bracco-Autos. Der Outlaw verschlang sogar 5.000 Stunden, wobei allein 800 auf das Lackieren und die Vorbereitungsarbeiten zu kalkulieren sind.