Kauftipp BMW 850i ab 6.000 Euro
Hightech-Gran Turismo mit 300 PS-V12
Der BMW 850i war zu seiner Präsentation 1989 der teuerste BMW überhaupt und technologisches Aushängeschild der Marke. Als Sympathieträger aber war dem Hightech-GT nie großer Erfolg vergönnt.
02.05.2015 Michael OrthWoran liegt es nur? Lässt der BMW 850i sich, was seine Grundform angeht, allzu leicht – Achtung Provokation! – mit einem Opel Calibra vergleichen? Ist es das? Oder mag man ihn nicht, weil seine Ausstrahlung nicht charmant und einnehmend, sondern – immer noch – die des elitären Technologieträgers ist?
Wie erklärt sich diese Zurückhaltung dem BMW 850i gegenüber? Vor genau einem Vierteljahrhundert auf der IAA präsentiert, war der seinerzeit teuerste BMW zwar der Star der Ausstellung. An die 5.000 Kaufverträge sollen noch vor dem Serienstart unterzeichnet worden sein, und als die Produktion anlief, mussten sich die Käufer ganze drei Jahre gedulden.
Der 8er-BMW bleibt weit hinter den Erwartungen zurück
Doch in der Folgezeit enttäuschte der Absatz des Luxuscoupés, er blieb weit hinter allen Erwartungen zurück. Und noch immer stehen Wert und Preis des BMW 850i in einem Verhältnis, das sich wohl nur auf mangelnde Wertschätzung zurückführen lässt – gerade weil doch ganz klar ist, dass speziell bei solchen Autos der materielle Gegenwert allein den Preis nie rechtfertigen kann.
Die billigsten Exemplare rangieren im Internet zurzeit um 4.500 Euro. 4.500 Euro sind ein Witz. 4.500, das sind 375 Euro pro Zylinder, 15 pro PS oder etwa ein Fünfzehntel des einstigen Grundpreises. Es ist ein Viertel weniger als damals allein die aktive Hinterradlenkung, im 850 CSi später Serie, für den 850i extra kostete. Vielleicht müsste der BMW 850i einfach unkultivierter tun, um auf sich aufmerksam zu machen, müsste mehr Leistung und vor allem auch mehr Spektakel bieten. Müsste sich gehen lassen, müsste explodieren. Doch das tut er nicht.
Der aus dem Siebener übernommene erste deutsche Nachkriegs-Zwölfzylinder ist alles andere als ein Schreihals. Weder kreischt noch röhrt, singt, pfeift oder trompetet er. Im Leerlauf ist er im BMW 850i so gut wie nicht zu spüren und ebenso wenig zu hören.
Die Münze fällt nicht
Es kursieren Videos im Netz, die ein Geldstück zeigen, das auf dem laufenden V12 des BMW 850i platziert stehen bleibt und selbst dann nicht umfällt, als der Motor ausgemacht und wieder gestartet wird. Ganz dezent nur brummend, begleitet der Fünfliter seine gleichmäßige Kraftentfaltung – die auch ihn selbst nie aus der Ruhe bringt.
3.000, 4.000, 5.000 Touren – der Zweiventiler behält die Contenance und Umgangsformen, die anderen schon bei Halbgas abhandenkommen. Allein ein stets unterliegendes Knurren, das vor der Nenndrehzahl akustisch in den Vordergrund drängt, kann er sich nicht verkneifen. Man hört es, weil nicht mal jenseits von Tempo 200 die Windgeräusche in dem BMW 850i so zunehmen, dass sie als laut oder störend angemessen beschrieben wären.
Dem 850i fehlt das Begeisterungspotenzial
Das Wesen des BMW 850i ist nicht in Ansätzen so aggressiv, wie es sein Auftreten verspricht. Er ist all seiner Superlative zum Trotz ein gemäßigter GT, kein Sportwagen. Diese Rolle spielt der zwischen 1992 und 1996 angebotene CSi besser, weil sein auf 5,6 Liter Hubraum angewachsener Motor neben einer Mehrleistung von 80 PS eben jenes ungestüme und fordernde Drängen bietet, das sich der 850i eher verkneift.
So ist der 850i, keine Frage, konstruktiv überzeugend, aber kaum emotional berührend. Ihm fehlt das Begeisterungspotenzial.
Die Angst vor der Hightech des 8er-BMW
Er hatte so gut wie alles, was Ende der 80er-Jahre technisch machbar, alles, was die Kunst der Ingenieure hervorzubringen imstande war. Doch diese Kunst ist eine kühle, eine kalkulierbare. Technisch Machbares bringt technisch Messbares hervor. Und Superlative bürgen ja nicht automatisch für Sympathien. Sie erzeugen Faszination, Ehrfurcht und Sensation, aber meist auch Skepsis und Distanz. Anziehung und Abstoßung zugleich: Es ist dieses Doppelwesen des Besonderen und Einzigartigen, das den BMW 850i umweht, sogar noch 15 Jahre nach Ende der Produktion. Oder hat man schlicht Angst vor ihm, weil Hightech in die Jahre gekommen zum Horrortrip werden kann?
Der Achter beerbte als Coupé der Oberklasse ab 1989 den BMW E24, den Sechser, der seit 1975 im Programm gewesen war. Doch in nichts schließt der BMW 850i an seinen Vorgänger an. Als Anfang der 80er-Jahre die Überlegungen zu einem völlig neu zu entwickelnden Oberklasse-Coupé begannen, diente der Sechser als Versuchsträger für Fahrwerks- und Antriebskomponenten, bis 1987 das Design des neuen Spitzenmodells und der erste von rund 100 Prototypen zu Erprobungszwecken fertiggestellt sind. Nach etlichen Prüfstandsläufen fährt am 4. Juli 1989 ein getarnter Achter seine erste von etwa 400 Nordschleifenrunden. Nur gut zwei Monate später debütiert das Modell auf der IAA.
Ausnahmeerscheinung mit Alu-V12, Integral-Hinterachse, E-Fahrwerk und und und
Und wenn anlässlich der Präsentation Wolfgang Reitzle, BMWs damaliger Entwicklungschef, befand, der BMW 850i sei doch mitnichten ein futuristischer Technologieträger, weil ihm zum Beispiel ein Solardach zur Stromversorgung der Klimaanlage fehle, dann beschreibt das Reitzles Verständnis für feine Ironie wohl treffender als das feine Auto, von dem er sprach.
Denn seine Ausstattung machte und macht den 850 in technischer Hinsicht zur Ausnahmeerscheinung: Aluminium-V12, mitlenkende Integral-Hinterachse mit fünf Raumlenkern, elektronisches Fahrwerk, automatische Stabilitäts- und Traktionskontrolle, CAN-Bus-Technik, elektronische Motorleistungsregelung, zwei Zündverteiler, zwei Drosselklappen-Systeme, zwei Luftmassenmesser, zwei Benzinpumpen, zwei Motorsteuergeräte, die Daten von Ansaug- und Wassertemperatur, Luftdruck, Drehzahl, Gasgeschwindigkeit und Lastzustand verarbeiten, elektronisches Gaspedal, über das sich die Drosselklappen im Sport- oder Komfort-Modus mit unterschiedlich langen Pedalwegen ansteuern lassen, geschwindigkeitsabhängige Servolenkung, Integralsitze mit intern verlaufenden Gurten.
Mit 120 Kilobyte hat das Motormanagement die doppelte Speicherkapazität damals gängiger PCs. Allerdings wirkt der BMW 850i im Unterschied zu denen auch heute noch nicht lahm und noch viel weniger überholt, sondern gerade mal in der Gegenwart angekommen.