Mercedes G Cabrio (G 463) und Jeep Wrangler YJ
Offene Offroad-Urgesteine der 90er
Über den aktuellen SUV-Trend können Wrangler- und G-Klasse-Fahrer nur müde lächeln. Wir sind mit zwei echten Offroadern in einen Steinbruch gefahren und hatten richtig viel Spaß.
22.12.2019 Daniel EndreßBreite grobstollige Reifen wühlen sich durch den Schlamm eines Steinbruchs im Nordschwarzwald. Das Grummeln zweier Reihensechszylinder hallt von den hohen Wänden der Abbruchkanten wider, und helle Kalkgesteinsbrocken mahlen knirschend unter dem Gewicht der beiden offenen Geländewagen. Christina Collatz lenkt ihren roten Jeep Wrangler eine Sandrampe hoch, dicht gefolgt von Dominik Lusch im Mercedes-Benz G 320, der kurzfristig für seinen Vater einsprang, um zu unserer Fotosession zu kommen.
Dreckig? Jetzt sieht der Wrangler gut aus
Einen Tag zuvor hatte es kräftig geregnet, und der feine Staub auf den Wegen im Tagebau verband sich mit Wasser zu einer breiigen Masse, die sich binnen Minuten auch auf beiden Autos wiederfand. „Jetzt sieht er gut aus“, sagt Christina grinsend, als sie die gesprenkelte Flanke des Jeeps betrachtet. Seit März 2018 besitzt die 33-Jährige ihren 1992er YJ, einen der letzten Wrangler, die noch in Ontario, Kanada, gebaut wurden, bevor Chrysler die Produktion im Laufe des Jahres 1992 nach Toledo, Ohio, verlegte. „Die Kanada-Modelle haben alle spritzverzinkte Karosserien, deshalb wollte ich unbedingt so einen haben“, erklärt sie.
Wrangler fahren macht Laune
Natürlich mit dem 178-PS-Vierliter-Sechszylinder, der mit Abstand beliebtester Motor der Baureihe wurde, da der 2,5-Liter-Vierzylinder mit 120 PS in dem Offroader etwas schwach wirkt und der 4,2-Liter-Vergasermotor in Deutschland zu viel Steuer kostet. Und auch beim Fahren spürt man, dass der Vierliter-Motor hervorragend zum Wrangler passt. Er klingt etwas rau und kratzig und signalisiert schon im Leerlauf mit seinem fast an Lkw-Motoren erinnernden Sound Leistungsbereitschaft. Wir haben direkt Lust, aufs Gas zu treten und den hochbeinigen Jeep durch den Steinbruch zu scheuchen. Und das macht riesigen Spaß. Die großen 33-x-12,5-Reifen auf 15-Zoll-Felgen, die es damals offiziell als Zubehör bei Jeep zu kaufen gab, scheinen sich richtig in den Boden zu fräsen, während die auf Blattfedern aufgebockte Fahrerkabine, die sich mehr wie ein mobiler Jägerstand anfühlt als ein Auto, hin- und herschwankt. Einen Wrangler zu fahren ist Abenteuer und macht richtig gute Laune.
G mit Leder und Holz im Cockpit
Im Mercedes G geht es da schon etwas zivilisierter zu. Das Interieur wirkt viel hochwertiger als das im Jeep, und die Sitze wären selbst nach einer Fünfstundentour durch die Alpen noch bequem. Das Automatikgetriebe komplettiert das komfortablere Fahrgefühl des G, wie ihn Fans und Liebhaber nennen. Dominik hat keine Mühe, durch den Schlamm am Jeep dranzubleiben. Der geschmeidige Sechszylinder M104, der zum Beispiel auch in der E-Klasse W210 und der S-Klasse W140 zum Einsatz kam, liefert genügend Power, um die kastige Karosserie durch raues Gelände zu schieben, und das bei deutlich komfortablerer Federung.
M104 aus der S-Klasse sorgt für Power
Dabei klingt er ruhiger und lässiger als der Sechszylinder-AMC-Motor aus dem Jeep. Drei Differenzialsperren und eine Getriebeuntersetzung lassen Dominik selbst größere Gesteinsbrocken problemlos hochklettern. Die 211 PS drücken das Cabrio in aller Ruhe über jedes Hindernis. Die G-Klasse vermittelt unglaublich viel Souveränität und Entschleunigung. Man kann sich genau vorstellen, wie man das Geländewagen-Cabrio mit Wasserkanistern, Zelt und Schlafsack bestückt und auf Expedition in die mongolische Steppe aufbricht. Der grüne Lack leuchtet in der tief stehenden Abendsonne, Kleider hängen zum Trocknen über dem Überrollbügel, während sich alle vier Räder dank des permanenten Allradantriebs ihren Weg durch Sand und Geröll bahnen. „Ein G ist mehr eine Lebenseinstellung als nur ein Auto“, sagt Bernhard Lusch, der Vater von Dominik. „Ich kenne niemanden, der seinen wieder hergeben wollte. Einmal G, immer G.“
Starke Teams: Die Clubs für G und Jeep
Dass die Community der G-Klasse-Fahrer eine besondere ist, zeigt auch das Clubleben im Mercedes-Benz Geländewagen-Club. „Wenn unser Vorsitzender Heinz Neunzig zum Beispiel mitbekommt, dass einer von uns einen Unfall hatte, dann fährt er sofort zu ihm und versucht zu helfen, wo er kann“, berichtet Lusch. Ähnliches gilt für den Jeep Club Deutschland, der ebenfalls stark aufgestellt ist, wie Christina weiß: „Wir veranstalten gemeinsame Ausfahrten, Offroad-Trainings, und man bekommt prima Hilfe bei der Teilesuche.“
Auf der Straße wirkt der Jeep erstaunlich leichtfüßig, wobei wir eine Weile brauchten, bis wir die Dimension der riesigen Reifen richtig einschätzen konnten. Aber selbst wenn man versehentlich über einen Kantstein abkürzt, bringt das einen Wrangler nicht aus dem Rhythmus. Der Mercedes wirkt im Straßenverkehr träge, man wird nicht gerade in den Sitz gedrückt, wenn man das Gaspedal bis zum Boden tritt. Dafür hat er die bessere Straßenlage, ist übersichtlicher und lässt sich leicht rangieren. Streng genommen wollen wir aber gar keine Straße vor uns sehen, wenn wir in einem der beiden offenen Offroader sitzen.
Wrangler und G-Klasse haben viel gemeinsam: Beide absolvierten bereits ihre Wehrpflicht, denn die heute erhältlichen zivilen Versionen stammen vom Willys Jeep des amerikanischen Militärs beziehungsweise vom Wolf der Bundeswehr ab. Beide bieten als Offroad-Cabrios Freiheiten, die so kein anderes Auto aufbringen kann, und beide haben fürchterlich frickelige Stoffverdecke, die man nur mit Mühe alleine über das Cockpit spannen kann. Fünf bis zehn Minuten sollte man als Ungeübter schon einplanen, bis alle Klettverschlüsse um die Überrollbügel geschlungen und alle Druckknöpfe eingerastet sind – schlecht bei Platzregen. Aber damit lernt ein G- oder Jeep-Fahrer schnell umzugehen.