Jaguar XK 150, E-Type und XJ-S
Jaguar-Cabrios der 50er, 60er und 80er
Jaguar XK 150, E-Type und XJ-S wirken auf den ersten Blick gegensätzlich, doch der Eindruck täuscht - obwohl sie drei verschiedene Epochen repräsentieren, sind sie eng miteinander verwandt.
26.01.2015 Franz-Peter Hudek
Die Gute-Fee-Frage. Selten wird die Antwort schwieriger als jetzt: Wähle einen der drei sportlichen Jaguar-Klassiker und behalte ihn bis ans Lebensende. Alle Kosten sind und werden auch in Zukunft bezahlt. Welcher soll's denn sein? Zur Wahl stehen drei Cabrios, die zwischen 1957 und 1996 jeweils das leistungsstärkste und sportlichste Spitzenprodukt der englischen Traditionsmarke repräsentierten - auf ihre jeweils ganz eigene, höchst unterschiedliche Art. Zumindest erweckt diesen Eindruck das Design der drei Kandidaten, das fast keine Gemeinsamkeiten aufweist. So gibt eigentlich nur das Markenemblem auf der Motorhaube mit der grimmig dreinblickenden Großkatze den entscheidenden Hinweis: Das ist ein Jaguar.
Jaguar XK mit Vorkriegsoptik
Der rote Jaguar XK 150 OTS (Open Two Seater) aus dem Jahr 1958 besitzt noch eindeutige optische Elemente aus der Vorkriegsära: vorn nicht vollständig in die Karosserie integrierte Kotflügel, eine knapp geschnittene Motorhaube und eng zusammen stehende Hauptscheinwerfer. Auch die Kühleröffnung im Hochformat und das in einem Bogen bis zur Stoßstange herabgezogene Wagenheck stammen noch aus den späten 30er-Jahren und wurden mit einigen Veränderungen von den Vorgängermodellen Jaguar XK 120 und XK 140 übernommen.
Im direkten Vergleich dazu wirkt der Jaguar E-Type Serie 2 von 1970 so, als hätte er ein halbes Jahrhundert Designentwicklung übersprungen: flach und lang gestreckt breites Kühlermaul, in die weit vorspringende Wagenfront integrierte Hauptscheinwerfer und einen sexy Hüftschwung vor den Hinterrädern. Oval ausgeschnittene Radöffnungen lassen die Karosserie noch niedriger und noch länger wirken. Auch neun Jahre nach der Präsentation auf dem Genfer Automobilsalon im Jahr 1961 hatte der E-Type nichts von seiner Wildheit verloren. Designer Malcolm Sayer schuf hier ein Meisterwerk, das eindeutig vom Rennsport inspiriert wurde.
Schließlich der Jaguar XJ-S, der 1975 zunächst nur als 2+2-Coupé und erst ab 1988 als Vollcabrio die Nachfolge des E-Type antrat. Bereits der Name macht deutlich, dass sich der Charakter des viel schwereren und größeren E-Type-Nachfolgers mehr an der XJ-Limousine orientiert.
XJ-S ist 15 cm breiter als der Jaguar E-Type
Der Jaguar XJ-S ist in seiner Urform rund 300 Kilogramm schwerer, 30 Zentimeter länger und 15 Zentimeter breiter als der E-Type und zählt zur Gattung der Personal Luxury Cars. Darunter versteht man in den USA, dem wichtigsten Exportmarkt für Jaguar, sportlich angehauchte, leistungsstarke Coupés für den täglichen Trip ins Büro oder für die modebewusste Gattin zum Besuch beim Friseur.
Eine Dreigangautomatik von Borg-Warner half dabei, die 289 PS (USA: 247 PS) des V12 zu bändigen. Das Jaguar XJ-S-Cabrio wurde zusammen mit dem Coupé bis 1996 angeboten (ab 1991 als XJS). Mit insgesamt 21 Jahren Bauzeit übertrifft der XJ-S seine beiden Vorgänger deutlich. Doch welchen soll man nun nehmen? Was soll man der Fee, die inzwischen leicht angenervt im Zickzack über der Bettdecke schwebt, denn antworten?
Der XK mit dem Knick
Jede Entscheidung für einen Klassiker ist geprägt von den persönlichen Vorlieben in Sachen Design, Fahrcharakter und auch etwas Nutzwert. So gefällt Jaguar XK150-Besitzer Rainer Bode, der vor über 30 Jahren bereits als Student einen Austin-Healey fuhr - "kam bei den Mädchen damals nicht gut an" -, vor allem die gelungene Seitenlinie seines Jaguar- Roadsters. Hierzu hat man gegenüber dem normalen Cabrio mit zwei Notsitzen (DHC – Drop Head Coupé) die Windschutzscheibe um zehn Zentimeter nach hinten versetzt. Dadurch entstand der typische Knick in der vorderen Türspalte. "Die lange Motorhaube und das sanft geschwungene Heck ohne hohen Dachaufbau sehen einfach großartig aus", sagt Rainer Bode.
Wir sind zu einer Probefahrt eingeladen und öffnen jetzt die große Fahrertür. Sie erlaubt einen ebenen Einstieg in den relativ hoch angeordneten Fahrgastraum, in dem flache Sitze montiert sind. Das ergibt eine sportlich niedrige Sitzposition mit Sicht auf die vier Rundungen der Scheinwerfer und Kotflügelenden.
Mit nur drei Gängen unterwegs
Der damals hochmoderne 3,4-Liter-Reihensechszylinderdes Jaguar XK150 mit zwei obenliegenden Nockenwellen läuft bereits - fast geräuschlos und mit nur leichten, feinen Vibrationen an Lenkrad und Schalthebel. Das Moss-Getriebe mit unsynchronisiertem erstem Gang bereitet keine Probleme, wenn die vier Gänge präzise und ohne Hektik eingelegt werden. Bereits ab Fußgängertempo kann in den zweiten Gang geschaltet und der erste vergessen werden. Der 213 SAE-PS starke Jaguar- Motor legt ab 1.000/min mit Nachdruck und ganz ohne Stuckern oder Stottern los.
Schnell gewöhnt man sich an die etwas ungenaue Lenkung und an das Arbeiten der Stahlkarosserie auf dem Plattformrahmen. Ländliche Asphalt-Buckelpisten lassen die Türen des Jaguar XK 150 in ihren Fassungen rumoren, gelegentlich zittert das mit Kunstleder überzogene Armaturenbrett. Die hintere Starrachse hält dabei mit ihren Blattfedern den Roadster souverän, aber etwas holprig auf der Straße.
Jaguar E-Type mit raffinierter Konstruktion
Jetzt wechseln wir in den Jaguar E-Type. Genauer: Wir schlüpfen in den Sportler wie in ein Wildwasserkanu, nachdem der breite und vor allem hohe Seitenschweller überwunden wurde. Erschwert wird das Prozedere durch den im direkten Vergleich mit dem XK 150 extrem kleinen Türausschnitt. Die Ursache hierfür liegt in der raffinierten Konstruktion des E-Type. Bis zur Spritzwand besteht der Roadster aus einer selbsttragenden Karosserie, zu deren Stabilisierung die hohen Seitenschweller, der Mitteltunnel und die kleinen Türausschnitte maßgeblich beisteuern.
Der Motor und die Vorderradaufhängungen des Jaguar E-Type sind dagegen in einen Rahmen aus Vierkantrohren integriert, der einen niedrigen Einbau des bekannten, inzwischen auf 4,2 Liter Hubraum vergrößerten XK-Motors ermöglichte. Der Skelettrahmen und die selbsttragende Fahrerkabine sind miteinander verschraubt. So entstand die extrem niedrige, windschlüpfige E-Type-Frontnase, die in einem Stück nach vorn geklappt werden kann.
E-Type mit präzisem Fahrverhalten
Auch das Lenkrad ist im Jaguar E-Type etwas niedriger montiert. Nicht weniger als fünf Zusatzinstrumente auf der Mittelkonsole ergänzen den großen Tachometer und den Drehzahlmesser. Darunter eine beeindruckende Reihe an Wippschaltern, als säße man in einem Sportflugzeug. Eine weitere durchgreifende Änderung an der Technik gegenüber dem XK 150 sind die einzeln aufgehängten Hinterräder mit doppelten Schraubenfedern und innenliegenden Scheibenbremsen. Merkt man das? Und ob!
Der Jaguar E-Type, der wegen seiner Optik gerne als das harte Männerauto in Reinform gehalten wird, fährt sich so geschmeidig, wie der Firmenname verspricht. Die Lenkung arbeitet präzise und signalisiert sogar, wenn bei höherem Kurventempo harmloses Untersteuern einsetzt. Hinzu kommt der 269 SAE-PS starke Motor, der exzellente Fahrleistungen erlaubt. Zuletzt wirkt die Karosserie des E-Type insgesamt solider und weniger lebendig als die des XK 150.
Alte Werte im Jaguar XJ-S?
Trotz ihrer großen optischen Unterschiede haben alle drei Jaguar-Sportler ihre Motoren vom Vorgänger übernommen. Auch der Jaguar XJ-S, der überwiegend mit dem V12-Motor des E-Type der Serie 3 (1971–1974) vom Band lief. Doch kann man den großen Cruiser überhaupt noch als echten Jaguar-Sportler in der alten XK- und E-Type-Tradition betrachten? Gegenfrage: Muss man das überhaupt?
Wir klären das mit einem kurzen Proberitt in unserem Foto-Fahrzeug aus dem Jahr 1989 mit 295 PS und einer Dreigangautomatik von GM. Das Interieur des Jaguar XJ-S schwelgt in Leder und Holzfurnieren und zeigt dadurch mehr klassischen Good-old-England-Stil als die beiden Vorgänger. Der Einstieg erfolgt diesmal limousinenhaft-bequem, sodass beim XJ-S nicht nur Jockeys, sondern auch Sumoringer in einem 240 km/h schnellen Jaguar-Sportler Platz nehmen können.
Für einen Blitzstart genügt es jetzt, die rechte Schuhspitze energisch nach unten zu drücken - und schon hebt der Jaguar XJ-S unter dem Rauschen seiner zwölf Zylinder die Nase und stürmt los, als gälte es, vor seinen immer weniger werdenden Kritikern aus der Traditionsecke zu flüchten. Hat er aber gar nicht nötig, zählt er doch ganz unzweifelhaft aufgrund seiner individuellen Qualitäten, seiner Geschichte und seines Stils zur Jaguar-Familie.
Was aber wollen wir nun der Glücksfee antworten? Ganz einfach: Wer vor allem hohe Automobilkultur von damals erleben möchte, der sollte lieber auf die älteren Modelle zurückgreifen. Auch wenn die Türen mal klappern oder ein Hexenschuss droht.