Jaguar S-Type V8 im Kauftipp
Edelkatze mit 276 PS ab 4.800 Euro
Mit dem Jaguar S-Type stieg die britische Marke Ende der 90er-Jahre endlich wieder in die gehobene Mittelklasse ein. Die Freiberufler freuten sich − und heute können sich Smart-Buyer Stil und Leistung für kleines Geld leisten.
28.11.2014 Michael HarnischfegerJaguar S-Type steht für die PAG-Modelle
Eine Seelenverwandtschaft zwischen dem Rheinländer und dem Briten muss es schon geben. Denn die britische Autoindustrie existiert ja doch viele Jahre immer irgendwie weiter gemäß Artikel 3 des Rheinischen Grundgesetzes: "Et hätt noch emmer jood jejange" (Es ist noch immer gut gegangen). Mittlerweile sind von den großen Firmen zwar nur noch Land Rover und Jaguar übrig, und auch die schafften es nicht aus eigener Kraft ins Hier und Jetzt.
Doch beide stehen heute prächtig da − im Gegensatz zu 1989. Da war Jaguar zum Beispiel nach längerer British-Leyland-Wurstelei unter das Dach der US-amerikanischen Ford Motor Company geflüchtet und 1998 Teil deren Premier Automotive Group PAG geworden. Die sollte die Luxusmarken des Konzerns vernetzen und stärken. Synergie, wir lieben sie.
Eines der ersten neuen PAG-Modelle war der Jaguar S-Type. Er kam Anfang 1999 in den Verkauf und schloss eine klaffende Wunde im Portfolio. Denn sie hatten ja nichts, die Jaguar-Jungs jener Zeit. Seit 1970 war da nur die herrschaftliche Oberklasse und das kleine Sportwagen-Eckchen, wobei man trefflich darüber streiten kann, ob der mächtige XJ-S ein Sportwagen war.
Jaguar S-Type entwickelt sich zum Bestseller
Der Jaguar S-Type, den frühe Werbeplakate neben dem klassischen Mark 2 zeigten, war das neue Einstiegsmodell, ehe 2002 der noch kleinere X-Type auf Basis des Ford Mondeo erschien. Erfolgstypen alle beide, denn der S-Type kam über seine drei Serien auf nahezu 300.000 verkaufte Exemplare, der X-Type sogar auf rund 355.000.
Die Parallele des Jaguar S-Type zum Mark 2 war offensichtlich, nicht nur aus der Modellhierarchie heraus. Denn der New S-Type spielt mit den Linien der glorreichen Vergangenheit. Dass er ein Plattform-Bruder des reichlich bieder gestylten Lincoln LS ist, sieht man ihm gottlob nicht an. Die Jaguar-Designer schneiderten ihm eine rundliche Karosserie über die mehr als 2,90 Meter Radstand, die mit einem Vier-Augen-Bug, der früh abfallenden Dachlinie und einem weichen Kurzheck ordentlich Britishness im Mark-2-Stil versprüht. Heute, wo strenge Geradlinigkeit den Ton vorgibt, sorgt der S-Type für wohlwollende Blicke am Straßenrand. Einen feinen, distinguierten Auftritt ermöglicht dieser Jag, der lässig rüberkommt und sich eindeutig diesseits der Neidschwelle bewegt.
Überall gut gekleidet mit dem Jag
Dass sein Kofferraum kleiner ist als der seiner direkten Konkurrenten von Audi, BMW und Mercedes, war in frühen Vergleichstests ein Thema, muss heute aber ebenso wenig interessieren wie das leicht beengte Platzangebot auf der Rücksitzbank. Die ist im Jaguar S-Typemit dickem, auch im Alter noch weichen Leder bezogen, das mit den vielen Holzeinlagen am Ende doch siegreich mit den hier und da verbauten Kunststoffen um die Ambiente-Hoheit ringt.
Dass Ford seine knauserigen Finger mit im Spiel hatte, verrät auf schmerzhafte Weise der eigenwillige Zündschlüssel, den Hausfrauen und Studenten auch zum Starten ihres Ford Fiesta benutzten. Synergie-Effekte haben eben auch hässliche Seiten. Freunde des Ausstattungsluxus kommen beim Jaguar S-Type dagegen auf ihre Kosten, denn es gibt kaum etwas, was es nicht gäbe: Im Preis von 93.000 Mark für das Top-Modell V8 waren 1999 nicht nur Metalliclack und ein elektrisch betätigtes Glas-Schiebedach enthalten, sondern auch ein Bordcomputer, die elektrische Verstellung der ziemlich seitenhaltfreien Vordersitze, Zentralverriegelung, elektrische Fensterheber und Klimaautomatik. Das ESP kostete allerdings rund 1.900 Mark extra.
Aufwendiges Fahrwerk mit Doppel-Querlenkern
So startete der Jaguar S-Type 1999 ins Rennen und erhielt hierfür auch das passende Rüstzeug. Das aufwendige Fahrwerk mit Doppelquerlenker-Vorderachse und gleich zwei Fahrschemeln zeigt auch heute noch wiegend Wirkung. Wie es sich für eine Jaguar-Limousine geziemt, rollt der S-Type weich ab und verkneift sich jede Härte. No sports, ja. Das meint auch die leichtgängige Lenkung ohne Anspruch auf Spitzenplätze in der Präzisionswertung, die in ein elektrisch justierbares Lenkrad mit einem Kranz aus Leder und Holz mündet.
Wer um Kurven eilen möchte, bis die Reifen anerkennend pfeifen, ist hier falsch. Denn dieser Jag lehrt die Kunst des stillen Genießens, und daran ist in hohem Maße der Vierliter-V8 der Baureihe AJ28 beteiligt. Ein Mitglied der neuen Motorengeneration, die kurz zuvor im XK8 Premiere gefeiert hatte und auch den neuen Dreiliter- V6 befruchtete, der im S-Type V6 den Einstieg in die Jaguar-Welt für 69 000 Mark ermöglichte.
Überlegener V8-Motor
Der V8 ist auch heute noch ein Musterbeispiel für Diskretion und Unangestrengtheit. Wer aus einem Downsizing-Turbo umsteigt, vermisst vielleicht den bulligen Punch aus dem Drehzahlkeller. Doch die Leistung kommt schon druckvoll und schwillt mit der Drehzahl kontinuierlich an, aufmerksam portioniert von der Ford-Fünfgang-Automatik mit dieser zackigen Schaltkulisse.
Mit der Serie zwei wuchs der Hubraum auf 4,2 Liter und es kamen ein paar PS und Nm hinzu. Doch die sind zum Genießen eines Jaguar S-Type sehr verzichtbar. Die Kompressor-Variante R mit 395 PS macht aus dem Gleiter ein komplett anderes Auto. Man kann den R mögen, braucht ihn aber nicht, wie unser vom Ford-Vertragshändler Müller in Bergisch Gladbach zur Verfügung gestellter Vierliter beweist.
Ganz entspannt und souverän schwimmen wir im Verkehr mit, der Wind säuselt leise ums Auto, die Welt kommt genau richtig gedämpft hinein. Wenn es mal pressiert, genügt ein stärkerer Druck aufs Gaspedal, dann geht es hurtig voran bis weit über 200 km/h, ohne dass dieser Galopp im Jaguar S-Type angestrengt klänge.
Souveräne Tarnkappe
So lebt es sich im hektischen Verkehr von heute sehr angenehm unter einer Tarnkappe, die nicht nur mit Souveränität erfreut, sondern Spötter auch durch Qualität zum Schweigen bringt. Die Türen des Jaguar S-Type schließen mit schönem Geräusch, das Interieur wirkt nicht verbraucht. Kein Knistern und Knirschen im Gebälk, das dank großflächig verzinkter Karosserie gut gerüstet ist für ein langes Leben. Nach einem Unfall sollte die Verzinkung nur sorgfältig instand gesetzt worden sein.
Okay, die Bedienung des Jaguar S-Type ist zum Teil eigenwillig, das alte Navi langsam und sein Monitor pixelig. Doch Martin Kefenbaum, S-Type-Fachmann der Jaguar Association Germany, ist von Ausfällen der Elektrik nichts bekannt. So macht sich schnell das wohlige Gefühl breit, sich zum Preis eines gebrauchten Kleinwagens in jene Klasse eingekauft zu haben, in der vor 15 Jahren Freiberufler und sonstige Besserverdiener unter sich waren.
Scheckheftgepflegte Exemplare aus Liebhaberhand gibt es heute für kleines Geld, das Risiko eines Fehlkaufs ist gering. Denn jene Käufer, die viel Power für wenig Geld suchen, hatten und haben den Jaguar S-Type schlicht nicht auf der Rechnung.
Michael Harnischfegers Fazit zum Jaguar S-Tyype V8
A6, Fünfer, E: Klar, die gab es auch mit starkem Motor. Wer seinen Nerz lieber nach innen trägt und sich freut, wenn nur der Kenner sein Auto erkennt, kauft mit dem Jaguar S-Type V8 souveräne Individualität im feinen Retrolook.