E-Type, XJS, XK120 und Co.
Die 7 wichtigsten Modelle der Jaguar-Geschichte
Jaguar erfindet sich gerade neu und streift seine Vergangenheit dabei weitgehend ab. Die Markenhistorie bietet einige Autolegenden. Wir stellen sie vor.
14.12.2024 Thomas HarloffWann hat Jaguar eigentlich die Schlagzeilen der internationalen Auto- und Wirtschaftspresse derart dominiert wie derzeit? Möglicherweise 1961, als die Briten den E-Type vorstellten – doch dazu später mehr. Aktuell ist Jaguar wegen eines umfassenden Rebrandings in aller Munde – dem wohl umfassendsten, seit "Raider" in "Twix" umbenannt wurde, mindestens. Dass dabei kein Stein auf dem anderen bleibt und Jaguar mit aller Macht die dicke Staubschicht, die sich in den vergangenen Jahren auf Jaguars Design, Technik und Markenimage, wegwischen will, scheint die meisten Beobachter zu überfordern oder gar verunsichern. Jedenfalls finden sich in der Presse und den sozialen Medien viel mehr hämische als positive Kommentare ob dieser 180-Grad-Imagewende.
Ob das kürzlich enthüllte Concept Car Type 00 (siehe Video), das die künftigen, zum Jahresende 2025 eingeführten Elektro-Jaguare vorwegnimmt, später zu den wichtigsten der langen Markenhistorie zählen wird, steht freilich noch in den Sternen. Wir haben jedoch sieben klassische Baureihen der Briten identifiziert, welche die Geschichte des Herstellers besonders intensiv geprägt haben. Und diese Aufstellung zeigt: Jaguar war immer wieder mutig genug, um Autos in die eigene Palette aufzunehmen, die mit dem bisher Dagewesenen brachen. Und die meisten von ihnen wurden zu echten Autolegenden.
Jaguar XK120 (1948)
Jaguar hatte sich schon vor dem Zweiten Weltkrieg einen Namen als Hersteller sportlicher Automobile gemacht. Doch als die Firma aus der Industriestadt Coventry auf der London Motor Show 1948 den XK120 enthüllte, machte nicht nur das Publikum vor Ort große Augen. Dieser Sportwagen beeindruckte mit einem modernen, elegant-fließenden Roadster-Design und hob sich damit von der Konkurrenz ab, die den klassischen Vorkriegs-Look bis dahin noch nicht komplett ablegen konnte. Fortschrittlich war auch der Antrieb: Ein 3,4-Liter-Reihensechszylinder mit zwei obenliegenden Nockenwellen, der 162 PS produzierte und den XK120 bei Bedarf in die Nähe der 200-km/h-Marke anschob.
Dass der XK120 nicht nur vorgab, ein waschechter Sportwagen zu sein, zeigte sich 1950 beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans. Lange Zeit lag ein privat gemeldetes und leicht getuntes Exemplar in der Spitzengruppe, wenn auch ein Ausfall nach 220 Rennrunden die Hoffnungen auf ein gutes Ergebnis zunichtemachte. Derweil wunderten sich Kundschaft und Konkurrenz, wie es Jaguar schaffte, ein derart performantes Auto zu deutlich günstigeren Preisen anzubieten als beispielsweise Aston Martin oder auch die kontinentaleuropäischen Rivalen. Der kommerzielle Erfolg des ersten XK führte letztlich dazu, dass die Nachfolger XK140 (1954) und XK150 (1957) optisch und technisch in nur leicht abgewandelter Form auf den Markt kamen.
Jaguar C-Type (1951)
Wozu der Motor des XK120 in der Lage war, bewies 1951 der C-Type. In nur sechs Monaten entwickelte Jaguars Motorsportabteilung um den nun auf über 200 PS erstarkten 3,4-Liter-Sechszylinder herum einen aerodynamisch ausgefeilten Rennwagen, der sofort dominierte. Bei den 24 Stunden von Le Mans gelangen Stirling Moss ein neuer Rundenrekord und dem Fahrerduo Peter Walker/Peter Whitehead der Gesamtsieg – mit einem Vorsprung von sagenhaften neun (!) Runden. Der Marketing-Gegenwert dieses Triumphs kann nicht hoch genug eingeschätzt werden; beim Image spielte Jaguar nun endgültig in einer Liga mit Ferrari, Aston Martin, Porsche und Co.
Zumal die Briten mit dem C-Type erfolgreich blieben – und innovativ. Zur Saison 1952 führte Jaguar zusammen mit Dunlop das Prinzip der Scheibenbremse ein. Der Erfolg stellte sich ein Jahr später ein: 1953 holte Jaguar in Le Mans nicht nur einen Doppelsieg, sondern platzierte noch zwei weitere C-Types in den Top Ten (Platz vier und neun). Nicht die schlechteste Art, sich in den Renn-Ruhestand zu verabschieden – ab 1954 übernahm der D-Type.
Jaguar MKII (1959)
Bereits der Vorgänger Mark 1 (MKI) hinterließ seine Spuren in Jaguars Modellgeschichte. Schließlich war er das erste Modell des Herstellers mit selbsttragender Karosserie und gehörte nach dem Wechsel vom bedächtigen 2,4- zum 3,4-Liter-Sechszylinder der XK-Modelle zu den schnellsten Limousinen auf dem Markt. Doch noch stärker schärfte der Mark 2 (MKII) das Bewusstsein der Kundschaft, dass in Coventry echte Sportlimousinen gebaut werden. Der Viertürer sah etwas schlanker aus als die erste Serie und überzeugte außerdem mit einem luxuriösen Interieur.
Scheibenbremsen waren bei ihm serienmäßig an Bord, das Fahrwerk wurde dynamisiert und auf Wunsch gab es eine hydraulische Servolenkung. Obendrein führte Jaguar eine 3,8-Liter-Version des Sechszylinders ein, die den MKII mit ihren 223 PS zum schnellsten Viertürer seiner Zeit machte. Kommerziell war der MKII ebenfalls erfolgreich: In zehn Jahren Bauzeit entstanden knapp 89.000 Exemplare.
Jaguar XJ (1968)
Nach fast eineinhalb Jahrzehnten MKI/II-Bauzeit wirkten die Limousinen in den späten Sechzigerjahren in technischer und optischer Hinsicht allerdings arg barock. Die Marke brauchte einen Neustart, und die erste XJ-Serie (XJ6) verkörperte diesen. Mit einer für eine Limousine flachen, nur 1,34 Meter hohen Karosserie und der aggressiv unten eingezogenen Frontpartie sah das Modell tatsächlich aus wie die viel zitierte, zum Sprung bereite Raubkatze in automobiler Gestalt. Mit seinem gelungenen Kompromiss aus Dynamik und Komfort bei gleichzeitig vergleichsweise niedrigen Preisen überzeugte der erste XJ schnell die Kundinnen und Kunden; es soll anfangs lange Wartelisten gegeben haben.
Dabei waren die Motoren noch Weiterentwicklungen der alten XK-Reihensechser mit 2,8 beziehungsweise 4,2 Liter Hubraum. Die Krönung der Baureihe folgte 1972: ein V12-Motor mit 5,3 Litern Hubraum und 269 PS. Ein Zwölfzylinder in einer Luxuslimousine, das traute sich damals kaum jemand. Zur Erinnerung: BMW brachte mit dem 750iL E32 erst 1987 den ersten deutschen Nachkriegs-V12 auf den Markt. Der Zwölfzylinder blieb während aller drei bis 1992 gebauten XJ-Serien ein markantes Merkmal von Jaguars Limousinen-Baureihe. Gleiches gilt für die Nachfolge-Baureihen XJ40 und X300, die formal zwar starke Ähnlichkeiten aufwiesen, aber als eigenständige Generationen gelten. Erst der 1997 eingeführte X308 setzte auf V8-Motoren.
Jaguar XJS (1975)
Zäsuren sind das zentrale Thema in dieser Übersicht. Eine der grundlegendsten in der Jaguar-Geschichte war der Wechsel vom E-Type zum XJS im Jahr 1975. Denn der Neuling, offiziell vorgestellt auf der IAA desselben Jahres, machte so ziemlich alles anders als sein Vorgänger. Zum Beispiel beim Design: Konnte man dem E-Type noch eine sportliche Kompaktheit attestieren, war der XJS ein Gran-Turismo-Coupé mit ausladenden Dimensionen, das mit ewig langer Front und elegantem Fastback aufwartete, das sich aufgrund der steilen Heckscheibe als optischer Kniff erwies.
Was Porsche damals nicht hinbekam, nämlich den Sportwagen 911 durch den dynamischen Autobahngleiter 928 zu ersetzen, gelang Jaguar durchaus. Was vielleicht daran lag, dass die Briten einen zentralen Fehler der Schwaben vermieden: Während Porsche den Produzenten der Kultdetektivserie "Magnum P.I." seinen 928 damals verwehrte, durfte der britische Detektiv Simon Templar offiziell im Jaguar XJS über die TV-Bildschirme fahren. Weitere Erfolgsgaranten: Die 1988 nachgeschobene Cabrio-Version und das Festhalten am prestigeträchtigen, wenn auch sensiblen V12-Motor. Letztlich mutierte der XJS zum Dauerbrenner: Von der bis 1996 in drei Serien produzierten Baureihe entstanden laut Jaguar insgesamt 119.268 Exemplare. Damit war der XJS bei seinem Karriereende der bis dahin meistgebaute Jaguar.
Jaguar F-Pace (2016)
Jaguar hatte sich mit seinen Limousinen und Sportwagen lange gegen den SUV-Trend gestemmt. Doch irgendwann kamen die Briten nicht mehr daran vorbei. Also brachten sie 2016 mit dem F-Pace ihren ersten eigenen Soft-Offroader auf den Markt. Der bis heute gebaute SUV ist wuchtig dimensioniert sowie designt und fährt auch so, obwohl die Sitzposition mit dem arg eingebauten Fahrerplatz Sportlichkeit suggerieren soll. Motorenseitig war und ist vieles im Angebot: Turbobenziner und -diesel mit vier und sechs Zylindern, Hybridantriebe und als Krönung die Sportmodelle mit 5,0-Liter-Kompressor-V8. Zum Absatz-Überflieger wurde der F-Pace allerdings nicht: Bis Ende 2023 wurden in Deutschland nicht einmal 16.000 Einheiten zugelassen.
Jaguar E-Type (1961)
Als Jaguar im März 1961 den E-Type als Nachfolger der XK-Serie auf dem Genfer Autosalon enthüllte, dürfte die Autowelt kurz den Atem angehalten haben. Den meisten Betrachtern war sofort klar: Hier ist eine Auto-Ikone geboren, ähnlich wie es sechs Jahre zuvor in Paris bei der Premiere der Citroën DS oder zwölf Jahre später an selber Stelle bei jener des Lamborghini Countach der Fall war. Derart "sinnlich-aufgeladene Formen" (O-Ton Jaguar) mit ewig langer Motorhaube, kurzem Heck und prägnanten Details wie der seitlich öffnenden Heckklappe hatte man derart konzentriert in einem einzigen Automobil noch nicht gesehen. Der E-Type findet sofort Zugang zur Popkultur sowie Anerkennung als echtes Kunstwerk; seit 1996 ist er Teil der Dauerausstellung des Museum of Modern Art in New York.
Doch der Brite überzeugte nicht nur mit seinem Design. Beim E-Type kitzelte Jaguar 269 PS aus dem 3,8-Liter-Sechszylinder, und mit seinen Fahrleistungen konnte er mit der Sportwagen-Crème-de-la-Crème aus Italien, Deutschland und den USA locker mithalten – mindestens. 1964 erhielt er eine 4,2-Liter-Version des Motors mit unveränderter Leistung, aber höherem Drehmoment und ein verbessertes Getriebe. Als Krönung führte Jaguar 1971 seinen 5,3-Liter-V12 im E-Type ein. Erst 1974 war die Karriere der wohl ikonischsten Jaguar-Baureihe nach drei optisch leicht unterschiedlichen Serien und über 72.500 gebauten Exemplaren zu Ende.