Im Käfer auf den Spuren der Silvretta Classic
Auf geht's - Unterwegs im Montafon
Als Weltklasse-Snowboarder stürzt sich Markus Schairer mit Topspeed talwärts. Im VW Käfer Cabrio lässt er es entlang der Route der Silvretta Classic im heimatlichen Montafon ruhiger angehen.
Eigentlich sollte alles klar sein: Wir sind startbereit zur Alpentour, das VW 1303 Cabrio wartet mit vollem Tank, und doch bleibt eine wichtige Frage unbeantwortet: Wo ist der Rückwärtsgang? Mangels Schaltschema auf dem Knüppel und ohne Bordbuch sitzen wir ein wenig ratlos im Cockpit. Denn knapp einen Meter vor der Stoßstange geht es steil abwärts, und der Weidezaun würde uns kaum bremsen. Allzu viele Versuche haben wir also nicht.
Pilot Markus Schairer probiert es vorn links. Kupplung kommen lassen, der VW rollt vorwärts. Hinten links? Wieder falsch, nun stehen die Vorderräder schon im Gras. Wir beschließen, den Käfer vom Parkplatz zu schieben. Kurz danach ist klar: Hinten rechts verbirgt sich die gesuchte Fahrstufe. Nun kann es endlich losgehen. "Das ist das älteste Auto, das ich jemals gefahren bin." Markus Schairer wirkt nicht, als ob ihm das Kopfzerbrechen bereitet. Schon nach wenigen Metern lenkt er die 50 PS starke US-Version so souverän durch die Kurven, als wäre es sein Privatauto.
Snowboarder von Kindheit an
Das Dach bleibt erst einmal geschlossen, denn noch bedecken Wolken den Himmel über Schairers Heimatdorf St. Gallenkirch. Die 2.000-Seelen-Gemeinde im Herzen des Montafons liegt eingebettet zwischen jetzt noch schneebedeckten Gipfeln am Fuß der Silvretta Hochalpenstraße. Dass man schon als Kleinkind - kaum dass man laufen kann
- auf Brettern ins Tal fährt, gilt hier wohl als Naturgesetz. Dass man dabei so erfolgreich wie der 24-Jährige agiert, eher nicht. In seiner Disziplin Snowboardcross müssen sich die Athleten gegen drei Konkurrenten auf einer engen Abfahrtsstrecke durchsetzen. Kollisionen gehöen da zum Alltag. Folglich sind Protektoren und Helme wie beim Motocross an der Tagesordnung. 2009 holte sich Schairer bei der WM und dem Weltcup die Goldmedaille.
Heute sind diese Fähigkeiten nicht gefragt, hinter dem Steuer des 34 Jahre alten Cabrios soll er uns seine Heimat zeigen. Eine Aufgabe mit Hindernissen. Schließlich ist der Winter noch nicht ganz aus dem Montafon verschwunden. Und so verhindert ein Verbotsschild, die Silvretta Hochalpenstraße zu erkunden. Solange die Route nicht geräumt und potenzielle Gefahrenquellen wie loses Gestein beseitigt sind, bleibt die Durchfahrt verwehrt.
Über den Pass zur Käserei
Doch angesichts der Sonnenstrahlen, die sich nun verstärkt durch die Wolkendecke kämpfen, lassen wir uns davon die Tour nicht verderben. Hinter Bludenz schlängelt sich die Straße hinauf zum Faschinajoch. Je höher wir kommen, desto mehr Schnee liegt neben der Strecke. Über den 1486 Meter hohen Pass gelangen wir in den Bregenzerwald.
An Damüls und Au vorbei windet sich die schmale Straße talwärts. Der schmutzige Schnee verschwindet zusehends, bald sind wir von grünen Weiden und frischbelaubten Bäumen umgeben.
Als der silberne Käfer durch Schoppernau rollt, öffnet sich gerade das Rolltor der Bergkäserei. Die wollen wir uns genauer ansehen, zumal sich der Betrieb als Schau- und Erlebnissennerei anpreist. Ein Besuch mit Überraschungseffekt, denn auch wenn die rund 30 Kilogramm schweren Laibe Bergkäse so aussehen wie schon vor 100 Jahren, hat sich die Produktion verändert. Im Keller, erläutert Betriebsleiter Günther Muxel, sind mittlerweile Roboter am Werk. Hier werden die Laibe einmal pro Woche vollautomatisch aus dem Regal geholt, mit Salzlake eingerieben und gewendet.
Kollege Roboter hilft beim Wenden
"80 bis 110 Laibe schafft der Roboter in der Stunde. Ein Senner kommt auf rund 150, allerdings hält er das Tempo dann nur zwei Stunden durch." Ein wenig befremdlich wirkt angesichts der Regale voller Käse der penetrante Ammoniak-Geruch, der mehr an eine Hühnerfarm erinnert, jedoch typisch für den Reifeprozess ist. Drei bis 13 Monate lang lagern die Laibe im Keller. Hauptabnehmer sind die Touristen, "ohne die würde hier nichts laufen", gibt Muxel zu.
Apropos Tourismus: Der liegt just in dieser Zeit nahezu vollkommen darnieder. Mit dem Schnee sind auch die Wintersportler verschwunden, die in der Region Vorarlberg den meisten Umsatz bringen. Bis die Sommergäste um Pfingsten einfallen, nutzen die Hoteliers und Gastwirte die Zeit zum Renovieren oder auch, um mal selbst Urlaub zu machen. Entsprechend einsam erscheinen viele Ort an der Strecke, vor allem Lech und Zürs gleichen Geisterstädten. Auch Schairer ist froh, dass er nach dem anstrengenden Winter mit Renneinsätzen und Training rund um den Globus nun wieder länger daheim sein kann. Der Dienst als Polizeibeamter in Bludenz ist eine willkommene Abwechslung vom ständigen Reisen.
Im Montafon ist's wie im Paradies
Und so schön manche Ecken der Welt auch sein mögen, das Montafon möchte er nicht verlassen: "Das ist doch hier wie im Paradies." Eine Einstellung, die viele junge Vorarlberger teilen. "Die wollen alle mal raus, etwa um in Wien zu studieren, doch dann kommen die meisten wieder zurück." Angesichts der Landschaft kann man das verstehen.
Nun wird es langsam Zeit, das Dach zu öffnen. Dank warmen Mützen und Jacken schreckt uns die frische Luft nicht, zumal nun die Sonne einheizt. Das Frischluftvergnügen im offenen Käfer ist ausgeprägt, der Fahrtwind umströmt sogar die Beine. "Was kostet so ein alter Käfer heute eigentlich?", will Schairer plötzlich wissen. Sein fröhlicher Gesichtsausdruck zeigt, dass er immer mehr Gefallen am Oldie findet.
Das Inntal empfängt uns mit sattem Grün, deutlich mehr Verkehr und einem langen Stau. In einer Steilwand über der Straße hängen drei Bergsteiger. Offenbar haben sie die Aufgabe, loses Geröll talwärts zu rollen. Da kann es nicht schaden, wenn unten kein Auto im Weg ist. Über Arzl, Jerzens und die Pillerhöhe geht es wieder zurück Richtung Montafon.
Das Original gibt's nur in Partenen
Nachdem wir wissen, wie der Käse hergestellt wird, wollen wir eine daraus zubereitete Spezialität testen und fahren nach Partenen. Im Partenerhof, vor dem jedes Jahr der Startschuss zur Silvretta Classic fällt, bestellen wir Käsespätzle. Dass Gastwirt Lothar Dona die Montafoner Kreation als das Original bezeichnet, mögen ihm Schwaben vergeben, lecker sind sie jedenfalls.
Dona engagiert sich auch außerhalb seines Betriebs für die regionalen Spezialitäten. Als Gründungsmitglied des Vereins "Bewusst Montafon" macht er sich für lokale Spezialitäten stark, etwa den Sura Kees. Schon im zwölften Jahrhundert wurde der Sauermilchkäse hergestellt. Direkt auf den Alpen wurde die frische Milch zu diesem Käse verarbeitet, dem lange Jahre kein gutes Image anhaftete, weil er fast als Abfallprodukt angesehen wurde.
Nicht zuletzt durch das Engagement des Vereins wird er heute als Spezialität so sehr geschätzt, dass mitunter die Nachfrage das Angebot übersteigt. Und so wird er auch nicht mehr nur in der Sommersaison, sondern das ganze Jahr über hergestellt. Zum Beispiel von Oswald Ganahl, der schwärmt, dass "das ganze Eiweiß aus der Milch im Käse bleibt". Der Sura Kees passt also zu einer gesunden Ernährung. Markus Schairer überzeugen die Argumente nicht, auf Sauerkäse könnte er verzichten. Schwerer verzichten kann er am Ende der Tour nur auf eines: das VW Käfer Cabrio.