BMW, Mercedes, Audi und Jaguar vom Kiesplatz
Youngtimer der Luxusklasse für kleines Geld
Jeder kann sich einen Youngtimer der Luxusklasse leisten. Schon unter 3.000 Euro gibt es Leder, Klima und 200 PS auf den Kiesplätzen der Vorstädte. Ein Streifzug durch die glamouröse Autowelt von Stern, Katze und Propeller.
30.12.2020 Alf CremersEigentlich suche ich nur einen ganz bestimmten W 140. Der Zeitpunkt ist gekommen, ich fühle mich reif für diese übergroße S-Klasse der 90er-Jahre. Auslöser ist ein silberner S 320 mit blauem Leder, der achtlos und offen in der Gegend von Maisach stand und der nun bei einem Kiesplatzhändler in Gröbenzell wieder auftaucht: rostig, fahrbereit und billig für VB 2.650 Euro, obendrein mit schönen originalen Achtlochrädern. Die überflüssige LPG-Anlage verdränge ich. Sie ändert nichts daran, dass ich diesen leicht verlebten Luxuswagen begehre. Ihn wiedergefunden zu haben, kann kein Zufall sein, ich werte es als Fügung.
So mache ich mich also an einem sonnigen Tag mit meinem kaschmirbeigen BMW 520i E34 auf den Weg Richtung München. Die Vorfreude auf den W 140 steigere ich ganz bewusst, indem ich meine erste Kiesplatztour dieses Frühlings mit meinem Automatik-5er unter die Winterräder nehme. Mein Motto lautet "Luxuswagen", also alles um die üppige Mercedes-S-Klasse herum: Jaguar XJ, 7er BMW, Cadillac Seville, Audi A8, was es gerade so gibt. Ich klappe die Fahrersitz-Armlehne runter, öffne das Schiebedach und lasse mich treiben.
Ein 350 SLC zum Optimieren
Schon bald nach dem Start stoße ich auf dem Gelände von L&M Automobile in Augsburg auf einen 72er Mercedes 350 SLC Automatic in Papyrusweiß mit Lederpergament. Das Luxuscoupé würde man in dieser exportlastigen An-und-Verkauf-Umgebung nicht erwarten. Er war das Traumauto meiner Jugend, in Silber, mit blauem Velours und getöntem Glas. Die kleinen Außenspiegel dieses immerhin 14.900 Euro teuren Exemplars verraten das frühe Baujahr. Mein angestrengter Blick durch die Scheibe der Fahrertür fällt auf das kultige Klaviertastenlenkrad des C 111 und auf die mattschwarze Kulisse in der Mittelkonsole, die bereits auf die moderne Dreigang-Wandlerautomatik hindeutet. Leider ist das Leder an beiden Vordersitzlehnen eingerissen, und auch die Karosserie zeigt ansatzweise Roststellen.
Der Händler im Container registriert gleich mein Interesse und eilt mit Schlüssel und Papieren herbei. Eine Sitzprobe, bei der ich das Coupé auf mich wirken lasse, bestätigt meinen Eindruck: Der schöne Achtzylinder mit den verspielten Lamellen in den hinteren Seitenfenstern braucht bald viel Zuwendung, damit er wieder so aussieht wie auf den Fotos des H-Gutachtens vor rund zehn Jahren.
Die originalen Radkappen wurden leider auf dem Platz gestohlen, bedauert der verbindlich auftretende Händler, der mich zum Start auffordert und den leicht angezählten Gleiter nicht, wie oft üblich, zum Concours-Exemplar hochstilisiert. Der 3,5-Liter-V8 läuft auf Anhieb rund und klingt gesund. Der quirlige Mann mit Basecap auf dem Kopf und Schnellhefter in der Hand drängt auf eine Probefahrt, stellt einen "Spezialpreis" in Aussicht. "Später, ich muss weiter, einen 140er abholen", entgegne ich. Er nickt wissend, Autohändler verstehen das Kürzel sofort.
Die nächste Luxuskalesche, die mich geradezu magnetisch anzieht, ist ein ganz besonderer Jaguar vom Typ X308, ein Rechtslenker in sehr dunklem Grün mit fein ziselierten Alurädern, die wie Radkappen aussehen. Ganz besondere Jaguar heißen seit jeher Daimler, und dieser Daimler V8 Super, geparkt auf dem Kiesvorfeld des Autohauses Schlegel, glänzt nicht nur mit gediegener Volllederausstattung samt Picknicktischen im Fond, er hat auch noch das, was den wirklichen Luxuswagen ausmacht: Long Wheelbase, kurz LWB, also langer Radstand, beim X308 macht das ein Plus von 12,5 cm aus, was die Luxuslimousine so ungemein majestätisch wirken lässt.
Vorne auf der Haube trägt der Vierliter-Achtzylinder mit satten 284 PS Leistung die unvermeidliche "leaping Cat", die springende Katze in Gold. Für mich ein eher degoutantes Detail. Dafür stimmt der Preis für diese säuselnde Sänfte. Technisch komplett überholt, wird der rostfreie Edel-Daimler mit Rechtslenker-Handicap für faire 8.900 Euro feilgeboten.
Apropos langer Radstand: 140er machen sich heute komplett rar, ob normale oder lange, nichts ist in Sicht. Selbst bei Hagenbusch, in der Regel ein bestens sortierter Händler von Liebhaberstücken aller Art, steht kein waidwunder Mercedes 400 SE in gewünschtem Nichtschwarz irgendwo für kleines Geld in der Ecke. Doch beim Betrachten seines nur partiell kiesbedeckten Autohofs reflektiere ich sofort auf den langen blauschwarzen W 126, der sich rasch als 560 SEL entpuppt.
Bis auf den Fahrer-Airbag voller als voll ausgestattet, sogar mit der gut 4.000 Mark teuren hydropneumatischen Federung und elektrisch verstellbarer Coupé- Sitzanlage im Fond, verfügt dieser wahrhaftige Kingsize-126er obendrein über den 300-PS-V8 in der katlosen Vollfettstufe. Nur derart aufgerüstet kann er seinem Vorgänger 450 SEL 6.9 Paroli bieten. Hagenbusch hat auch noch einen total aufgebrezelten 116er, keinen Sechsneuner, aber einen 280 SE mit Velours, Kopfstützen hinten und Scheinwerferwischern. Den will ich später noch fahren.
Coupé-Sitze und 300 PS
Erst einmal geht es mit dem 560 SEL auf Probefahrt, der M-117-V8 in seiner schärfsten Version klingt bei höheren Drehzahlen durchaus kernig, seine Leistungsentfaltung ist schon bis 3.000/min beeindruckend. Überwältigend ist das Raumgefühl, vor allem aus der Fondperspektive, die ich auch mal teste, verstellbare Fußbänkchen, Mittelarmlehne und die mit wertvollem echten Leder bezogenen Einzelsitze erzählen in stummer Vornehmheit vom schönsten und wenn man will auch schnellsten Platz hinter einem Stern der 80er-Jahre. Die langen Fondtüren, plus 14 cm, sind auch ungepanzert ein echtes Statussymbol. Statt Stern vorne drauf ist beim Jaguar XJ 3.2 Executive von Auto Mario Schmidt in Königsbrunn wieder einmal "leaping Cat" angesagt. Seit 1968 investieren Jaguar-Fans lieber in die Tierminiatur aus Zinkdruckguss als in korrektes Ventilspiel oder feine Polierpasten.
Doch gilt die verhängnisvolle Nonchalance im Drittbesitz nicht für diese prächtige, voll ausgestattete Luxuslimousine vom Typ X308 in betörend leuchtendem Nightfire Red mit Leder-Clubsesseln in hellem Cremeweiß. Der rund 10.000 Euro teure Jaguar kann mit lückenloser Servicehistorie aufwarten, was sich bei der intensiven Probefahrt auch in völliger Mängelfreiheit ausdrückt. Nichts bringt die Souveränität des meist nur gelangweilt säuselnden Viernockenwellen-V8 aus der Ruhe, der übrigens über wartungsfreie Hydrostößel verfügt.
Im Jaguar gleitet es sich noch vollendeter als im vorher gefahrenen 560 SEL. Der "kleine" 3,2-Liter-V8 mit 237 PS ist stets kräftig genug. Man muss nicht ins J-Gate eingreifen, die ZF-Fünfgangautomatik sortiert die Fahrstufen vorbildlich, frühes Hochschalten ist ihr ins Programm geschrieben. Der Jaguar bringt mich mehr in Versuchung als der vorhin noch so heftig besungene 560 SEL. Es ist das andere Ambiente, das mich lockt, das fremde Feeling, die distinguiertere Automobilkultur. Denn selbst im 560 SEL fährt stets ein 200er mit.
Als Kind der 70er-Jahre mit den Sozialisierungsschwerpunkten Peugeot-Zehngang-Rennsportrad, Philips Cassette Recorder N2209, Rollei-35-T-Kamera und Tissot PR-516-Armbanduhr fühle ich mich emotional ganz besonders mit der S-Klasse W 116 verbunden, was mich erwartungsvoll zu Hagenbuschs Hof zurückkehren lässt. Sein dank Velourspolster und weiteren 14 Sonderausstattungen als sehr luxuriös empfundener 77er 280 SE im Bestzustand für überaus stattliche 18.500 Euro glänzt in seiner ganzen astralsilbernen Pracht.
Eine ausgedehnte Probefahrt in dem breiten Schiff, umweht vom typischen Veloursgeruch und unter dem ach so vertrauten Klangteppich des M-110-Doppelnockers macht deutlich, dass diese S-Klasse in ihrer Autorität und Kompromisslosigkeit dem W 140 gefühlt am nächsten ist. Trotz des wenig spektakulär, aber erfreulich agierenden Sechszylinders schimmert beim Vollmetall-Mercedes 280 SE viel weniger profaner Typ 200 durch als beim 560 SEL.
Ausstattungswunder A8
Bisher bin ich mit meinem 3.000-Euro-Budget in der Tasche für meinen Herzens-140er auf der Suche nach Luxus ganz schön hoch geflogen. Ein bestechend schöner BMW 728i Automatic der Baureihe E38 beim nächsten Kiesplatzhändler erdet mich wieder, ohne dass ich mich arm fühlen muss. Die gut ausgestattete, propere Limousine im sehr edlen, leicht violett schimmernden Farbton Aspensilber kostet nur 2.900 Euro. "TÜV neu" wird auf dem kreativ gestalteten Preisschild versprochen.
Der auf den ersten Blick rostfreie Wagen wirkt auch wegen seiner feinen Schmutzschicht wie ein vergessenes Mauerblümchen, dem man sofort nach dem Kauf die abgespaceten Galactica-Blinker entreißen muss. Der bullige 7er der Baureihe E38 ist ein W-140-Konkurrent auf Augenhöhe, anders als sein Vorgänger E32. Natürlich gilt so ein BMW-728i-Sechszylinder trotz Leder, Schiebedach und Klimaanlage eher als Einstiegsmodell in die Luxusklasse, was ihn auch als Alltagsauto infrage kommen lässt.
Mein nächstes Opfer auf der Jagd nach bezahlbarem Luxus ist ein Audi A8 2.5 TDI, der bei Kfz-Daschner hinter dem Münchener Ostbahnhof ziemlich eingekeilt zwischen einer kruden Herde von Allerweltskarren steht. Fast wäre ich achtlos an ihm vorbeispaziert, aber die 1.790 Euro auf dem Preisschild elektrisieren mich nachhaltig. In der Disziplin Unvernunft liegt der vollverzinkte Audi A8 nahe am avisierten W 140: Diesel mit gelber Euro-3-Plakette, dank 150 PS nur mäßig temperamentvoll, aber dafür hat der wahrhaft ingeniöse V6-Selbstzünder vier Nockenwellen, 24 Ventile und 310 Nm Drehmoment bei nur 1.500/min. Die 415.000 "Langstreckenkilometer" auf dem Buckel des Vollverzinkten verlieren angesichts des stempelblau gefärbten Kundendiensthefts ihren Schrecken. Der Erstbesitzer orderte alles, was gut und teuer ist, den Lack in Ming Blue Perleffekt, feines Kodiak-Leder und natürlich Allradantrieb.
Der 140er gerät ins Wanken, leider kann ich den völlig zugeparkten A8 heute nicht Probe fahren. Seufzend setze ich mich in meinen 5er und fahre weiter, nun mit gleich zwei Hirngespinsten im Kopf. Mein Ziel ist Auto Icli in Fahrenzhausen, nördlich von München. Der türkischstämmige Händler spricht perfekt Deutsch mit bayerischem Akzent. Sein spannendes Sortiment ist immer für ein paar alte S-Klassen und 7er BMW gut. Auf den silbernen BMW 730i V8 springe ich beim "Scannen" seines Kiesplatzes sofort an.
Er entspricht total meinem Beuteschema: Achtzylinder, Automatik, Schiebedach, nicht schwarz und Originalzustand. Natürlich sehe ich den kaschierten Rost ringsrum, der mir aber nichts ausmacht. Icli grinst bedeutungsvoll, drückt mir die Schlüssel in die Hand und sagt: "Fahren Sie den mal, der ist technisch hervorragend." Beim Öffnen der Scheibe stelle ich fest, dass dieser tatsächlich bis zuletzt scheckheftgepflegte 7er die seltene Doppelverglasung hat und auch sonst außer Leder jede Menge Extras wie Softclose.
Der 730i V8 passt perfekt
Ich fühle mich wie in meinem 5er, nur ist im E32 alles die entscheidende Nummer größer, schöner und faszinierender: Die elegante Linienführung, das Raumgefühl, der sonore, niemals aufdringliche Klang des V8, das feine Edelholz um einen herum, das Original-Bavaria-Radio als Topmodell und die souveräne Leistung allenthalben, all das begeistert mich. Wäre ich jetzt im Schuhladen, dann würde ich sagen: "Den behalte ich gleich an."
So aber heißt es, nach dem Lippenbekenntnis einer vagen Kaufzusage Herrn Icli gegenüber: auf nach Gröbenzell, den S 320 klarmachen. Er steht tatsächlich auf dem Platz, offen wie immer, aber sonst keiner mehr da. Ich setze mich rein, freue mich wie ein Kind am blauen Leder, an der Opulenz seines Interieurs. Doch als ich am nächsten Tag gleich um neun am Platz bin, wird er gerade aufgeladen.