Ford Scorpio Mk2 und Opel Omega B Fahrbericht

Die Letzten ihrer Art

Sechs Zylinder, obere Mittelklasse, Spitze der Modellpalette mit Leistung jenseits der 200 PS. Doch Scorpio und Omega blieben ohne Nachfolger und werden heute nahezu verramscht. Warum? Eine Ursachensuche.

Ford Scorpio Mk2 2.9I, Opel Omega B Mv6, Frontansicht Foto: Dino Eisele 38 Bilder

Augsburg im Textilviertel, südöstlich der Innenstadt. Inmitten von verlassenen Fabrikhallen und Produktionsgebäuden aus rotbraunen und beigefarbenen Ziegelsteinen reckt sich ein schmaler Schornstein in den Himmel. Einige Fenster und Eingangstore sind mit Spanplatten beschlagen. Dort, wo bis Mitte der 1980er die Industrie rund um Stoffe, Garne und Kleidung boomte, treffen Ford Scorpio 2.9i 24V und Opel Omega MV6 aufeinander.

Der Ford Scorpio gilt als Nachfolger von Consul und Granada. In Rüsselsheim beerbte der Omega Rekord und Commodore, aber auch das Oberklassemodell Senator. Dass Ford und Opel in den 70er- und frühen 80er-Jahren richtungsweisende Limousinen der oberen Mittelklasse konstruierten, ist unter Experten unumstritten. Ein Image, das spätestens 1994 auf eine harte Probe gestellt wurde. Zur Markteinführung erntete gerade die zweite Scorpio-Generation kaum Applaus. Sie gilt nicht unbedingt als stimmiger Höhepunkt der Oberklasse-Historie von Ford. Das lag vor allem am ungewöhnlichen, rundum runden Design, an missglücktem Marketing und einem stärker werdenden Wettbewerbsumfeld der Premiummarken.

Die letzten Hecktriebler ab 700 Euro

Der Opel Omega B gefiel hingegen mit zurückhaltender Formgebung. 1994 verschreckte er aber viele Opel-Fans mit oft lausiger Verarbeitung und vielen Kinderkrankheiten. Erst spät erlangte die zweite Omega-Generation den Ruf des zuverlässigen Geheimtipps in der gehobenen Mittelklasse - dank stetiger Modellpflegemaßnahmen.

Seit einigen Jahren werden im Augsburger Textilviertel viele Gebäude aufwendig saniert. Wohnungen und Geschäftsräume entstehen. Ende 2009 eröffnete in einer Halle der früheren Augsburger Kammgarnspinnerei (AKS) sogar das Staatliche Textil- und Industriemuseum - ein preisgekröntes Erlebnismuseum. Während das Viertel wiederentdeckt wird und aus seinem Dornröschenschlaf erwacht, bleibt fraglich, ob auch mit den beiden Topmodellen von Ford und Opel eine Trendwende gelingt. So oder so: Cosworth-V6 und Opels MV6 fahren als die Letzten ihrer Art vor. Mit ihnen endete bei beiden Herstellern die Tradition von Frontmotor plus Heckantrieb als Fahrzeugplattform.

Mittlerweile sind die beiden AUtos sehr günstig geworden: Bei rund 700 Euro geht es los. Dafür bekommt man einen Opel Omega B im Zustand 4. Rund 100 Euro teurer ist laut classic analytics der Einstandspreis für gebrauchte Ford Scorpio Mk2. Gut erhaltene und gepflegte Zustand 2-Exemplare liegen bei etwa 3.900 Euro (Omega B) und 4.100 Euro (Scorpio Mk2).

Ford Scorpio ist "Einer wie keiner"

"Einer wie keiner", so priesen die Marketingstrategen von Ford die zweite Scorpio-Generation an. Und sie hatten recht: Zwei runde Glubschaugen-Frontlichter starren auf den Asphalt. Dazwischen grinst ein ovaler, chromverzierter Kühlergrill. Manche sehen Ähnlichkeiten mit einem Haifischmaul. Um das runde, klobige Heck verläuft ein durchgehendes rotes Leuchtenband. So sieht der Scorpio aus wie ein amerikanischer Straßenkreuzer aus den 80ern. Allein die Seitenlinie wirkt zurückhaltend. Sie wurde nur in Nuancen gegenüber der ersten Generation verändert.

Die Designer bewiesen viel Mut bei der Gestaltung der Karosserie – vielleicht etwas zu viel für den Geschmack der eher konservativen Klientel. Schon das Aero-Fließheck des ersten Ford Scorpio hatte kritische Blicke bei Ford-Fans geweckt. Während der vierjährigen Bauzeit der zweiten Generation rollten lediglich 98.587 Fahrzeuge vom Band. Im Juni 1998 stellte Ford die Produktion des Scorpio ein.

Scorpio mit gutem Fahrwerk

Ungeachtet der experimentellen Optik weiß der Ford Scorpio durchaus mit inneren Werten zu überzeugen. Das neu entwickelte Fahrwerk ist wie beim Mondeo an einzelnen Fahrschemeln aufgehängt. Die Einzelradaufhängung mit Querstabilisatoren bügelt auch lange Bodenwellen komfortabel weg. Der Scorpio durchfährt Kurven sicher und neutral. Das elektronische Motormanagement-System EEC5 steuert den Topmotor mit 24 Ventilen. Die Steuerungsanlage wurde aus der Formel 1 adaptiert und verbessert die Wirtschaftlichkeit des Antriebs. Eine Antriebsschlupfregelung verhindert bei den 24V-Motoren ein Durchdrehen der Räder beim Anfahren. ABS ist in allen Modellen Serie. Für die passive Sicherheit sorgen Fahrer- und Beifahrerairbag.

Opel Omega endlich mit guter Sicherheitsausstattung

Eine deutlich verbesserte Sicherheitsausstattung lockte 1994 auch viele Opel-Kunden und Omega-A-Fahrer in die Schauräume. Opel baute im neuen Omega B nun zwei Airbags, ABS, Gurtstraffer und einen Seitenaufprallschutz serienmäßig ein. Dazu kam ein stilistischer Wandel: Der Omega legte die aus dem A-Modell bekannten kantigen Linien ab. Er bekannte sich zum Trend der runden Formen: Ecken und Kanten suchte man nun auch beim Omega vergebens. Im Vergleich zum Scorpio gefiel das leicht grinsende Gesicht des Opel mit den in die Kotflügel ragenden Frontlichtern. Trotz gleichem Radstand verbesserte sich das Raumgefühl im Vergleich zum Vorgänger deutlich.

Ein Grund: das "cab forward design". Die Designer versetzten die Windschutzscheibe um 18,6 cm nach vorn und hoben das Dach um 2,6 cm an. Lange Reisen stellen kein Problem dar: Mitfahrer können hinten bequem die Beine übereinanderschlagen.

Eine neue Multilink-Hinterachse sorgt nicht nur für mehr Federungskomfort, sondern optimiert zusätzlich die Kurvensicherheit und die Richtungsstabilität. Auch unter der Haube werkelte moderne Technik. Sämtliche Benziner erfüllten bereits die ab 1996 geltenden Abgasgrenzwerte der Stufe 2. Technikdetails, die bei den Kunden gut ankamen: In den ersten zehn Monaten produzierte Opel mehr als 100.000 Exemplare des Omega B. Doch der Trend sollte sich nicht lange fortsetzen. Unter den ersten Besitzern machten Berichte über technische Probleme, schlechte Verarbeitung und fehlende Serienreife die Runde – ein Image-Problem für Opel. Denn der Wettbewerb im Segment der gehobenen Mittelklasse zog deutlich an. Kunden von BMW und Mercedes-Benz abzufangen, wurde ein immer schwierigeres Geschäft.

Opel Omega mit glücklich machender Ausstattung

An mangelnder Ausstattungsvielfalt kann es dabei nicht gelegen haben. Besonders das Topmodell MV6 glänzt nahezu mit Vollausstattung: Im Testwagen aus dem Autosalon Faber in Dachau sortiert eine Vierstufenautomatik die Gänge, eine Zweizonen-Klimaautomatik regelt die Temperatur im Innenraum. Tempomat, elektrische Fensterheber rundum und elektrische Sitzverstellung steigern zusätzlich den Fahrkomfort. Dass der dunkelgrüne Metallic-Lack und die Leichtmetallfelgen ebenfalls zum Serienumfang gehören, war auch in der gehobenen Mittelklasse im Erstzulassungsjahr 1998 keine Selbstverständlichkeit.

Seither lief der MV6 aus Bayern 121.000 Kilometer. Der Dritthand-Omega stand einige Zeit stillgelegt auf dem Hof von Händler Josef Faber. "Eigentlich wollte ich den MV6 verkaufen. Nun habe ich aber einiges investiert, unter anderem einen neuen Zahnriemen", erzählt Faber. Da sich der Sechszylinder hervorragend als Zugwagen für Anhänger eigne, wolle er ihn nun doch lieber selbst fahren. "Vielleicht rüste ich ihn auf ein Schaltgetriebe um", sagt der Opel-Händler.

211 PS, drei Liter Hubraum und ein Drehmoment von 270 Nm sorgen für einen kraftvollen Antritt - mit oder ohne Anhänger. Der MV6 zeigt sich elastisch, die Automatik schaltet sanft. Im Innenraum bleibt es dabei erstaunlich ruhig. Den Fahrer empfängt der Opel Omega in beigefarbenem Ambiente aus Velours und hellbraunem Wurzelholz-Imitat. Die großen Sitze sind bequem, eine passende Sitzposition lässt sich schnell finden – auch für große Menschen. Durch die weit vorn angebrachte Frontscheibe, die hellen Polster und Armaturen wirkt der Innenraum großzügig und luftig. Vier runde Tasteneinheiten regeln die Temperatur. Links neben dem Kassettenradio versteckt sich ein winziger Navigationsbildschirm mit Pfeilanzeige - der Bordcomputer neben dem Tacho misst die doppelte Größe.

Scorpio ist enger geschnitten

Im Gegensatz zum großzügigen Opel Omega wirkt das Ford Scorpio-Interieur subjektiv etwas zierlicher. Das liegt wohl hauptsächlich am dunklen Leder-Ambiente. Im Ghia-Modell sitzen die Passagiere auf Wunsch in großzügig ausgeformten und gesteppten Ledersesseln. In den etwas schwülstigen Seitenwangen wirft die schwarz gefärbte Tierhaut elegante Falten. Passend zum Äußeren setzt auch das Cockpit auf fließende Linien. Es neigt sich leicht zum Fahrer und erinnert an das Mittelklassemodell Mondeo. Digitale Anzeigen wie Bordcomputer oder Navigation sucht man vergebens. Immerhin informiert eine Analoguhr über die Zeit.

Der Opel Omega erscheint da deutlich moderner. Im Testwagen fehlt zudem die Klimaautomatik. Und wer auf der Rückbank mit dem riesigen Fußraum residiert, muss die Fenster per Hand runterkurbeln. Irgendwie skurril.

Scorpio-Antrieb über alle Zweifel erhaben

Doch der Antrieb des Scorpio ist über jeden Zweifel erhaben. "Das Fahrzeug stammt aus erster Hand und ist bisher nur 109 000 Kilometer gelaufen", berichtet Michael Drechsler, Ford-Service-Partner aus Königsbrunn. "Solch ein Exemplar findet man so schnell nicht mehr", sagt Drechsler. Der 2.9i-Cosworth-Motor schiebt die in Lugano-Blau-Metallic lackierte Limousine souverän an. Der Sechszylinder läuft kultiviert und macht sich im Innenraum nur durch ein leises Brummen bemerkbar. Sportliches Kurvenräubern liegt ihm nicht. Sanftes Gleiten über Landstraßen schon eher. Das tut auch dem Verbrauch gut. Beide Testkandidaten geben sich selten mit weniger als zwölf Litern pro 100 Kilometer zufrieden.

Technisch solide Autos einerseits, ein zu zeitgeistiger Design-Mix und fehlendes Image andererseits. Nach Scorpio und Omega verließ die Volumenhersteller Ford und Opel der Mut, im Segment der oberen Mittelklasse zu wildern. Ford bot sich mit dem Kauf von Jaguar und Volvo Ende der 90er eine neue Chance, im Premium-Segment Fuß zu fassen. Doch gerade Jaguar- Modelle litten fortan unter dem Ruf, keine echten Briten, sondern halbe Fords zu sein. Opel versuchte mit dem Signum verlorenen Boden gutzumachen. Mittlerweile haben die Mittelklassemodelle Mondeo und Insignia zwar nahezu ähnliche Außenmaße wie Scorpio und Omega – doch die gehobene Mittelklasse bleibt wohl weiterhin ein Tabu.