Ford 12 M im Alltag
Täglich auf Achse mit dem Oldtimer
Marcus Müller arbeitet als Vermögensberater im Außendienst und legt dabei pro Jahr rund 10.000 Kilometer zurück – allerdings nicht in einem Neuwagen, sondern fast nur in seinem Ford 12 M von 1969.
11.04.2015 Michael SchröderSo, wie Marcus Müller seinen Arbeitstag beginnt, könnte man fast von einem Ritual sprechen. Wie jeden Morgen hängt der Mann aus dem schwäbischen Altdorf auch heute zuerst sein Jackett an einen kleinen Hacken hinter dem Fahrersitz. Anschließend kontrolliert der 44-jährige Vermögensberater den Ölstand seines Autos, streift mit einem zufriedenen Lächeln seine Fahrerhandschuhe über und nimmt am Steuer Platz.
Wenige Sekunden später läuft der Motor, dem Müller stets eine kurze Warmlaufphase gönnt – Zeit, um in Gedanken rasch noch einmal das Tagespensum durchzugehen. Drei Außentermine stehen heute an, Alltag im Job von Marcus Müller, und heute wird er dabei rund 70 Kilometer zwischen Nürtingen und Metzingen zurücklegen. Pünktlich um 8.30 Uhr ist der Mann dann unterwegs. Sein Fahrzeug für diese Einsätze: ein cremeweißer Ford 12 M P6, Jahrgang 1969.
Natürlich könnte Marcus Müller sich einen modernen Dienstwagen leisten. So wie die meisten seiner Kollegen, die sich morgens in ein maximal drei Jahre altes Leasing- Mittelklasse-Mobil setzten und wohlklimatisiert zu ihren Geschäftsterminen anreisen. „Als Außendienstler kommen bei mir im Jahr geschäftlich rund 10.000 Kilometer zusammen“, erklärt der gebürtige Schwabe. Trotzdem interessierten ihn keine Neuwagen. „Das Straßenbild ist doch längst viel zu langweilig geworden“, so Müller. Und der Verkehr viel zu hektisch. Der Ford 12 M mit seinen gerade einmal 50 PS sei genau das richtige Auto gegen Stress. „Jede Fahrt wirkt so erholsam wie ein Kurzurlaub.“
Aber warum gerade ein Ford 12 M? „Natürlich dachte ich bei meiner Suche nach einem alltagstauglichen Klassiker zuerst an einen Mercedes Strichacht“, erklärt der Mann, der sich in seiner Freizeit beim Oldtimer- Stammtisch Altdorf engagiert. Doch die schiere Übermacht dieser Marke bei jedem Treffen und jeder Veranstaltung brachte ihn genauso schnell wieder ab von dieser Idee. Etwas Besonderes sollte es schon sein. Ein Auto, das eben nicht an jeder Ecke zu sehen und trotzdem bezahlbar sei.
Relativ unentschlossen, was Marke und Form angeht, durchforstet Müller nächtelang das Netz, bis er im Juni 2012 per Zufall auf einen Ford 12 M P6 stößt. Müller ist sofort begeistert von der Form und der sympathischen Ausstrahlung des Autos, bei dem es sich obendrein um ein Fahrzeug aus generationenübergreifendem Familienbesitz im unrestaurierten Originalzustand und mit nur 65.000 nachvollziehbaren Kilometern auf dem Zähler handelt. Der Kauf – praktisch nur noch eine Formsache. Die 700 Kilometer weite Überführung des Autos auf eigener Achse von Hessisch Oldendorf bis nach Altdorf am Fuß der Schwäbischen Alb übernimmt Müller persönlich.
Ford 12 M mit kompaktem V4-Triebwerk
Der erste Termin heute. Marcus Müller parkt direkt vor einem modernen Einfamilienhaus. Die Reaktion der Hausherrin folgt prompt: „Was für ein tolles Auto!“ Früher habe ihr Vater auch einen Taunus gehabt. Wie oft er diesen Satz schon gehört hat? Schwer zu sagen. Aber Müller weiß die durchaus positiven Reaktionen auf das friedliche, ja unaufdringliche Wesen seines Ford zu schätzen. „Der Ford 12 M stimmt meine Kunden fröhlich“, sagt der Klassik-Fan. Über dieses großartige Talent würden jedoch nur wenige moderne Fahrzeuge verfügen. Und Neid sei angesichts des einstigen Kölner Bestsellers im Liebhaberzustand ebenfalls noch nie ein Thema gewesen. „Für mein Geschäft kann ich mir eigentlich kein besseres Fahrzeug vorstellen“, schwärmt der Besitzer.
Natürlich hat Marcus Müller nach dem Kauf Vorkehrungen getroffen, damit der Dienst-Ford die täglichen Strapazen möglichst schadlos übersteht. Aber eigentlich sei bei seinem Exemplar kaum etwas zu machen gewesen. „Ein großer Service im Frühjahr 2013, dazu ein Satz neuer Reifen und zwei neue Stoßdämpfer hinten.“ Bei dieser Gelegenheit habe er das Auto obendrein komplett hohlraumversiegeln lassen und vorne schützende Innenkotflügel montiert – mehr sei aus seiner Sicht nicht erforderlich gewesen. „Nur bei wirklich schlechtem Wetter oder wenn Salz gestreut wird, bleibt der Ford 12 M in der Garage.“ Dann komme eben sein Golf II zum Einsatz, ein Fahrzeug mit Erstzulassung in der ehemaligen DDR. „Übrigens ebenfalls unrestauriert und im Originalzustand.“ Müllers Begeisterung für das häufig diskutierte Thema „Klassiker im Alltag“ wirkt so glaubhaft wie ansteckend.
Weiter übers Land zum nächsten Hausbesuch. Sorgen darüber, dass er wegen einer Panne einmal nicht pünktlich zu einem Termin erscheinen könnte, macht sich Marcus Müller nicht. Nur einmal sei er bisher mit dem Ford 12 M wegen eines Defekts liegen geblieben. Ursache: die Wasserpumpe, eine Kleinigkeit bei dem kompakten V4-Triebwerk, bei dem man sich über Enge im Motorraum wahrlich nicht beschweren kann. „Und kurz darauf war der Hauptbremszylinder fällig“, ergänzt Müller. Bei beiden Teilen habe es sich überdies immer noch um Originalteile aus dem Jahr 1969 gehandelt. „Die dürfen irgendwann den Geist aufgeben.“
Früher Nachmittag. Müller hält auf einem Parkplatz, um gleich mehrere Telefongespräche zu führen. „Eine Freisprechanlage passt einfach nicht zum Wesen des Autos“, erklärt der Geschäftsmann, der den Innenraum seines Ford viel lieber mit zeitgenössischem Zubehör aufwertet. Ein Wackeldackel gehört für Müller nun einmal auf die Hutablage des Ford 12 M, ebenso eine Klorolle mitsamt Häkeldecke.
Gegen 15 Uhr hat Marcus Müller seine Hausbesuche erledigt. Feierabend? Noch lange nicht. Wie jeden Tag steuert der Vermögensberater sein Büro im beschaulichen Bempflingen an. Den Ford parkt er dabei so, dass er ihn von seinem Schreibtisch aus ständig im Blickfeld hat.