Fiat 124 Sport Spider, Barchetta und 1200 Cabrio
Ausfahrt zum 50. Geburtstag des 124
Pünktlich zum 50. Geburtstag des Fiat 124 Sport Spider sind sein Vorgänger, ein Fiat 1200 Cabriolet, sowie sein Nachfolger Fiat Barchetta zu einer Ausfahrt zusammengekommen. Wir gratulieren ebenfalls!
06.07.2016 Michael SchröderGratulieren wir an dieser Stelle zuerst einmal dem anwesenden Geburtstagskind: dem Fiat 124 Sport Spider, pardon, dem Pininfarina Spidereuropa, wie die letzte, intern DS genannte Ausgabe des schicken Cabriolets heißt. Dessen Präsentation liegt genau 50 Jahre zurück, was angesichts der zeitlosen Form fast schon zu glauben schwerfällt. Oder anders herum gesagt: Es gibt sicherlich Autos, denen man ihr Alter sehr viel eher ansieht als diesem Modell.
Ihm zu Ehren sind heute sein – zumindest formal gesehen – Vorgänger, ein Fiat 1200 Cabriolet, sowie sein im Jahr 1995 vorgestellter Nachkomme, ein Fiat Barchetta, erschienen. Aber der Reihe nach. Wir nehmen Platz im Fiat 1200 Cabriolet, welches im Jahr 1959 präsentiert wurde. Pininfarina hatte diesen schicken Zweisitzer als Nachfolger für den offenen Fiat 1100 Trasformabile sowie den optisch nahezu identischen 1200 Spyder gezeichnet, die beide in der Gunst der Kunden mit Pauken und Trompeten durchgefallen waren. Zu pummelig um die Hüften, hatte da nur einer von zahlreichen Kritikpunkten gelautet. Fiat brauchte aber unbedingt ein Auto, das es mit dem Alfa Romeo Giulietta Spider aufnehmen konnte.
Fiat 1200 Cabriolet als Kampfansage an Alfa-Romeo
Was der Turiner Konzern 1959 schließlich auf dem Genfer Salon präsentierte, war zumindest optisch ein echter Sportwagen. Und gleichermaßen eine Absage an die rundliche Pontonform und die „Hüftschwung-Ära“. Das Fiat 1200 Cabriolet wirkt modern und sachlich. Sein Geheimnis: gerade Linien und der Verzicht auf überflüssigen Zierrat. Auch eine Panorama-Scheibe sucht man vergebens.
Unter der Haube mit dem breiten Luftschlitz beließ es Fiat allerdings bei dem 52 PS starken Triebwerk aus der 1200er Limousine. Ein zuverlässiges Stoßstangen-Arbeitstier mit seitlicher Nockenwelle und genügend Temperament für ein mondänes Leben an der Riviera, aber die Sache mit dem Sport hatte sich rasch erledigt.
Außer man griff gegen einen Aufpreis von 2.000 Mark zu einem der Cabriolets, die durch einen von den Gebrüdern Maserati konstruierten Motor befeuert wurden. Dieses 1500er-Triebwerk von OSCA (Officine Specializzata Costruzioni Automobili) mit zwei obenliegenden Nockenwellen leistet im Fiat-Cabriolet 75 PS. Doch während diese Version Raritätenstatus genießt, verkaufte sich das 1200 Cabriolet fast 12.000-mal.
Ein gediegener Reisewagen für den Boulevard
Von diesem Erfolg angespornt, stattete Fiat das Modell ab 1963 mit dem OHV-Aggregat aus der 1500er Limousine aus. Nun standen immerhin 67 PS zur Verfügung, bis diese Baureihe 1966 nach weiteren 22.630 verkauften Cabriolets vom 124 Sport Spider abgelöst wurde. Doch zurück zu unserem vorbildlich erhaltenen 1200er, der aus dem Jahr 1962 stammt. Als Fahrer am steil stehenden Lenkrad blickt man auf zwei große Rundinstrumente: rechts der Tacho, links die Anzeige für Wassertemperatur und Tankinhalt. Dazwischen eine Uhr, während die Konstrukteure einen Drehzahlmesser für überflüssig gehalten haben. Schon nach wenigen Kilometern fühlt man sich in diesem Auto so wohl, dass man ihm sein gemütliches Wesen sofort verzeiht.
So, wie sich dieser Fiat benimmt, könnte man es auf kurvigen Straßen schon mal laufen lassen, wohl wissend, dass sein überraschend straffes Fahrwerk mühelos deutlich höhere Kurvengeschwindigkeiten vertragen würde. Damit bleibt er das, was er im Grunde seines Wesens streng genommen schon immer war: ein gediegener Reisewagen, einer, der auf den Boulevard gehört, der repräsentieren und gefallen will. Diese Disziplinen beherrscht er perfekt.
Fiat 124 Sport Spider wird zum Bestseller in den Staaten
Wir tauschen das Cockpit, nehmen im Geburtstagskind – Jahrgang 1985 – Platz und erinnern uns an den Turiner Autosalon 1966, als Fiat mit besonderem Blick auf den lukrativen US-Markt einen völlig eigenständigen 2 + 2-Sitzer präsentierte – eben jenen 124 Sport Spider. Der Zuschlag für die Form des neuen Cabrios auf Basis der 124 Limousine ging ebenfalls an Pininfarina, der ein Auto mit einer flach auslaufenden Motorhaube, ausgeprägten Kotflügeln und einem eleganten Hüftschwung zeichnete. Besonders auffällig: der Doppelknick im Heck, der an einen Schwalbenschwanz erinnert und als aerodynamischer Kniff den Geradeauslauf stabilisieren soll.
Der offene 124er entpuppte sich wie vorgesehen vor allem in der Neuen Welt als Bestseller – rund ein Drittel der produzierten Fahrzeuge wurden in den USA verkauft. Weil hierzulande die Nachfrage stagnierte, verlegte Fiat 1974 sogar die komplette Produktion in die USA, von wo aus nur noch wenige Exemplare quasi als Re-Import wieder nach Europa gelangten. Erst 1982 kehrte das Cabrio mit anderer Identität zurück: Fiat hatte keine Lust mehr, sich mit dem unprofitablen Nischenauto 124 Sport Spider zu befassen, und gab das Modell in die Hände seines Kreateurs Pininfarina. Bis zum endgültigen Produktions-Aus 1985 entstanden 7.438 Fahrzeuge, die ab nun Pininfarina Spidereuropa hießen.
Der Spider, Meister der komfortablen Agilität
In seiner letzten Ausbaustufe arbeitet ein 105 PS starker Zweiliter mit zwei obenliegenden Nockenwellen, Zahnriemen und Gussblock unter der Haube mit den beiden Buckeln, von denen zumindest der auf der Fahrerseite 1970 nötig wurde, um Platz für einen hochbauenden Doppelvergaser zu erhalten. Heute versorgt jedoch eine Bosch L-Jetronic den Motor mit dem Gemisch. Im Cockpit hingegen hat sich seit der Urversion nur sehr wenig verändert. Hier gibt es ganz im klassischen Stil ein richtiges Armaturenbrett aus echtem Holz mit zwei großen Rundinstrumenten und drei kleineren Uhren. Zur Komfortausstattung zählen bereits elektrische Fensterheber sowie eine elektrische Kofferraum-Fernentriegelung, und dass die beiden hinteren Seitenscheiben automatisch zusammen mit dem Verdeck verschwinden, gestaltet das Leben in diesem Cabriolet noch einfacher.
Spielerisch lässt sich der Fiat, Verzeihung: der Pininfarina Spidereuropa, mit seinem auffällig flach stehenden Lenkrad im nächsten Moment über eine kurvige Landstraße dirigieren. Allein das Wechseln der Gänge – ein Traum. Dieses Fünfganggetriebe operiert knochentrocken und mit ultrakurzen Schaltwegen. Der Motor zeigt Emotionen, grollt und patscht – und zieht bullenhaft von unten heraus, allerdings vergeht ihm ab 4.000 Touren doch ein wenig die Lust. Mit seinen fünf kurz übersetzten Gängen kommt dieses Auto laut einer Messung von auto motor und sport im Jahr 1983 nicht über Tempo 176 hinaus. Aus heutiger Sicht handelt es sich hierbei selbstverständlich nur um einen rein akademischen Wert.
10 Jahre nach dem Ende des 124 kommt die Barchetta
Erst zehn Jahre nach dem Aus des Spidereuropa schien der italienische Autobauer längst vergessene Tugenden wiederzuentdecken und präsentierte 1995 erstmals wieder einen Spider mit dem klangvollen Namen Barchetta (kleines Boot). Diese Bezeichnung sowie die knubbelige Form mit dem properen Heck und der markanten Sicke entlang der Seitenlinie sollten Erinnerungen an den Ferrari 166 MM mit der offenen Touring-Karosserie wachrufen, ein Zwölfzylinder, der von 1948 bis 1953 gebaut wurde und bereits den Namen Barchetta trug.
Dass es sich bei der Technik des neuen Cabriolets nicht ganz so spektakulär wie beim legendären Patenonkel aus Modena verhält, dürfte sich von selbst verstehen. Unter dem modisch gestylten Barchetta-Blech mit dem eigenständigen Gesicht, das seine Scheinwerfer mit Plexiglasabdeckungen schützt und den Kühlergrill tief unten trägt, steckt die Frontantriebs-Plattform des Fiat Punto. Für Vortrieb sorgt ein damals neu entwickelter und quer eingebauter 1,8-Liter-Vierzylinder mit Vierventilkopf, zwei obenliegenden Nockenwellen und einer Leistung von 131 PS.
Fiat Barchetta fährt immer noch modern
Das Auto empfängt seine Besatzung mit einer tiefen Sitzposition, während die Augen sofort die in Wagenfarbe lackierten Flächen unterhalb des Kunststoff-Armaturenbretts und in den Türinnenseiten wahrnehmen. Gleich darauf fällt der Blick auf drei weiß unterlegte Rundinstrumente, und nur einen Augenblick später ist das Verdeck gelöst und vollständig unter einer Klappe hinter der Besatzung verschwunden.
Wie selbstverständlich ordnet sich der Barchetta in den modernen Verkehr ein, wo er eigentlich kaum auffällt, weil er nach wie vor wie ein modernes Auto aussieht und erwartungsgemäß auch so fährt. Der Vierventiler hängt spontan am Gas und bringt seine Kraft selbst beim Beschleunigen in engen Kurven für einen Fronttriebler erstaunlich gut auf die Straße. Mit 21 ist er gerade erwachsen – in 29 Jahren wird auch dieses Modell seinen 50. Geburtstag feiern.