Ferrari 550 Maranello und Porsche 911 Turbo S

Duell der 300-km/h-Youngtimer

Diese beiden Sportwagen laufen echte 300 km/h. Doch wie fühlt es sich an, wenn eine 3 am Anfang steht? Michael Schröder wollte es endlich wissen - er probierte Ferrari 550 und Porsche 911 Turbo S aus.

 

Ferrari 550 Maranello, Porsche 911 Turbo S, Frontansicht Foto: Hardy Mutschler 21 Bilder

Für einen Moment verharrt der Porsche 911 Turbo S bei Tempo 200. Ein Klacks für den 450 PS starken Turbo-Boxer unter den geblähten Heckbacken. Also gut, voller Schub. 220, 240, 260 Sachen. Mühelos. Wie von einem unsichtbaren Gummiseil gezogen, scheint dieser Porsche den zunehmenden Luftwiderstand verhöhnen zu wollen, indem er ihn ganz offensichtlich ignoriert.

280. Erst jetzt tönt es leicht angestrengt von hinten, wird die Beschleunigung des Allradsportlers eine Spur zäher. Und im Rückspiegel drückt ein Ferrari 550 Maranello.

Einmal im Leben 300 fahren

Sonntag, sieben Uhr. Auf einer bolzgeraden Autobahn ohne Tempolimit. Natürlich wäre Marcus Peters, Autor und Sportwagenspezialist bei auto motor und sport, und mir ein frisch polierter Salzsee lieber gewesen. Nardo hätte es ebenfalls getan, jenes Hochgeschwindigkeitsoval in Süditalien, um sich vergleichsweise entspannt an die 300-km/h-Marke heranzutasten. Denn bisher war bei mir bei Tempo 280 Schluss. "Schröder, einmal im Leben musst du 300 fahren", hatte Kollege und Ferrari-Fan Peters dann auch vor ein paar Tagen auf dem Redaktionsflur für mich beschlossen. Es gäbe da einfach ein paar Dinge, die ein Mann tun muss. Punkt.

Zugegeben, es hat mich schon immer gereizt, vorne einmal eine Drei stehen zu haben. Eben das alte Stammtischthema. Und warum nicht jetzt, wo die ersten Gebrauchten in diese Temporegion vorstoßen? Peters, sonst regelmäßig in aktuellen und sündhaft teuren Supersportlern unterwegs, ist mit der Wahl der Fahrzeuge einverstanden, obwohl aus seiner Sicht der Ferrari mit Jahrgang 1996 vermutlich längst als Oldtimer durchgeht. Selbst der Turbo S, der im Prinzip aus dem Jahr 2000 stammt, dürfte für ihn ein alter Hut sein.

1927 fiel erstmals die magische 300 km/h-Marke

290 Sachen. Tunnelblick, leicht erhöhter Puls, feuchte Hände. Wie muss sich in diesem Moment erst Henry O'Neal de Hane Segrave gefühlt haben - im März 1927, als er mit seinem 1.000 PS starken Sunbeam erstmals die 300-km/h-Schallmauer niederringt?

Bereits 10 Jahre später donnern die Silberpfeile mit fast 380 Sachen über die Avus – doch im Serienbau sollte es noch Jahrzehnte bis zum Fall der Schallmauer dauern: 1984 knackt Ferrari mit dem 305 km/h schnellen 288 GTO (272 Exemplare) diese prestigeträchtige Hürde, zwei Jahre später kontert Zuffenhausen mit dem 959 und ringt den Italienern mit immerhin 292 gebauten Fahrzeugen den Titel "schnellstes Serienauto der Welt" ab. Der Über-Porsche mit dem 450-PS-Turbo-Boxer läuft Tempo 317.

Auch bei 300 liegt der Porsche 911 Turbo S satt und sicher

Fast hätte ich ihn verpasst! Den Moment, in dem die winzige Tachonadel links neben dem mittig platzierten Drehzahlmesser die magische 300 passiert. Dreihundert! Da schießt die Welt dort draußen mit 83,33 Metern pro Sekunde an dir vorbei - und der Porsche 911 Turbo S tut so, als fahre er spazieren. Klebt unverrückbar auf der Spur und wiegt dich mit all seinem Fahrkomfort, seiner feinen Ledergarnitur und seinem neutralen Fahrverhalten in absoluter Sicherheit. Genial. Aber war die Autobahn gestern nicht viel breiter?

Also volle Konzentration. Die Augen scannen die Straße zwischen Windschutzscheibe und Horizont nach möglichen Hindernissen ab. Ein kurzer Blick auf die Instrumente des Porsche 911 Turbo S lässt weitere 50 Meter im Blindflug vorbeiziehen, dazu die Warnung von Marcus im Kopf, dass für eine Vollbremsung aus Tempo 300 mit diesen Autos 400 Meter das Mindeste seien, um möglichst heil aus der Sache herauszukommen.

Der 911 Turbo entstand auf der Rennstrecke

Mit einem Mal stellt die Autobahn Anforderungen wie sonst nur eine Rennstrecke. Streng genommen beginnt dort auch die Saga des aufgeladenen 996. Die Rennerfolge der Turbo-Coupés bei den 24 Stunden von Le Mans, zuletzt 1998 in Form des Gesamtsiegs eines GT1, ranken sich wie zusätzlicher Lorbeer um dieses längst denkmalgeschützte Elfer-Gesamtpaket. 2000 stellt Porsche den neuen, 420 PS starken Turbo für die Straße vor, zwei Jahre nach Einführung des wassergekühlten Boxertriebwerks.

Natürlich hat Porsche das Ansprechverhalten des neuen Biturbo-Aggregats im Vergleich zum Vorgängermodell spürbar verfeinert. Mit seiner zweifachen Nockenwellenverstellung VarioCam Plus sowie einer hochsensiblen Elektronik für Gaspedal, Einspritzung, Zündzeitpunkt und Ladedruck beherrscht das 996-Aushängeschild den Spagat zwischen Alltag und Rundkurs so souverän wie kein anderer Hochleistungs-Sportwagen. Fast hätte ich es vergessen: Bei diesem 3,6-Liter-Turbo handelt es sich obendrein um den ersten Serien-Elfer, der über 300 km/h rennt.

Vier Jahre später dann ein Nachschlag, erkennbar am S hinter dem Turbo-Schriftzug. Ab Werk unter anderem mit Keramikbremsen versehen. Und mit 30 zusätzlichen PS, die dieses Auto noch einmal 2 km/h schneller machen. 307 km/h attestieren die damaligen auto motor und sport-Kollegen von Marcus dem Turbo-S-Elfer.

F 550 zieht am 911 Turbo S locker vorbei

Zurück auf die Bahn. Mit einem Lächeln im Gesicht zieht Marcus aus dem Windschatten des Porsche heraus auf die linke Spur – und gleich darauf am voll ausgereizten Elfer vorbei. Einfach so. Aber an dem 485 PS starken Zwölfzylinder-Boliden Ferrari 550 Maranello sind schon andere verzweifelt, selbst der optisch wesentlich aggressiver anmutende Testarossa, dessen Baureihe von dem 1996 vorgestellten Frontmotor-Sportwagen abgelöst und obendrein gleich auch noch deklassiert wird. Und zwar gleich um drei Sekunden pro Runde auf der hauseigenen Teststrecke in Fiorano. Mit Tempo 320 gilt der neue Supersportler F 550 Mitte der 90er-Jahre als das schnellste Serienauto der Welt.

Der Hauben-Blick

Erster Stopp auf einem Parkplatz. Wir wollen wissen, woher jeweils die Kraft für Tempo 300 kommt - und gehen beim V12 des Ferrari vor Ehrfurcht fast in die Knie. Pure Maschinenbauästhetik in den Farben Rot, Silber und Schwarz. "Einfach unglaublich, wie gut dieser Motor noch immer geht", schwärmt Peters. So schnell und dabei so souverän habe er den Ferrari 550 Maranello gar nicht in Erinnerung gehabt.

Rein optisch reißt der Blick in den engen Motorraum des Porsche 911 Turbo S hingegen niemanden vom Hocker. Keine Spur vom Turbo-Boxer, sondern nur Lüfter, Nebenaggregate und jede Menge Plastik. "Perfekt, haltbar und hocheffizient, aber leider nichts fürs Auge."

Fahrzeugtausch. Marcus schnappt sich den Porsche 911 Turbo S, während ich mich in der Kabine des Ferrari 550 Maranello einrichte. Dessen klassisches Sportwagendesign geht als moderne Fortsetzung des 365 GTB/4 Daytona durch, ein Eindruck, der sich im Cockpit, einem piekfeinen Herrenfahrerzimmer aus Leder und Chrom, nur bestätigt. Sieben Rundinstrumente, sieben Kipp- und fünf Drehschalter sowie eine - großartig! - offene Schaltkulisse. Dagegen wirkt der Innenraum des 911 mit seinem Plastikschaltknauf aus dem Boxster wie ein - man möge es mir verzeihen - Allerweltsauto.

Wie Samt und Seide

Noch einmal Tempo 300. Samtig und seidig dreht das Aggregat des Ferrari 550 bis in Regionen jenseits der 7.500er-Marke, untermalt von jenem unverwechselbaren Zwölfzylindersound, der mit dem Klang herkömmlicher Motoren kaum etwas gemein hat und je nach Drehzahl erwartungsgemäß an Intensität zunimmt. Tempo 200 steht bereits nach 14,2 Sekunden an, knapp eine Sekunde schneller als beim 911 Turbo S, der sich noch im Rückspiegel hält. Oberhalb von 300 kennt der F 550 schließlich keine Freundschaft mehr, aber so weit waren wir ja vorhin schon.

Ach ja, Geradeausfahren auf der Bahn wird auf Dauer dann doch irgendwann monoton, selbst wenn eine Drei am Anfang steht. Auch so eine Erfahrung, die man erst einmal machen muss.

So viel kosten Porsche 911 Turbo S und Ferrari 550 Maranello

Die noch vergleichsweise jungen Sportwagen befinden sich meist in pflegender Hand. Die Wartungskosten liegen auf ebenso hohem Niveau, wie die Neupreise. Für einen Zahnriemenwechsel beim Ferrari 550 müssen beispielsweise mehrere Tausende Euro eingeplant werden. Classic-analytics listet beide Supersportler nur im Zustand 2, mäßige Exemplare gibt es extrem selten - und sie spielen keine Rolle auf dem Markt. Denn ein durchgängig gepflegtes Scheckheft ist ebenso Pflicht wie üblich. Rund 51.000 Euro kostet ein Porsche 911 Turbo S im guten Zustand, der Ferrari 550 Maranello liegt mit 47.000 Euro leicht darunter.