Ferrari 412 und Porsche 928
2 Power-Gran-Turisme der 70er
In Kombination aus Sportlichkeit und Luxus setzte Ferrari nach Porsche in den 70er-Jahren Maßstäbe. Was vereint die beiden Coupés der Extraklasse? Der ferrari 412 mit Fünfliter-V12 trifft auf den Porsche 928 mit 4,5-Liter-V8.
25.10.2015 Dirk Johae
Das Posing auf der Rennstrecke war diesen GT ebenso fremd wie der spektakuläre Auftritt im Straßenverkehr. „Starke Leistung, dezente Erscheinung“ könnte das Lebensmotto der beiden 2 + 2-Sitzer lauten. Aber schon die Entstehungsgeschichte trennt die beiden GT.
Ferrari setzte bei seinem Coupé auf Evolution: Die Antriebstechnik für den zunächst als 365 GT 4 2 + 2 bezeichneten Wagen stammte vom Vorgänger, dem ab 1967 gebauten 365 GT 2 + 2. Dazu entwarf Pininfarina-Designer Paolo Martin eine zeitlos schöne Karosserie, die in ihrer Schlichtheit, unterstrichen vom Stufenheck und der stattlichen Länge von 4,81 Metern, die Züge einer Limousine trägt.
1972 zeigte der Frankreich-Importeur den neuen Ferrari erstmals auf dem Pariser Automobilsalon. Die Karosserie blieb im Wesentlichen bis 1989 im Programm – 17 Jahre lang: eine kleine Ewigkeit für Ferrari- Verhältnisse. In der letzten Version hieß der GT, den viele Betrachter damals als schönsten Ferrari einstuften, schlicht 412.
Als erstes italienisches Auto verfügte das Ferrari-Flaggschiff 412 über ABS. Das reizvollste Element steckt aber unter der langen Fronthaube: der V12-Motor mit 315 PS. Die Einspritzung steuert jetzt eine Bosch KE-Jetronic, die Choreografie der Zündfunken wird elektronisch eingespielt.
Die Basis des Alumotors mit einem Bankwinkel von 60 Grad stammt noch vom Formel-1-Motor aus dem Jahr 1950, den Aurelio Lampredi entwickelte. Noch in den 70er-Jahren mixte eine Weber-Vergaserbatterieden Benzin-Luft-Cocktail. Ab 1979 übernahm eine Bosch Motronic die Gemischzubereitung nach Schwabenart.
Zugeständnisse an den US-Markt
Nicht zuletzt die US-Abgasnormen sorgten für den Einzug der Moderne in den Nadelstreifen- Ferrari. Eingefleischte Markenfans ließen diesen diplomatischen Schachzug noch durchgehen. Über das optionale Automatikgetriebe – ebenfalls ein Zugeständnis an den wichtigen Überseemarkt – rümpften sie allerdings die Nasen.
Durch die Dreigangautomatik von General Motors verliert der Ferrari spürbar an sportlicher Lebensfreude. Der lange Radstand und das verhältnismäßig hohe Gewicht von 1,9 Tonnen weisen ihn ohnehin nicht als Sportskanone aus. Im Vergleich zum Porsche wirkt der Ferrari auch durch die Neigung zum Untersteuern in Kurven überraschend schwerfällig.
Dem Porsche fehlen das unvergleichliche Trompeten des Zwölfzylinders und der exotische Luxus des italienischen Rivalen. Die Form des Deutschen wirkt neben der italienischen Couture aus Turin eher wie ein nüchterner Business-Anzug von Boss. Aber in Zuffenhausen zielten die Entscheider ohnehin eher auf umstiegsbereite Kunden der heimischen Mitbewerber Mercedes-Benz und BMW als vom Rivalen der Rennbahn.
Kein Erbe der Legende
Ursprünglich sollte der 928 den 911 beerben. Wir wissen längst, dass dieser Schuss nach hinten losging: Die klassischen Porsche- Kunden wären wohl in Scharen davongelaufen, wenn sie ihre Ikone mit dem Sechszylinder- Boxer im Heck gegen das große Coupé mit vorn eingebautem V8-Motor hätten eintauschen müssen.
Mit rund 61 000 Exemplaren, die Porsche zwischen September 1977 und dem Frühjahr 1995 an Kunden auslieferte, verpasste das viersitzige Transaxle-Coupé den Verkaufserfolg. Allerdings ist der 928 die Visitenkarte für das Stuttgarter Entwicklungsteam wie kein anderes Projekt zuvor: „Er war das erste Serienmodell in der Porsche-Geschichte, das sie komplett bei null anfangend konstruieren konnten“, hebt Automobilhistoriker Karl Ludvigsen hervor.
Bei der 928-Entwicklung zeigten die Ingenieure um Projektleiter Helmut Flegl und Entwicklungschef Helmuth Bott ihre im Motorsport antrainierte Schnelligkeit: Von der Festlegung der Eckdaten Ende 1971 bis zur Präsentation Anfang 1977 vergingen lediglich gut fünf Jahre.
Der V8-Motor musste allerdings im Gegensatz zum Ferrari-Triebwerk zunächst mit nur einer obenliegenden Nockenwelle auskommen. In der ersten Version leistete das komplett aus Aluminium gefertigte Aggregat eher bescheidene 240 PS. Über die Vergrößerung des Hubraums bis auf 5,4 Liter im ab 1991 angebotenen GTS sowie den DOHC-Zylinderkopf mit vier Ventilen waren es am Ende 350 PS.
Diese Kraft hat Ferrari-Format, und dank des um 20 Zentimeter kürzeren Radstands und des wesentlich besseren Fahrwerks lässt sich der Porsche angenehmer fahren als der Ferrari. Aber an das Charisma eines italienischen Gran Turismo reicht das Zuffenhausener Kombi-Coupé nicht heran. Dazu ist er einfach ein zu perfektes Ingenieurswerk.