Ferrari 312 PB von 1972 für 12 Mio. Euro
Rennwagen für schwerreich Verliebte
Der erfolgreichste Rennwagen von Ferrari ist kein Formel-1-Auto, sondern der 312 PB. Ein solcher Sport-Prototyp wurde am 20.5.2023 für Millionen versteigert.
22.05.2023 Dirk JohaeWelches ist der erfolgreichste Rennwagen von Ferrari? Wer bei der Antwort dieser Frage sofort Richtung Formel 1 abbiegt, ist auf dem Holzweg. Bereits über ein halbes Jahrzehnt ist es her, als der gesuchte Rekordhalter eingesetzt wurde: Es ist der 312 PB, Ferraris letzter, werkseitig eingesetzter Sportwagen bis zum Erscheinen des aktuellen Hypercars 499P. In der Saison 1972 gewann die Scuderia mit dem offenen, zweisitzigen Prototypen alle Rennen, in denen er eingesetzt wurde.
Preis: 12 Millionen Euro
Ferrari-Konstrukteur Mauro Forghieri hat mit seinem Team bei der gesamten Konstruktion konsequent zahlreiche Formel-1-Komponenten verwendet. Der 450 PS starke V12, Getriebe und Teile des Fahrwerks stammen aus dem 312 B der Saison 1971. Enzo Ferrari nannte die zweisitzigen Rennwagen daher auch "Formel 1 für Verliebte".
Am 20.5.2023 wurde einer der mit zwei Gesamtsiegen besonders erfolgreichen Ferrari 312 PB versteigert. Sein Chassis ist mit der Nummer 0886 gekennzeichnet. Dieses Auto wurde nur in der Saison 1972 eingesetzt und gehört somit zu den insgesamt sieben Exemplaren, die in der Weltmeistersaison genutzt wurden. Der Verkaufspreis lag mit 12,04 Millionen Euro leicht unterhalb des Schätzwerts von 14 bis 18 Millionen Euro.
Versteigert wurde der Ferrari während einer Auktion von RM Sotheby's an der Villa Erba am Westufer des Comer Sees bei Cernobbio Ort. Dort waren weitere berühmte Ferrari-Exemplare zu haben: zum Beispiel ein 250 GT SWB von 1960 (Verkaufspreis: 6,586 Millionen Euro) oder ein früher Rennsportwagen Tipo 166 von 1949 (3,75 Millionen Euro). Aber keiner ist so teuer wie der 312 PB, dessen Erfolge einen großen Anteil am überlegenen Gewinn der Marken-WM hatten – Ferraris letzter Titel in dieser Kategorie.
Erfolgreichster Sport-Prototyp
Der 312 PB zählt zu den erfolgreichsten und besten Sport-Prototypen. Konstrukteur Mauro Forghieri beschrieb das Konzept: "Ein sehr niedriger Schwerpunkt und eine Auslegung, die mehr einem Formel-1-Auto glich als einem Rennwagen mit geschlossener Karosserie". Das bestätigt der damalige Werksfahrer Brian Redman: "Es war ein Grand-Prix-Wagen mit Karosserie und er war großartig. Er ließ sich schön fahren, und das Getriebe war das beste weit und breit." Mario Andretti, Werksfahrer 1971 und 1972, ergänzt: "Man konnte mit ihm umspringen wie mit einem Formel-1-Auto. Es war klein und flink."
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Ferrari trat in der Premierensaison 1971 zunächst nur mit einem 312 P an und entwickelte ihn weiter. Mauro Forghieri resümiert in seinen Erinnerungen: "Der 312 P von 1971 zählt zu den insgesamt drei Autos, die mich am meisten zufriedenstellten". Es ist der erste offene Sport-Prototyp mit einem V12-Flachmotor. In der folgenden Saison setzt Ferrari bei fast allen Weltmeisterschaftsläufen ein Drei-Wagen-Team ein. Nur die Nennungen für die 24 Stunden von Le Mans zieht das Team unter der Leitung von Peter Schetty zurück.
Erster Einsatz, erster Platz
Zu den Einsatzautos zählt auch das Chassis 0886. Gleich zum Saisonauftakt der Markenweltmeisterschaft in Buenos Aires gelingt mit dem jetzt als 312 PB bezeichneten Sportwagen ein Doppelsieg, zugleich der erste Weltmeisterschaftssieg für den offenen Zweisitzer. Im ersten WM-Lauf nach dem Verbot der Fünfliter-Sportwagen wie dem Ferrari 512 oder dem Porsche 917 gewinnen die Teamneulinge Ronnie Peterson und Tim Schenken den Auftakt vor Clay Regazzoni und Brian Redman. Das Siegerauto von Argentinien trägt die Chassisnummer 0886. In insgesamt vier Einsätzen erzielt die schwedisch-australische Fahrerpaarung 1972 damit noch einen zweiten WM-Sieg. Auf dem Nürburgring gewinnen Peterson und Schenken das 1000 Kilometer-Rennen.
Die Liste der Erfolge dieses Autos führt außerdem den zweiten Platz in Sebring und den dritten Platz in Monza auf. Vier Einsätze, vier Podiumsplätze: eine beeindruckende Bilanz. Allerdings fällt Ferrari das Gewinnen in der Saison 1972 besonders leicht. Der Scuderia aus Maranello hat zwar ein sehr gutes Auto gebaut. Jedoch fehlt ein ebenbürtiger Gegner.
Matra-Simca konzentriert sich auf Le Mans, Alfa Romeo als bester Ferrari-Verfolger in der Weltmeisterschaft hat seinen V12 noch nicht einsatzbereit, und der Erfolg von Porsche liegt jetzt in den Händen von Privatteams wie dem von Reinhold Joest beispielsweise. Lola-Vertreter Jo Bonnier und der Gulf-farbene Mirage setzen beim Motor auf den vibrationsfreudigen Cosworth V8. Der erfolgreiche Formel-1-Motor erweist sich jedoch als nicht besonders langstreckentauglich.
Aber der erste WM-Titel für Ferrari nach fünf Jahren Durststrecke überstrahlt alle Begleitumstände. 1967 gelang der letzte Titel mit dem 330 P4. Danach glückt der Scuderia nur ein Laufsieg: 1970 mit dem 512 S in Sebring, weil WM-Titelverteidiger Porsche patzte. In der Formel 1 lief es nicht besser: Der letzte Grand-Prix-Sieg gelang im Juli 1968 durch Jacky Ickx in Rouen, der letzte Titel (Fahrer und Konstrukteure) sogar 1964. Da kamen die Erfolge in der Sportwagensaison wie gerufen.
1973 sollte der Titel verteidigt werden. In dieser Saison bestritt mit Matra-Simca ein starker Gegner die Weltmeisterschaft. Mit einem durch die Konstrukteure rund um Giacomo Caliri weiterentwickelten 312 PB (V12 mit kürzerem Hub, längerer Radstand, verbesserte Karosserie) hielt Ferrari den Titelkampf bis Saisonende offen. Aber das Finale in Buenos Aires wurde abgesagt. Durch die geringere Anzahl an WM-Läufen wurden nur jeweils die besten Ergebnisse aus insgesamt sieben Läufen gewertet, und Ferrari zog gegen Matra-Simca mit neun Punkten Rückstand den Kürzeren.
Zwar endete die Karriere des 312 PB mit dem Ausstieg des Werksteams Ende 1973. Enzo Ferrari konzentrierte sich auf die Formel 1. Aber das Chassis 0886 blieb bis Juli 1975 in den heiligen Hallen der Scuderia. Dann wurde dieser erfolgreiche Rennwagen an den US-Amerikaner Harley Cluxton verkauft – damals für vergleichsweise läppische 40.500 US-Dollar. Danach gehörte der 312 PB neben weiteren Besitzern dem langjährigen Wal-Mart-Chef S. Robson Walton und Irvine Laidlaw, einer der reichsten Briten und ehemaliges Mitglied des Oberhauses.
2010 fand der Ferrari eine neue Heimat bei einem Sammler und Händler in Südfrankreich. Jetzt war der 312 PB wieder zu haben.
Beim Kaufpreiss ist selbstverständlich ein umfangreiches Ersatzteilpaket einschließlich des Originalmotors enthalten. Der rund 450 PS starke V12 mit 180-Grad-Bankwinkel, ein gedrosselter Bruder des damaligen Formel-1-Triebwerks der Scuderia, wäre heute zu wertvoll für einen weiteren Einsatz.