Alfa Romeo 750 Competizione
Alfas unbekannte Rennkiste
Mit dem 750 Competizione auf Basis der Giulietta wollte Alfa Romeo 1955 die 1,5-Liter-Klasse aufmischen, doch das Projekt verlief im Sande. Einer der beiden Prototypen ist nun wieder fahrbereit.
24.01.2016 Hans-Jörg Götzl
Die erste Regel für jeden klugen Rennfahrer lautet: Der Rennmechaniker hat immer recht. Das ist nur fair, schließlich müssen die fleißigen Schrauber oft genug den Ärger ausbaden, wenn dem Herrn Fahrer mal wieder das Talent oder die Strecke oder beides ausgegangen ist. Also halte ich lieber die Klappe und meine Vermutungen zurück, als der 1,5-Liter-Motor des Alfa Romeo 750 Competizione nach ein paar Gasstößen in der Warmlaufphase rotzend und spotzend abstirbt.
"Wohl die Zündung", brummt der Mechaniker des Alfa-Romeo-Museums und beginnt sofort, dem Vierzylinder alle acht Zündkerzen herauszuschrauben und zu prüfen. Doch obwohl die Kerzen prächtige Funken erzeugen, schweigt der Motor beharrlich. "Klingt eher nach Spritmangel", werfe ich schüchtern ein und werde dafür mit einem finsteren Blick bedacht und einem bösen Gemurmel, das sich irgendwie nach "tumber Teutone" anhört.
Der kleine Vierzylinder brüllt los
Der Verteiler wird jetzt untersucht, anschließend die beiden Weber-Doppelvergaser äußerlich inspiziert. Nichts. Im Maschinenraum des Alfa Romeo 750 Competizione scheint alles in bester Ordnung. Ich sitze nach wie vor im Cockpit, schaue mich ein wenig um und entdecke plötzlich auf der rechten Seite einen kleinen Hebel mit drei Leitungen.
"Wie muss eigentlich der Benzinhahn stehen, damit Sprit fließt?", frage ich, und ernte dafür einen weiteren bösen Blick. Dann schaut der Italiener selbst ins Cockpit, grinst, und legt den Hebel um. Zwei Tausendstelsekunden später brüllt der Motor des Alfa Romeo 750 Competizione los, und der Mechaniker strahlt.
Vor erstem Renneinsatz in Aservatenkammer verschwunden
Wäre auch zu schade gewesen, schließlich gehört der kleine rote Rennsportwagen selbst für von Raritäten verwöhnten Oldtimerfreunden zu den absoluten Höhepunkten, so selten ist der Alfa Romeo 750 Competizione in Fahrt und voller Lautstärke zu erleben. Und man kann leider auch keine alten Rennfilme aus den 50er-Jahren anschauen - bevor der Alfa auch nur einen einzigen Rennkilometer in Angriff nehmen konnte, verschwand er in der Aservatenkammer im Mailänder Vorort Arese.
Dieses Schicksal wiederum teilt der Alfa 750 Competizione mit einigen weiteren Alfa-Romeo-Rennwagen, etwa dem Disco Volante oder dem 2000 Spider: Noch bis 1951 hatten die Mailänder die Formel 1 beherrscht, doch zu Beginn der 50er-Jahre war klar, dass die Firma nicht weiterhin - wie vor dem Krieg - mit dem Bau sündhaft teurer Sportwagen überleben konnte.
Alfas Rennsportingenieure entwickeln die Rennwagen nebenbei
Stattdessen setzte man alle Anstrengungen auf Modelle wie den Alfa Romeo 1900 oder die Giulietta, die in größeren Stückzahlen gefertigt werden und so die Kassen klingeln lassen konnten. Für deren Entwicklung und Produktion wurden auch viele Techniker und Ingenieure aus der Rennabteilung abgezogen - was diese indes nicht daran hinderte, mit gewohnter Leidenschaft weiterhin Rennwagen zu konzipieren und auf die Räder zu stellen.
Der 750 Competizione war dabei für die hart umkämpfte 1,5-Liter-Klasse gedacht und sollte auch für Privatfahrer eine interessante Alternative zu Maserati, Porsche und Co. bieten. Die Typenbezeichnung 750 deutet dabei an, welche Technik als Basis diente: die Baureihe 750, also die Giulietta.
Rohrrahmen von Carlo Abarth
Auf deren Chassis modelliert der Turiner Tuner Carlo Abarth 1955 einen leichten Rohrrahmenaufbau. Darüber schneidert Mario Felice Boano aus Grugliasco eine ungewöhnliche zweisitzige Spider-Karosserie aus Stahl, die bis auf die Türen im Prinzip aus einem einzigen Stück besteht.
Ähnlich wie beim Alfa Romeo Disco Volante weicht die Form stark von der bis dahin in Mailand üblichen Linie ab: Von der vorderen Kühleröffnung zieht sich eine scharfkantige Hutze bis hinauf zur Windschutzscheibe, zwischen den Sitzen verbleibt eine schmale Trennung, hinten endet der 3,47 Meter kurze Sportwagen in zwei Heckflossen.
Giulietta-Fahrwerk und Triebwerk mit 100 PS Literleistung
Einzelradaufhängung vorne und Starrachse hinten sowie die Bremsanlage mit vier Trommeln stammen konstruktiv von der Giulietta, ebenso wie der vollständig aus Leichtmetall gefertigte 1.488-cm3-Vierzylinder des Alfa Romeo 750 Competizione mit zwei obenliegenden Nockenwellen.
Mit speziellen Kolben, hoher Verdichtung, erweiterten Kanälen, zwei großen Weber-Doppelvergasern und Doppelzündung leistet das kleine Kraftwerk 145 PS bei stolzen 8.000 Umdrehungen - fast 100 PS Literleistung, ein für die damalige Zeit hervorragender Wert.
Ungedämpfter Motorensound
Die Lebensäußerungen des Alfa Romeo 750 Competizione, die dabei praktisch ungedämpft aus den beiden kurzen Stummeln auf der linken Seite dringen, sind schon bei Warmlaufdrehzahl ziemlich infernalisch. Endlich sind die knapp acht Liter Schmierstoff auf Temperatur, und es kann losgehen.
"Das Fünfganggetriebe ist zwar eigentlich synchronisiert, freut sich aber über Doppelkuppeln und Zwischengas", hatte Alfa-Spezialist Hartmut Stöppel zuvor noch geraten, und das sollte man in der Tat beherzigen. Leider liegen die Pedale im Alfa Romeo 750 Competizione recht weit auseinander, was beim Anbremsen gleichzeitiges Zwischengas geben ziemlich erschwert - selbst Walter Röhrl wird bei einer späteren Probefahrt über dasselbe Problem berichten.
Ohrenschützer sind Pflicht in dem kleinen Brüll-Spider
Ansonsten aber begeistert der kleine Spider auf ganzer Linie. Der Motor braucht zwar hohe Drehzahlen und wird im Grunde erst bei 5.000 Touren richtig wach, dann aber geht es mit den 690 kg wirklich stürmisch voran - und spätestens jetzt sind Ohrenschützer Pflicht. Zum Glück sitzen die Brüllrohre auf der anderen Seite.
Die Bremsen haben das Leichtgewicht stets gut im Griff, Kurven nimmt der Alfa mild übersteuernd und leicht kontrollierbar. Höchst bedauerlich, dass damals nur zwei Exemplare entstanden, von denen dieses vor einiger Zeit vom Alfa-Museum wieder fahrbereit gemacht wurde.
Hätte der Alfa Romeo 750 Competizione also in den 50ern bei den Langstreckenrennen - etwa auf dem Nürburgring und in Monza - mithalten können? "Ganz sicher", lächelt der Rennmechaniker - und hat diesmal vermutlich völlig recht.