Fahrbericht Everytimer ETA 02
Der vielleicht schnellste BMW 02 der Welt
Kein Oldtimer, kein Neuwagen: Der Everytimer ETA 02 sieht aus wie ein BMW 02 und ist technisch ein BMW 1er. Michael und Harald Käs aus Welden bei Augsburg bauen den Gebrauchten um. Wie fährt sich das?
03.05.2019 Andreas Of-AllingerDas BMW 1er Cabrio der Baureihe E88 nimmt Everytimer als Basis für den Umbau zum Retro-Auto .Die Idee dazu hatten Vater und Sohn Käs vor fünf Jahren: Der Senior, Harald Käs, schweißt und schraubt an BMW, seit er 17 ist. Sein erstes Auto: ein CS Coupé. „Die waren damals günstig zu haben“, erzählt Käs. Heute kaum noch vorstellbar. Sohn Michael ging in einem BMW-Autohaus zur Lehre, war anschließend jeweils ein paar Jahre bei Porsche-Tuner Ruf und bei Alpina. In beiden Firmen habe er sehr viel gelernt, erzählt Michael Käs: Perfektionismus beim Restaurieren von Oldtimern und Improvisieren beim Service während der Rallye Dakar.
Erster Ansatz: neue Technik im alten Auto
Zuhause beschäftige sich Käs mit der Kombination aus moderner Technik und alter Karosserie. Der erste Ansatz: neue Technik in einem Oldtimer. Passt, macht Spaß, hat bei allem Aufwand Nachteile. „Wir haben einen 338i gebaut“, erzählt Käs und grinst. Das Kürzel ist ungewöhnlich, die Idee dazu auch: Käs bauten den 3,8-Liter-Reihensechser aus einem M5 in eine Karroserie der ersten 3er-Generation E21. Ging gut, war aber aufwendig: Dem Motor mussten die Bremsen angepasst werden und den Bremsen das Fahrwerk. Und dann kam die Karosserie an ihre Grenzen.
Zweite Idee: 1er Coupé in 02-Optik
Vor fünf Jahren die Idee: Warum nicht ein modernes Auto nehmen und in einen Oldtimer verwandeln? Vater und Sohn nahmen ein BMW 1er Coupé, bauten eine Karosserie im 02-Stil. Unter die Kotflügelverbreiterungen im 02-Turbo-Look kamen M3-Achsen. Weil Käs auch das Dach an 02-Optik anpasste, mussten neue Scheiben her, die einzustellen eine Geduldsprobe war. Nochmal machen? Eher nein. Bleiben lassen? Auch nicht.
Rettende Idee: 1er Cabrio als Basis
Die Rettung brachte das Cabrio: kein neues Dach nötig, Linie gerettet und offen Fahren ist ohnehin emotionaler. Michael Käs entwarf mit einem Dienstleister Gfk-Karosserieteile, baut Halter für Front und Heck. Nach zwei Jahren Arbeit steht das Ergebnis da: der Everytimer 02. Kein Oldtimer, kein Neuwagen. Ein Gebrauchter mit neuer Karosserie im Look eines alten Autos. Alltagstauglich ohne Einschränkungen und etwas Besonders. Inzwischen ist Käs von Gfk auf Carbon umgestiegen, lässt die Teile bei einem Zulieferer aus dem Stuttgarter Raum fertigen. Die ersten beiden Kundenautos sind in Arbeit, einer kostet rund 100.000 Euro. Die Basis ist jeweils ein 135i Cabrio – das hat mit 306 PS etwa drei Mal soviel Leistung wie ein 2002 Cabrio. Die Höchstgeschwindigkeit ist bei 250 km/h abgeregelt. Weil der Everytimer mit den Carbonteilen etwa 40 Kilogramm leichter ist als die Ausgangsbasis, dürfte die Beschleunigung sogar etwas besser sein als beim Serien-135i.
So fährt der Everytimer 02
Von innen ist der Everytimer 02 im Großen und Ganzen ein 1-BMW. Bis auf wenige Ausnahmen: Das Logo auf dem Lenkrad weist das Auto als Everytimer aus und wer will, kann die Sportsitze mit einem Pepitamuster beziehen lassen. Die Polster machen einen hochwertigen Eindruck und wirken sympathisch nostalgisch. An den grundsätzlichen Qualitäten des Basisfahrzeugs ändern Emblem und Pepitastoff nichts. Und das ist gut, weil ein 1er klassisch leicht zu bedienen ist; Gestensteuerung und Assistenzsysteme gab es im E 88 noch nicht. Das dicke Lenkrad liegt gut zur Hand. Im Vergleich zu heutigen Autos wirkt die Lenkung etwas schwergängig, dafür meldet sie sorgfältig zurück und arbeitet präzise. Gelegentliches Knistern aus der Armaturentafel meldet heftigere Verwerfungen des Straßenbaus, ansonsten herrscht Ruhe in der Karosserie – der 1er wirkt so steif und solide wie ein Cabrio eben wirken kann, das schon einige Jahre und Zehntausende Kilometer hinter sich hat.
Mit 306 PS souverän unterwegs
Beim Blick nach vorn unterscheidet sich der Umbau deutlich vom Original: helle Zifferblätter mit eigenständigem Schriftbild sind das eine, der Blick über die lange Haube mit den Peilkanten rechts und links das andere. Das wirkt keineswegs aufgesetzt, sondern harmonisch und wie aus einem Guss. So fährt sich der Everytimer auch: Der Sechszylinder klingt toll, schiebt jederzeit lässig an und hält sich ansonsten im Hintergrund. Schnell und sanft legt das damals einzige beim 135i lieferbare Doppelkupplungsgetriebe die Gänge genau zum richtigen Zeitpunkt ein. Bei hohen Geschwindigkeiten liegt das Retro-Cabrio ruhig und sicher, die Bremsen stoppen zuverlässig, einzig das Pedalgefühl wirkt etwas taub. Die Stoffverdeck-typischen Windgeräusche sind gut hörbar, eine Unterhaltung bei hoher Geschwindigkeit ist unter der dick gefütterten Mütze dennoch auch bei Autobahntempo möglich.
Der Vorteil eines modernen Autos ist auch die Sicherheit: Im Hintergrund wachen ABS, ESP und Traktionskontrolle über die Fahrzustände. Sollten Fahrer, Elektronik und Auto die Straße ausgehen, schützen sechs Airbags die Passagiere. Gegen Frost und Hitze helfen Klimaautomatik und Sitzheizung – heute selbstverständlich, zu 02-Zeiten noch nicht üblich.