25 Jahre Elektronisches Stabilitäts-Programm

Der ESP-Erfinder fährt A-Klasse

Mercedes-Benz brachte 1995 das ESP auf den Markt. Entwickelt von Bosch, rettete es bis heute Tausende Leben. Auch, weil es sich schneller verbreitet hat, als gedacht. Elch sei Dank.

25 Jahre ESP Foto: Daimler AG 12 Bilder

Zack, da lag die A-Klasse auf dem schwedischen Asphalt. Ausgehebelt von einem Ausweichmanöver, das als Elchtest bekannt werden sollte. Ein Routine-Manöver der schwedischen Zeitschrift Täknikens Värld hatte den Kompakten aus der Spur geworfen. Mit am Boden lag das Image von Mercedes-Benz. Die Marke wiegelte erst ab, so schnell und abrupt werde schon keiner lenken. Steuerte dann schnell um: Die Produktion wurde gestoppt, ESP nachgerüstet. Ein Glücksfall. Denn so blöd die Geschichte war, so gut reagierte Mercedes in der Krise, verkaufte danach Stoffelche – und jede Menge Autos mit dem Elektronischen Stabilitätsprogramm.

Audi rüstete nach

Audi TT Quattro Sport, Exterieur Foto: Achim Hartmann
Audi rüstete den ersten TT mit ESP und Spoiler nach.

Zwei Jahre später traf es Audi: Eine schwere Unfallserie mit dem Sportcoupé TT zwang den Hersteller, ESP und Spoiler nachzurüsten. Bei hohen Geschwindigkeiten und plötzlichen Lastwechseln neigte der erste TT zum Übersteuern. Zwei Beispiele, die letztlich geholfen haben, ESP in größere Serien zu bringen.

Anfangs gab es das elektronische Stabilitätsprogramm nur im Mercedes S600 Coupé serienmäßig. Später kamen die Limousine und der SL600 dazu. Für die V8-Modelle der S-Klasse und des SL gab es ESP gegen Aufpreis.

Seit November 2011 muss jedes neue Auto in Europa ESP haben. Eine Viertelmillion Systeme hat Bosch seit 1995 verkauft. Allein in der EU hat der Schleuderschutz nach Berechnungen der Bosch-Unfallforschung in den vergangenen 25 Jahren rund 15.000 Menschen das Leben gerettet und knapp eine halbe Million Unfälle mit Personenschaden verhindert.

Wie ESP funktioniert

Grundvoraussetzungen für das ESP waren Antiblockiersystem (ABS) und Antischlupfregelung (ASR). Ersteres verhindert sensorgesteuert ein Blockieren der Räder, zweiteres den umgekehrten Fall blockierender Räder. Was beide Systeme zum übergreifenden ESP zu verheiraten erlaubte, ist der Gierratensensor (siehe Video). Er misst die so genannte Gierrate, also die Bewegung des Autos um die Hochachse. Durch Vergleich mit dem Lenkwinkel lässt sich quasi die Schleuder-Neigung erkennen. 25-mal in der Sekunde gleichen Sensoren Fahrtrichtung und Lenkbewegung ab. Weicht das Auto vom eingeschlagenen Kurs ab, nimmt die Motorsteuerung Leistung weg, Bremseingriffe an einzelnen Rädern stabilisieren das Auto, bis Fahrtrichtung und Lenkbewegung wieder übereinstimmen. Das ESP ist also der ideale Assistent: Er hilft dem Fahrer, das Auto dorthin zu bringen, wo er hinsteuert.

Zum Verlassen der Fahrspur oder gar der Straße führen, wo gefährliche Hindernisse lauern oder ein Überschlag droht. Deshalb hat ESP so ein großes Sicherheitspotenzial, speziell auf Landstraßen. Zum Verlassen der Straße führen im Grunde zwei Fahrzustände: Untersteuern und Übersteuern (Röhrl: "Wenn Du den Baum siehst, ist es Untersteuern. Wenn Du ihn spürst, ist es Übersteuern"). Bei Untersteuern – das Auto schiebt über die Vorderachse aus der Kurve – erzeugen Bremsimpulse am kurveninneren Hinterrad ein Drehmoment, das den Radius verkleinert, das Auto kriegt die Kurve. Bei Übersteuern – für Laien die gefährlichere, weil schwerer beherrschbare Variante – bremsen Impulse am kurvenäußeren Vorderrad das Auto ab und erzeugen einen Impuls gegen die Drehbewegung. Das Auto bleibt auf der Straße.

Bremseingriffe stabilisieren SUV und Gespanne

Inzwischen hat ein modernes ESP noch mehr Funktionen drauf: Bremseingriffe stabilisieren hohe und schwere Fahrzeuge wie SUV, Transporter und Wohnmobile bei schnellen Ausweichmanövern. Einen schlingernden Anhänger erkennen die Sensoren ebenfalls, Bremsimpulse beruhigen das Gespann schneller und sicherer als es ein Fahrer könnte. Auch Motorräder bleiben inzwischen mit ESP besser beherrschbar. Und für die Rennstrecke lässt sich das Programm in einen toleranteren Modus schicken – oder manchmal ganz ausschalten. Wer das macht, sollte sich auf einer abgesperrten Strecke befinden und wissen, was er tut.