Eifel Classic 2011

Vier Räder und zehn Lehren

Bericht aus dem Cockpit: motor-klassik.de-Redakteur Kai Klauder fährt zum ersten Mal eine Oldtimerrallye.Was er als Novize bei der Eifel Classic erlebt, gibt es hier zu lesen.

Eifel Classic 2011, Tag 1, Hardy Mutschler Foto: Hardy Mutschler 20 Bilder

Nun ist es soweit, nachdem ich schon mehr als zehn Mal die Theorie der Rallye-Lehrgänge von Silvretta Classic, Sachsen Classic und Eifel Classic gehört habe, wird es in diesem Jahr, bei dieser Eifel Classic 2011 ernst. Ich sitze durch einen glücklichen Zufall auf dem Beifahrersitz eines Autos, das Rallye-Geschichte geschrieben hat. Naja, fast, es ist der kleine Bruders des Rallye-Helden Audi Quattro.

Dreisatz, die Tücken der Mechanik und Mittelmeer-Feeling in der Eifel

Zum Glück sitze ich neben einem erfahrenen Piloten: Ralph Alex, stellvertretender Chefredakteur von auto motor und sport. "Das wird ein reines Vergnügen, Hauptsache Ruhe bewahren und die Stoppuhren rechtzeitig drücken", sagt er vor dem Start, als wir beim Frühstück das Roadbook für die heutige Etappe durchgehen. Zu jeder Wertungsprüfung errechnen wir mit ein paar Anlaufschwierigkeiten in Sachen Dreisatz die erforderlichen Schnitte und ich notiere mir, wie ich die mechanischen Stoppuhren einstellen muss. Wir melden uns noch kurzfristig auf die Sanduhrklasse um, bei der nur mechanische Zeitmesser zugelassen sind. "Wenn schon, denn schon", denken wir uns. Und außerdem hat man dann ja immer noch eine Ausrede, denn wie wir alle wissen, sind mechanische Uhren ja immer etwas kapriziös - und nie ganz genau.

Gut vorbereitet geht es also zum Auto. Hier gilt es, sich ordentlich einzurichten: Sitze in halb entspannte, halb Konzentration fördernde Stellung gebracht, alle nötigen Dinge wie Wasser, Verpflegung, Notizblock, Bordkarte, Roadbook und die Beine verstauen. Dann lässt Ralph den Motor an und schon beruhige ich mich ein bisschen, denn die Muffe saust dann doch etwas. Aber sobald der Reihenfünfzylinder in seinen gleichmäßigen sonoren Leerlauf verfällt, normalisiert sich mein Blutdruck, denn die Erinnerungen an den Audi 100 Avant meiner Frau werden wach - an die große Urlaubsfahrt über die Route Napoleon auf der Reise nach Villefranche-sur-mer, ideal zwischen Monte Carlo und Nizza gelegen.

Ein Blick an den Himmel verstärkt die Erinnerungen. Doch halt - wir sind ja gar nicht am Mittelmeer, dieser fantastisch azurblau gefärbte Himmel gehört nicht an die Côte d'Azur, sondern dieses Mal zur Eifel. Bei rund 28 Grad Celsius rollen wir um 14.44 Uhr von der Startrampe. "Jetzt rechts?", fragt Ralph - und ich bin schlagartig wach. Schon nach 20 Metern merke ich, dass meine Antwort "Nein, gerade aus" noch nicht so innerlich überzeugt kommt, wie ich es gerne möchte. Jetzt aufgepasst, wir sind mittendrin im Rallyegeschehen. Doch schon nach den ersten drei Seiten im Roadbook merke ich, dass das Navigieren und Ansagen besser und besser - und überzeugender wird.

Jung gebliebener Ingolstädter

Der Quattro überrascht uns mit seinem komfortablen Fahrwerk und einer Geräuschlosigkeit, die man bei manchen aktuellen Autos vermisst. Hier klappert nix, alles wirkt straff und stabil wie bei einem Neuwagen. da vergisst man leicht, dass man in einem 24 Jahre alten Youngtimer unterwegs ist. Der Motor dreht turbinenartig hoch, es gibt kein spürbares Drehmomentloch und vor allem gibt es so gut wie keine Lastwechselreaktionen. "Nur bei den Bremsen und der Lenkung merkt man das Alter", diagnostiziert Ralph Alex.

Gelbes Schild mit "WP"-Aufschrift - Da war doch was!

Der erste Turn bis zur Zeitkontrolle 2 geht über 28,52 Kilometer. Bei dem Wetter und dieser herrlichen Aussicht muss ich mich zusammenreißen, um nicht Gedankenverloren aus dem Fenster zu schauen und die immer wieder unbekannt wirkende Eifel zu genießen. Über Welcherath, Drees, Nitz, Baar und ein paar weitere kleine Eifel-Dörfer geht es zum Waldsee Rieden. Hier reiche ich zum ersten Mal die Bordkarte mit der errechneten Ankunftszeit den gut gelaunten  Zeitnehmern. Nun stehen die bekannteren Ortsnamen im Roadbook: Wehr, Andernach, Burgbrohl. Burgbrohl? Da war doch was! Ja klar, die erste Wertungsprüfung (WP) des Tages auf dem Penny-Parkplatz. Nach der einfach aufgebauten WP, bei der 120 Meter in 25 Sekunden absolviert werden müssen, ist das Gefühl eigentlich recht gut. Einzig: Es trügt. Mit einer Abweichung von 1,74 Sekunden landen wir auf Platz 122. Da bleibt also noch viel Spielraum zur Steigerung.

Und tatsächlich, schon die zweite WP nach weiteren 13,5 Kilometer, läuft viel besser. Hier in Kempenich müssen wir eine Doppel-WP mit gemeinsamen Start und zwei Zielen meistern. Mit 1,02 und 0,25 Sekunden Abweichung landen wir hier in Kempenich auf Platz 63. Es folgen Rang 88 und Rang 79. "Die Geheime übernehme ich", sagt dann auf einmal mein Pilot. Ich frage mich noch "Was meint er jetzt damit", da sehe ich das grüne Schild, das die Geheimen Wertungsprüfungen ankündigt. Resultat hier: ein 22. Platz! Und auch bei der Königs-WP des Tages schneiden wir gut ab, die WP Nordschleife beenden wir als 44.

Und gerade, um 21.56 Uhr, läuft die Tageswertung auf meinem Handy per SMA ein: Gesamtrang 49 mit 644 Strafpunkten und 8. Der Klassenwertung. So kann es weitergehen. Mal sehen, wie es bei der morgigen Königsetappe läuft. In rund zehneinhalb Stunden stehen 403,96 Kilometer und zehn Wertungsprüfungen im Roadbook.

Die zehn Lehren des ersten Tage

  1. Die Koordination von zwei Händen, zwölf Fingern und nur einem Hirn ist manchmal schwieriger als gedacht
  2. Der Satz "ich bin ein schlechter Beifahrer" als Argument gegenüber meiner Frau, wenn sie fahren möchte (ich aber auch) bekommt eine neue Bedeutung. Mir wurde tatsächlich etwas übel, als ich Roadbook-studierend über die kleinen, verwinkelten, auf-und-abgehenden Eifelstraßen beifuhr
  3. Die Eifel ist immer für Überraschungen und Wetterkapriolen gut -  diesmal auf äußerst positive Art
  4. Eine Sekunde ist manchmal länger und manchmal auch etwas kürzer als gedacht und gezählt
  5. Die Nordschleife will schneller gefahren werden, als der maximal erlaubte Schnitt von 90 km/h
  6. Auch eine Ente kann die Eifel Classic meistern, wie Pilotin Katharina und ihr Vater Franz-Josef Haas bewiesen, die auf Gesamtrang 110 liegen
  7. Auch ein Porsche 911 kann zu weich für die Nordschleife sein, wie Hans Brückmann beklagt, der einen Porsche 911 S von 1974 fährt
  8. Chinesenzeichen sehen erschreckender aus, als sie sind
  9. Der Audi Quattro ist ein tolles Auto - und dank der vier Sitze kann ich ihn vielleicht auch meiner Frau schmackhaft machen - quasi als legitimer Nachfolger ihres geliebten Audi 100 Avant, den wir vor Jahren zu Gunsten eines Mercedes 124 T-Modells opfern mussten
  10. Mehr Nordschleife!