E-Silvretta für Elektroautos

Cockpiterlebnisse bei der Silvretta E-Auto-Rallye

Röhrend donnert der letzte Oldtimer von der Startrampe in Partenen, noch einmal bebt das Zwerchfell vom Bass eines V8. Dann ist Stille am Start, obwohl weitere 25 Elektro-Autos mit aktivierten Motoren nervös auf ihren Start warten.

Silvretta E-Auto 2010, Elektroauto, E-Auto, Mercedes SLS AMG E-Cell, Audi E-Tron, Tesla Roadster Foto: Achim Hartmann 26 Bilder

In fetten roten Lettern signalisiert die offizielle Uhr 11:49 Uhr. Noch eine Minute, dann erlebt die Silvretta-Rallye ihre Premiere in e: Von der Vergangenheit des Automobils direkt in die elektrische Zukunft. Als erster surrt ein weißer VW Golf Blue e-motion auf die Rampe.

VW E-Golf bei der Silvretta E-Auto am Start

Die Flagge fällt und vor dem VW E-Golf liegt die erste, 62 Kilometer lange Etappe nach Bludenz. Eine leichte Übung für seine im Heck verstauten Lithium-Ionen-Batterien. 150 km soll ihr Strom problemlos fließen. Und die Bedingungen sind äußerst günstig. Bei 30 Grad und strahlend blauem Himmel wirken temperaturbedingte Kapazitätsprobleme so fern wie das Eiskratzen an der Frontscheibe. Keiner der Teilnehmer macht sich ernsthaft Sorgen über die Reichweite. Dafür saugen das Roadbook und die zwei Stoppuhren die ganze Aufmerksamkeit ab.

Die Elektroauto-Rallye ist nicht nur eine Premiere für die Stromer, sondern auch für viele Piloten und Beifahrer, die zum ersten Mal eine solche Gleichmäßigkeitsprüfung mitmachen. Wie schnell man auf der Strecke fährt, spielt nämlich fast keine Rolle. Dafür müssen in bestimmten Prüfungsabschnitten Sollzeiten auf die Hundertstelsekunde genau eingehalten werden.
Nicht die Beherrschung im Grenzbereich entscheidet über die Platzierung, sondern taktgenaues Herunterzählen, exakte Zeit-Berechnungen und ein äußerst gefühlvoller Umgang mit dem Leistungsfuß. Und der lässt sich bei E-Autos viel sensibler regulieren als bei einem Verbrenner.

Bremsrekuperation sorgt im E-Mini für starke Verzögerung

Jedoch sollte man die Rechnung nicht ohne die Bremsrekuperation machen. Wer zum Beispiel beim E-Mini zügig vom Gas geht, erlebt eine Verzögerung wie sie die ganz frühen VW Käfer bei einer Vollbremsung kaum besser schafften. Das kann einem eine kurze Zeitprüfung schon mal ganz schön verhageln. Da muss der Fahrer seinen Stromfuß trainieren wie ein Carrerabahn-Spieler seinen Drücker-Daumen. Die kommende Elektromobilität erwartet eben auch von ihren Fahrern einen Lernprozeß. Dem Spaß an der Rallye schadet das nicht. Die Laune bleibt prächtig, selbst wenn österreichische Verkehrsschilder manchmal ihre Tücken haben: "Äh, vor einem Kilometer hätten wir rechts gemusst."

Lautloses Dahingleiten in den E-Autos bei der Silvretta

Ein Wagen nach dem anderen rollt bei der Silvretta E-Auto durch die eindrucksvolle Bergwelt. Vom Einsitzer Cityel-Li, über den supersportlichen Mercedes SLS AMG E-Cell bis zum Brennstoffzellen-Pionier FCX Clarity von Honda. Auf der Strecke sind sie alle gleich, denn nur für Leistung und Technikaufwand gibt es hier keine Punkte. Dafür aber den Applaus des am Straßenrand stehenden Publikums, das staunend der leisen Zukunft hinterherschaut.

Das extrem geräuscharme Dahingleiten entwickelt in den Bergen was Meditatives. So betörend gute Verbrennungsmotoren klingen mögen, hier in den Bergen kommt nicht einmal Sehnsucht nach dem automobilen Status quo auf. Nur hat das keiner den Kühen gesagt, die auf der Bergetappe die scheinbar unendlich gewundenen Silvretta Hochalpenstraße hinauf glockenläutend den Scheitelpunkt der Kurve blockieren. Schreckt das Nutzvieh bei so manchem unflätig aus allen Rohren trompetendem Oldtimer noch auf, interessiert es die Elektro-Zunft so sehr wie eine Schmeißfliege auf dem Rücken. Glockenläuten, Muhen und Sirren ergeben zudem eine äußerst illustre Klangkulisse.

Tesla Roadster, E-Mini und Co. tanken während der Abfahrt

Doch nicht nur mutige Milchproduzenten und die sommerliche Hitze treiben den Fahrern die Schweißperlen auf die Stirn: So lange es bergauf geht, sinkt die die Ladezustandsanzeige der Akkus in unerfreulichem Tempo. Doch einmal oben, wischt man sich den Schweiß davon und freut sich auf die Abfahrt, bei der zum Beispiel ein Tesla Roadster oder E-Mini bis über 40 Kilowatt wieder in die Batterie hineinschaufeln. Von 60 Prozent Akkufüllung auf 75 in 1.000 Höhenmetern Gefälle. Die alpine Art des Nachladens.

Auf einer Wertungsprüfung steht plötzlich "Motor aus". Die erforderliche Sollzeit soll rollend erreicht werden. Aber was heißt bei einem E-Motor schon aus – und wie sollen es die Streckenposten kontrollieren wenn da nichts brummt? Und was hilft das alles, wenn die Lichtschranke schon vorbei ist, die Zeit aber nicht? Haben die anderen dieselben Probleme?
Haben sie, und so werden unten im Ziel Partenen oder Schruns fröhlich e-motionale Erlebnisse ausgetauscht. Während im großen Versorgungszelt die Stromer wieder an armdicken Leitungen die Elektronen der dort ansässigen Illwerke nuckeln, plaudern Entwicklungschef von Audi, Mercedes, Mini, Mitsubishi, Toyota und Volkswagen munter miteinander.

In zwei Dingen sind sich dabei alle einig: Es macht einen unglaublichen Spaß, durch die Berge zu stromern und die Etappen hätten ruhig länger sein können. Die Akkus können das schließlich.