Dodge Challenger, Ford Mustang, Pontiac Firebird
Drei Muscle-Cars im Vergleich
Franz-Peter Hudek erfüllte sich 2006 einen langgehegten Traum – und lud drei Muscle-Cars mit insgesamt 920 SAE-PS zum Vergleich: Dodge Challenger R/T 440 Magnum, Ford Mustang Mach 1 351 und Pontiac Firebird Trans Am 455 H.O.
15.08.2014 Franz-Peter HudekSchnell, schrill und unkompliziert. Dank bulliger V8-Motoren beschleunigen die drei Muscle Cars wie Saturnraketen – genauso schießen derzeit ihre Klassikerpreise in die Höhe. Ein Take Off mit 920 SAE-PS.
Die Frage, was denn alles zu einem richtigen Muscle Car gehören würde, beantwortet Samuel Schneeberger auf Schweizer Art – ohne Worte. Er fährt seinen grünen Dodge Challenger R/T bis an das Ende des nur 395 Meter langen Rollfelds, wendet in einem weiten Bogen, beschleunigt im geruhsamen Tempo bis auf etwa 40 km/h und gibt plötzlich Vollgas. Jetzt tanzt das schwere Coupé trotz seiner dicken 285er-Hinterreifen für einige Sekunden einen heißen Twist. Schrilles Reifenpfeifen und das metallischharte Röhren der 7,2-Liter-Maschine liefern hierzu die musikalische Begleitung und sagen mehr als 1.000 Worte: Oh ja, der Wagen hat Muskeln.
Wir befinden uns auf der Flying Ranch in Triengen, Kanton Luzern, Bezirk Sursee. Der kleine, hübsch gelegene Privat-Flugplatz des Schweizer Kunstflugmeisters Bruno Müller erhält stellenweise einen neuen Gummibelag. Neben dem Dodge Challenger R/T 440 Magnum zeigen noch ein Ford Mustang Mach 1 351 sowie ein Pontiac Firebird Trans Am 450 H.O. ihre Begabungen als Schwarzmaler.
Dabei treten sie so bunt und knallig auf wie Jefferson Airplane auf ihren Platten-Covern. Die Muscle Cars aus den frühen Siebzigern sind stilechte Automobil- und zugleich knallbunte Pop-Art-Ikonen, deren Farbdesign von Andy Warhol stammen könnte.
Auch die derzeitigen US-Preise für gebrauchte Muscle Cars erinnern stark an Pop-Art-Originale von Robert Rauschenberg oder Roy Lichtenstein und bewegen sich bereits bei gut erhaltenen Standardvarianten zwischen 100.000 und 200.000 Dollar. Den Vogel schoss ein Plymouth Hemi ‘Cuda Cabrio von 1970 ab, das im Januar 2006 auf einer Barrett-Jackson-Auktion 2,2 Millionen Dollar erzielte.
Der aktuelle US-Run auf die Muscle Cars spiegelt die Sehnsucht nach den guten, alten Zeiten vor Toyota Prius und Terror-Tagen wider. Damals – vor rund 35 Jahren – durfte man in den USA noch offen und ehrlich zeigen, welche Benzinfresser man unter der Haube hatte.
Auch unsere drei Coupés aus der Schweiz wirken nicht gerade untermotorisiert: 440 Cubic Inches (7,2 Liter) und 375 SAE-PS beim Dodge, 351 Cui (5,8 Liter) und 285 SAE-PS beim Ford sowie 455 Cui (7,5 Liter) und 335 SAE-PS beim Pontiac. Hinzu kommen verchromte „Rallye“-Räder, Rallye-Streifen auf den Flanken und auf der Wagen- Oberseite, diverse Spoiler, Doppelrohr- Auspuff sowie offene Ansaugschlünde für die Vierfach-Vergaser.
Jeder der drei großen Autogiganten – Chrysler mit Dodge und Plymouth, Ford mit Mercury sowie General Motors mit Chevrolet, Buick, Oldsmobile und Pontiac – hatten seit Beginn der 60er Jahre entsprechende Sportmodelle im Programm, die sich in drei Disziplinen einen regelrechten Krieg lieferten: Hubraum, Leistung und die Beschleunigungszeit über die Viertelmeile (402,3 Meter), die deutlich unter 15 Sekunden liegen sollte. Später beteiligte sich noch American Motors mit dem AMX und Javelin am Kräftemessen.
Welcher der amerikanischen Autokonzerne mit welchem Modell die Ära der Muscle Cars einleitete, ist schwer zu ergründen und oft eine Glaubensfrage: General Motors mit dem Chevrolet Bel Air Z11 von 1962? Chrysler mit dem Plymouth Savoy 426-S von 1964? Oder Ford mit dem Galaxie 500 XL 406 von 1962? Fest steht dagegen: Muscle Cars – oder Super Cars, wie sie zuerst hießen – sind fast immer Coupés oder Cabrios von mittlerer Größe (Intermediate Car), die Ende der 60er Jahre jedoch bis zu 5,2 Meter lang sein konnten.
Ihre in großen Stückzahlen verkauften Basisversionen verfügten fast immer über einen schmalbrüstigen Reihen-Sechszylinder, während die potenten V8-Machinen nur den raren Sportversionen vorbehalten waren. Typische Modelle dieser Klasse sind Pontiac GTO und Dodge Charger R/T.
Deutlich kürzere und damit leichtere Pony Cars wie Challenger, Firebird oder Mustang eigneten sich besonders gut als Basis für Muscle Cars, deren Fahrwerk, Getriebe, Achsen mitsamt kurzer Untersetzung sowie Bremsen der Mehrleistung angepasst wurden. Womit wir uns wieder auf dem Flugplatz von Triengen befinden – ready for Take Off.
Wir beginnen mit dem Challenger R/T 440 Magnum und fühlen uns hinter dem Lenkrad mit den Metallspeichen sofort wie Kowalski, dargestellt von Barry Newman, der vergeblich den Fluchtpunkt San Francisco ansteuerte. Kowalski saß stets aufrecht, oft sogar gebückt in seinem weißen Challenger. Jetzt wissen wir, warum: Das groß geratene Lenkrad ist aus heutiger Sicht etwas tief montiert. Hinzu kommt eine aufrechte Sitzposition, sodass die fast doppelbettgroße Motorhaube bestens im Blickfeld liegt – und natürlich auch die schwarze, direkt auf dem Vergaser sitzende Lufthutze. Die Hutzen heißen Shaker, weil sie und der Motor im Standgas leicht vor sich hinschütteln.
Mit einem scheppernden Geräusch klatscht die extrabreite Tür in die Karosserieöffnung. Ihre Kunststoff-Innenverkleidung hat die Ausmaße einer Styroporverpackung für einen Röhren-TV. Und die verbalen Funktionshinweise der Heizung scheinen aus einem Etikettiergerät zu stammen. Wer im Dodge das Ambiente eines Bentley Arnage erwartet, wird enttäuscht. Kenner entdecken jedoch die Komplettinstrumentierung mit Drehzahlmesser und den Pistol Grip des Viergang-Schaltgetriebes. Beides war dem braven Basis-Challenger mit 145 SAE-PS starkem Reihensechszylinder natürlich vorenthalten.
Im Dodge wirken die Landstraßen des Surentals erschreckend schmal – aber es geht, sogar ganz gut. Das große Coupé besitzt brave Alltagsmanieren: Geradeauslauf, Lenkpräzision und die geschmeidige Gasannahme der Großkolbenmaschine sind für ein 36 Jahre altes Sport-Coupé mehr als akzeptabel. Auch das ist typisch für ein Muscle Car: Spazierenfahren bis hin zum Cruising for Burgers übersteht es klaglos.
Der Pontiac Firebird Trans Am 455 H.O. wirkt im direkten Vergleich zu Challenger und Mustang deutlich moderner. Er verzichtet auf das breite Kühlluftfressermaul und bietet innen eine auch heute noch überzeugende Ergonomie. So fällt das perfekt positionierte Lederlenkrad klein und knuffig aus. Trotz der niedrigen Sitzposition ist der Blick auf Motorhaube, Shaker-Hutze und Straße gut,weil das Kunststoff-Instrumentenbrett wenig Raum beansprucht und sogar mit poliertem Aluminium glänzt.
Die vier Gänge lassen sich mit dem T-Bar-Schalthebel butterweich und präzise wechseln. Ganz erstaunlich, zerren doch an dessen Zahnrädern 335 SAE-PS und 556 Newtonmeter bei 3.200/min. Dass sich der Pontiac am kurvenwilligsten von allen drei erweist, liegt nicht nur an den breiten Reifen und der vom Besitzer gegenüber dem Serienmodell um 40 Millimeter abgesenkten Karosserie, sondern auch am relativ geringen Motorgewicht. Der Big-Block-Zuschlag beträgt für die Trans-Am-Vorderachse nur sieben Kilogramm, während es beim Dodge rund 70 Kilogramm sind.
Sitzt Trans-Am-Besitzer Roger Bolliger am Steuer, dann lässt er den 1,6-Tonnen-Brocken so vehement durch Kurven und über Kuppen brettern, als säßen wir in einer 1300er-Alpine. Deutlich mehr Bein- und Ellenbogenfreiheit, das Donnergrollen das V8-Motors und der beim Gasgeben nach rechts kippende Shaker-Luftsammler sind jedoch eindeutige Indizien für ein Muscle Car.
Die besitzt auch der 71er Ford Mustang Mach 1 von Rolf Hofer – sogar schon im Stehen. Die rote Rakete mit mattschwarzer Motorhaube, Heckspoiler und Schuppenjalousie wirkt wie ein mit D&W-Zierrat aufgemotzter Capri. Alle Anbauteile sind jedoch originale Werksoptionen.
Die große Mustang-Generation von 1971 kennzeichnet außerdem das wohl schrägste Fastback aller Zeiten, das sich um gerade mal 14 Grad neigt, fast schon wie ein Kombi aussieht und im Mustang- Jargon Sportsroof heißt. Es besitzt einen kleinen Kofferraumdeckel mit Durchreiche in den dunklen, höhlenartigen Fond. Daneben bot Ford noch ein Hardtop genanntes Stufenheck-Coupé und ein Cabrio. Den Mach 1 gab es nur in der Sportsroof-Version, serienmäßig kam 351 cui (5,8 Liter) große Cleveland- V8 mit 285 SAE-PS zum Einsatz.
Der Fahrer schaut durch eine niedrige Windschutzscheibe auf die schwarze Motorhaube und ganz weit da vorn noch auf einen Flecken Straße. Der sich nach oben ausbreitende Kunststoff-Instrumententräger engt das Blickeld zusätzlich ein. Die großen runden Uhren blicken ehrfürchtig von unten herauf den mutigen Lenker an. Ein nahezu identisches Innendesign findet sich in der Corvette C3 und im deutschen Ford Taunus von 1970 – sicher kein Zufall.
Dann natürlich die wie ein Magengeschwür brennende Frage: Reichen denn 5,8 Liter Hubraum aus, um in der Muscle- Car-Liga mitzuspielen? Ganz eindeutig ja – denn der Mach1 wiegt nur schlanke 1.435 Kilogramm und verfügt über das gigantische Drehmoment von 520 Newtonmeter bei 3.400/min. Mit Hilfe seines eng gestuften Viergang-Schaltgetriebes sprintet der rote Riese in 7,5 Sekunden von null auf 100 km/h und erzeugt dabei einen brachialen V8-Sound mit Nachhalleffekt, der aus dem dunklen Kohlenkeller des Kombihecks kommt. Vielen Dank, es reicht.
Trotz seiner farbenfrohen Optik ist der rote Mustang Mach 1 ein tragischer Held. Unter seiner ausladenden Motorhaube sollte auch in Zukunft der auf Wunsch lieferbare 429 Cui (7,1-Liter)- Motor passen, ohne dass der Fahrer wie bei den Vorgängermodellen aus Platzgründen auf die Servolenkung verzichten musste. Doch der 71er Mach 1 war der letzte Mustang, den Ford mit einem Big-Block-Motor auslieferte.
Das Gleiche galt 1971 für den Dodge Challenger R/T, während Pontiac mit dem Big-Block-Trans Am sogar bis 1979 durchhielt, dessen 6,6-Litermotor nur noch 180 DIN-PS leistete. Veschärfte Umweltauflagen, hohe Vesicherungstarife und Benzinpreise setzten ab 1972 der Muscle-Car-Ära ein jähes Ende. They never come back – das macht sie heute auch wegen ihres unverfroren-optimistischen Auftritts so wertvoll.