De Tomaso Pantera Gruppe 4

Unbekannter Werksrennwagen

Eigentlich fand De-Tomaso-Experte Marcel Schaub den ihm angebotenen Pantera ziemlich daneben. Doch dann entdeckte er, dass es sich um einen seltenen De Tomaso Pantera Gruppe-4-Werksrennwagen handelt, und kaufte ihn. Hier die ganze spannende Geschichte.

De Tomaso Pantera GR. 4, Seitenansicht, Marcel Schaub Foto: Karl-Heinz Augustin 30 Bilder

Wie immer versuchte Marcel Schaub, als er sich für den in Deutschland angebotenen De Tomaso Pantera GT5 interessierte, bereits am Telefon die wichtigsten Infos einzuholen. Er wusste inzwischen, dass das rote Coupé mit einem Siebenliter-V8 von Chevrolet anstelle des kleineren originalen Ford-Motors ausgestattet war.

Versteifende Löcher geben erste Anhaltspunkte

Als der Händler am Telefon auch noch erwähnte, der Wagen habe „so seltsame Löcher in den Türschwellern“, hätte dies für Schaub eigentlich ein weiterer Grund sein müssen, auf diesen De Tomaso Pantera zu verzichten. Doch der Schweizer Automobilexperte und Besitzer einer freien Werkstatt für exklusive Sportwagen-Klassiker war über diese Nachricht hoch erfreut.

Er besichtigte den De Tomaso Pantera, fand noch mehr Löcher und kaufte ihn vom Platz weg. Natürlich handelte es sich nicht um Rost-, sondern um regelmäßig angebrachte Verstärkungslöcher, wie sie im Rennsport schon lange üblich sind. Weil deren Ränder nach innen aufgebördelt sind, spart man nicht nur Gewicht, sondern versteift auch die entsprechend präparierten Karosseriepartien.

Weitere Indizien wie der von links nach rechts versetzte Tankeinfüllstutzen, Front- und Heckhauben aus Aluminium sowie die improvisiert ein geschlagene Fahrwerksnummer führten zu dem eindeutigen Befund: Dieser De Tomaso Pantera von 1980 mit später eingepflanzter Chevy-Maschine ist einer von 14 im Werk auf gebauten Gruppe- 4-Rennwagen mit der ursprünglichen Chassisnummer 2263, die jedoch irgendwann in 8263 umgewandelt und neu angebracht wurde.

Gastauftritt in sport auto

Jetzt parkt dieser seltsame Chevy-Pantera, der tatsächlich mal ein Rennwagen war, vor der Garage seines neuen stolzen Besitzers. Schaub zeigt uns die verräterischen Löcher und den gigantischen Chevy-V8, für dessen Einbau die Motorhalterungen nach hinten versetzt wurden. „Eigentlich müssten sie den Wagen sogar kennen“, verblüfft uns sein Besitzer während der Besichtigung. „Er war 1986 auf acht Seiten in sport auto, wo er mit seinen 500 PS und dem riesigen Heckflügel viel Aufsehen erregte.“ Den und noch einen kleineren Dachspoiler hat Schaub bei seinem De Tomaso Pantera jedoch sofort abgeschraubt.

Auf einem Tisch im hellen Wintergarten liegen bereits die wichtigsten Unterlagen und Dokumente, mit deren Hilfe uns der De-Tomaso-Experte über die Herkunft seines Fundstücks aufklären möchte. Und es wird eine wirklich fast unglaubliche Geschichte, die damit beginnt, „dass der ziemlich bekannte Schweizer Rennfahrer Herbert Müller bei De Tomaso einen der neuen Gruppe-4-Pantera bestellte“.

Müller wollte darin 1972 bei den 24 Stunden von Le Mans in der GT-Klasse gegen Corvette, Ferrari und Porsche antreten. Das Rennklassement der Gruppe 4 ermöglichte tief greifende Veränderungen gegenüber dem Serienmodell wie breitere Räder und Radhäuser, Chassis-Modifikationen, verstärkte Bremsen und Getriebe sowie klassisches Motortuning ohne Aufladung. Leistung dieses De Tomaso Pantera: etwa 350 PS.

302 km/h auf der Hunaudières!

Rennfahrer Müller, so berichtet Schaub, erhielt aus Zeitgründen nicht das für ihn vorgesehene De Tomaso Pantera Coupé, sondern das bereits fertiggestellte Presse-Präsentationsauto mit der Chassisnummer 2263. Damit erzielte der erfahrene Sportwagen-Pilot während der Le-Mans-Vorqualifikation im März 1972 wahre Fabelzeiten. Müllers Pantera war schneller als die gesamte GT-Konkurrenz und rannte unglaubliche 302 km/h auf der legendären Hunaudières-Geraden – ohne die vom Reglement noch nicht zugelassenen Front- und Heckspoiler.

In Modena sei man davon begeistert gewesen, erzählt Schaub und zeigt uns eine De-Tomaso-Anzeige, die mit Müllers Rundenrekord in Le Mans für den neuen Gruppe-4-Pantera warb. Doch zum Einsatz beim 24-Stunden-Rennen kommt es nicht.

Unfall und Schicksal als Teilespender

Vorher fanden die 1.000 Kilometer von Monza statt, die Müller mit seinem 2263-Pantera bestritt. Im Regenrennen führte der De Tomaso Pantera in der GT-Klasse, schied jedoch nach einem Unfall mit Blechschaden und defekter Radaufhängung vorne rechts aus.

Wir lesen in der Fotokopie eines Briefes, in dem der Rennfahrer den Hergang des Unfalls schildert; ein gewisser Leandro Terra habe seinen Ferrari Dino 206 S „ohne jeglichen Grund plötzlich nach links, mir genau brüsk vor den Pantera“, gelenkt. Damit war auch schon die kurze Rennkarriere von 2263 beendet. „Der De Tomaso Pantera wurde zurück ins Werk gebracht, aber nicht repariert, sondern als Ersatzteillager genutzt“, berichtet sein jetziger Besitzer. Fotos aus dem Jahr 1979 zeigen die notdürftig abgedeckte Karosserie ohne Räder. Darauf eindeutig zu sehen: die Startnummer 41, mit der Müller in Monza sieben Jahre zuvor unterwegs war.

Auferstanden aus Ruinen

Ende 1979 entschloss man sich bei De Tomaso, aus dem einstigen Gruppe-4-Renner wieder ein Straßenauto zu bauen. Die Arbeit übernahm die noch heute existierende Karrosseriefirma Europa in Modena. Schaub zeigt uns eine an De Tomaso gerichtete Rechnung vom 8. Mai 1980 über einen „Vettura Pantera 8263 Gr4 rossa“. Es ist das Ex-Müller-Auto, dessen erste Ziffer der Chassisnummer in eine Acht geändert wurde. Als weiteren Beleg zeigt uns Schaub die Arbeitsmappe für den Wiederaufbau seines De Tomaso Pantera, die außen den handschriftlichen Vermerk „ex Müller“ trägt.

Mit neuer Technik, neuem Interieur, Klimaanlage und einigen Karosserieretuschen kam der einstige Rennwagen schließlich nach Stuttgart, wo er am 8. Oktober 1980 als De Tomaso Pantera GT4 an den damaligen Importeur Armin Fischer in die Plieninger Straße ausgeliefert wurde. Nicht als Neuwagen, sondern als Vorführfahrzeug, für das De Tomaso relativ bescheidene 35.500 Mark in Rechnung stellte. Der Verkaufspreis dürfte ungefähr doppelt so hoch gewesen sein.

Es gibt nur 14 Gruppe-4-Pantera

Der De Tomaso Pantera hatte in Deutschland mehrere Besitzer. Einer von ihnen ließ sich bei Supervettes in Neu-Isenburg den Chevy-V8 einbauen. Außerdem passte man das Coupé mit einer Rundum-Bespoilerung an den aufgedonnerten Pantera-GT5-Look an, in dem Schaub schließlich den Wagen erstanden hat.

Selbstverständlich wird der jetzige Besitzer seinen De Tomaso Pantera in den schlanken, rotschwarzen Urzustand von 1972 mit dazu passendem Ford-V8 zurückversetzen. Ein Matching Numbers Car dürfte schwierig werden, trotzdem ist die Freude groß: „Es gibt insgesamt nur 14 Gruppe-4-Pantera, die bei Sammlern hoch im Kurs stehen – und einer von ihnen gehört mir.“