CTA-Arsenal

Erfolglosester GP-Rennwagen aller Zeiten

Seit 1947 wartet der CTA-Arsenal darauf, wenigstens einmal die Startlinie eines Rennens zu überqueren. Zwei deutsche Experten haben es nun geschafft, die komplizierte Technik des französischen Grand-Prix-Rennwagens zum Laufen zu bringen - die Chancen für einen Einsatz dieses Jahr stehen gut.

CTA-Arsenal, Hans-Jörg Götzl, Impression, Rennstrecke Foto: Arturo Rivas 32 Bilder

Zu den bekanntesten Rennfahrerweisheiten gehört der Spruch, man müsse, um Erster zu werden, zuerst einmal das Rennen beenden. Beim französischen CTA-Arsenal sollten wir die Ansprüche ein wenig zurückschrauben und uns nur wünschen, dass er irgendwann einmal wenigstens die Startlinie überquert – das hat der 1,5-Liter-Grand-Prix-Rennwagen von 1947 nämlich bislang noch nie geschafft.

Desaster bei der Premiere in Lyon

Schon das Debüt des CTA-Arsenal beim Großen Preis von Frankreich am 21. September in Lyon war ein einziges Desaster: Nach dem Zeittraining fand sich Raymond Sommer auf dem 13. Startplatz wieder, rund eine halbe Minute hinter der Pole-Position. Als sich die Startflagge hob, kollabierte die Kupplung und rückte dann schlagartig ein, wodurch eine Halbwelle abriss. Testfahrten in Montlhéry hatten zudem zuvor ergeben, dass der Monoposto bei Höchstgeschwindigkeit (260 km/h) nicht mehr geradeaus fuhr.

Das Centre d'Etudes Techniques de l'Automobile et du Cycle (CTA), das französische Entwicklungszentrum für Automobil- und Zweiradtechnik also, ließ sich nicht beirren und baute für den Grand Prix 1948 in Reims einen zweiten Wagen, den Eugene Martin neben Raymond Sommer fahren sollte. Doch schon im Training zeichnete sich ab, dass die Autos erneut ohne den Hauch einer Chance wären, und sie wurden zurückgezogen. Danach verschwanden die CTA-Arsenal (der Beiname "Arsenal" stammt von dem Zeughaus in Châtillion bei Paris, in dem die Autos gebaut wurden) für viele Jahre in einer Ecke des Talbot-Werks in Suresnes.

Debakel für den französischen Nationalrennwagen

Es war ein ziemlich unrühmliches Ende für den Traum, einen französischen Nationalrennwagen zu bauen, der nach dem Willen seiner Erbauer so erfolgreich werden sollte wie die deutschen Silberpfeile vor dem Krieg. Doch die Probleme des vom Staat finanzierten CTA-Arsenal waren selbst für Nichtfachleuchte leicht ersichtlich: Das Auto war zu schwer, der Schwerpunkt lag zu hoch, und die Technik war unfassbar kompliziert. Ein Albtraum.

Verantwortlich dafür war im Wesentlichen Albert Lory, der einst den 1,5-Liter-Reihenachtzylinder des Delage-Rennwagens konstruiert hatte, der 1927 fünf Grand-Prix-Siege einfuhr und den Weltmeistertitel feierte. Doch Lory hatte sich zwischenzeitlich der Luftfahrttechnik zugewandt - und vielleicht deshalb für den CTA-Arsenal einen Antrieb gezeichnet, der an komplizierten Details kaum zu überbieten ist.

Als Kraftquelle des CTA-Arsenal dient gemäß der damals gültigen Rennformel ein 1,5-Liter-V8 mit 90-Grad-Bankwinkel und einer flachen 180-Grad-Kurbelwelle (wie auch beim Alfa T33 oder Ferrari 328), der von zwei Roots-Kompressoren (Zweistufen-Aufladung) und einem davor angebrachten 52er-Solex-Vergaser beatmet wird. So weit, so vergleichsweise normal.

Jede Zylinderbank hat einen eigenen Kühlkreislauf

Weniger normal ist, dass beim CTA-Arsenal jede Zylinderbank einen eigenen Kühlkreislauf mit Wasserpumpe und Kühler besitzt - und dass nicht nur die Auslasskanäle, sondern auch deren Ventilführungen gekühlt werden. Oder dass die zwei obenliegenden Nockenwellen je Bank von einer Zahnradkaskade in Rotation versetzt werden, die an ein mechanisches Uhrwerk erinnert (siehe Foto rechts oben). Oder dass für den nötigen Benzindruck eine Sieben-Kolben-Pumpe zuständig ist, deren Kolben von einer Taumelscheibe bewegt werden und die aus 150 (!) Einzelteilen besteht.

Machen wir weiter beim Vierganggetriebe des CTA-Arsenal, das an der Hinterachse befestigt ist (Transaxle): Für möglichst geringen Reibungsverlust konstruierte Lory ein schwer zu schaltendes Zahnrad-Schiebegetriebe und rüstete es zur Vermeidung von Planschverlusten mit einer Trockensumpfschmierung aus.

Unglaublicher Aufwand beim Fahrwerk

Der konstruktive Overkill machte auch vor dem Fahrwerk des CTA-Arsenal nicht halt: Jedes der vier einzeln aufgehängten Räder wird vertikal in Schwalbenschwanzführungen geführt, gefedert wird mit Torsionsstäben. Unglaublich: Die zusätzlich zu den mechanischen Reibdämpfern montierten hydraulischen Dämpfer sind in Zug- und Druckstufe einstellbar und haben ein Druckreservoir – wir reden hier immer noch von einem Rennwagen aus dem Jahr 1947.

Im Grunde ist jede Baugruppe am CTA-Arsenal unfassbar kompliziert konstruiert, Reparaturen oder Wartungsarbeiten bringen jeden Mechaniker zur Verzweiflung: Zum Wechseln der hinteren Bremsbeläge beispielsweise müssen zunächst die Antriebswellen raus und dann die halbe Radaufhängung zerlegt werden.

Nur noch ein Exemplar ist bekannt

Kein Wunder also, dass sich jahrzehntelang niemand an die einstigen französischen Nationalrennwagen CTA-Arsenal herantraute, ein Exemplar verschwand gar im Laufe der Zeit und gilt heute als verschollen. Das andere aber gelangte über einige Sammlungen in den 90er-Jahren nach Deutschland – und dort zu dem vielleicht einzigen Menschen auf diesem Planeten, der die Konstruktion zum Laufen bringen konnte.

"Ich wollte einfach die beiden erfolglosesten Grand-Prix-Rennwagen aller Zeiten haben, und den OSCA 4500 G hatte ich schon", sagt Eckhart Berg mit dem ihm eigenen trockenen Humor. Der Westfale hatte einige Jahre zuvor bereits einem der Delage-Achtzylinder von 1927 wieder auf die Sprünge geholfen – er gehört zu der Handvoll absoluter Spezialisten, die meist eher im Verborgenen werkeln und einen V12 noch vor dem Frühstück verarzten.

Bei näherer Beschäftigung mit dem CTA-Arsenal aber mussten selbst Berg und sein langjähriger Mitarbeiter Ingo Grimm trocken schlucken. "An dem Auto ist alles so kompliziert wie möglich, es gibt nichts, was man ,mal eben' machen kann", erklärt Ingo Grimm. "Bei dem Werkzeug, das wir für den CTA verwenden, gibt es keinen Schlüssel, der nicht angepasst werden musste, weil alles so eng zugeht."

Rund 600 Stehbolzen

Erschwerend kommt hinzu, dass die beiden einen Qualitätsanspruch haben, der sich mit "penibel" nur unzureichend beschreiben lässt: Wenn Eckhart Berg einen Motor gemacht hat und der etwa beim Nockenwellenkasten über eine Reihe Stehbolzen verfügt, dann ragen diese auf den Zehntelmillimeter genau gleich weit heraus. Der CTA-Arsenal-V8 hat übrigens rund 600 Stehbolzen, von denen gut 500 in Wasser oder Öl enden und eingeklebt werden müssen.

Bei manchen Details des CTA-Arsenal blieb Berg denn auch nichts anders übrig, als tief in Lorys Konstruktion einzugreifen: Die sechs Hauptlager der Kurbelwelle etwa besaßen ursprünglich Rollenlager mit 80 mm Durchmesser, so was stellt heute niemand mehr her - jedenfalls nicht drehzahlfest bis 9000/min. Einzige Lösung: Umbau auf Gleitlager.

Zehnscheiben-Trockenkupplung

Die Zehnscheiben-Trockenkupplung des CTA-Arsenal konnte so nicht wirklich funktionieren und musste einer Zweischeiben-Kupplung weichen, und das Getriebe wurde seiner sinnlosen Trockensumpfschmierung beraubt. Dazu kamen viele - sehr viele - kleinere und größere Herausforderungen, die noch zu bewältigen waren, sodass der kleine V8 schließlich erst nach sechs Jahren erstmals auf dem Prüfstand laufen sollte.

Berg und Grimm standen mit klopfenden Herzen davor, als das mit einem Benzin-Methanol-Gemisch befeuerte mechanische Kleinod seinen ersten Schrei ausstieß - ein Geräusch, das niemand, der es aus der Nähe gehört hat, jemals wieder vergisst. Das revidierte Triebwerk des CTA-Arsenal zeigte sich von Beginn an kerngesund und produzierte auf Anhieb 330 PS bei 6.000 Umdrehungen. Höher wollte man zu Beginn noch nicht drehen – doch allein dieser Wert liegt rund 60 PS über dem von 1947.

Leichtmetallkarosserie wurde gepresst

Fahrwerk, Bremsen und Karosserie des CTA-Arsenal verlangten ebenfalls einige Geistesblitze, wobei sich am verwindungsfreudigen Rahmen und am hohen Schwerpunkt (der Fahrer sitzt auf der Kardanwelle, das konnte man schon Ende der 30er-Jahre besser) wenig ändern lässt. Die Qualität der Leichtmetallkarosserie hingegen nötigt noch heute Respekt ab. Sie wurde offenbar nicht gedengelt, sondern in eine Holzpresse gedrückt. Karosserie-Künstler Joachim Ohlinger, der sich der Aluminium-Magnesium-Hülle annahm, wollte anschließend kein Honorar, weil er daran so viel gelernt hatte.

Seinen ersten Einsatz absolvierte der CTA-Arsenal dann beim historischen Grand Prix in Monaco, wo er sich im Training achtbar schlug - dann aber wegen Bremsproblemen nicht am Rennen teilnahm. Auch beim dritten Einsatz seit 1947 gelang es somit dem Wagen nicht, die Startlinie zu überqueren.

Inzwischen aber sind wieder etliche Tage in der Werkstatt und etliche Testfahrten ins Land gegangen, und so langsam zeigt der silberne Monoposto mit dem französischblauen Rahmen sein Potenzial: "Ab 6.000 Touren wird der Motor erst richtig wach und dreht blitzartig hoch, sodass noch im dritten Gang die Reifen durchdrehen", sagt Ingo Grimm. Geschätzt dürfte der Motor jetzt fast 400 PS leisten.

Zurück auf die Rennstrecke

Ein paar Schwierigkeiten müssen noch beseitigt werden - das Getriebe ist gerade wieder auseinander, dazu fehlt bei dieser Leistung ein Sperrdifferenzial. Dennoch stehen die Chancen gut, dass der CTA-Arsenal noch in diesem Jahr zum ersten Mal in seinem Leben eine Startlinie erfolgreich überqueren wird. Und dann wird sich mancher Konkurrent wundern, was das mechanische Wunderwerk zu leisten vermag.

Faszination Technik

Man kann nicht unbedingt sagen, der CTA-Arsenal habe Renngeschichte geschrieben. Dafür ist die Technik umso faszinierender, etwa der Rahmen mit dem V8-Motor als mittragendem Element. Wie einzigartig der Motor klingt, hören Sie auf dem Video des ersten Prüfstandlaufs.