Corvette Stingray ZL-1 Cabrio in der Auktion
Keine 1969er-Corvette war bisher teurer
Dieses Auto war noch nie öffentlich im Angebot – jetzt hat die Versteigerung des einzigen je gebauten Chevrolet Corvette Stingray ZL-1 Cabrios von 1969 über drei Millionen Dollar eingebracht.
27.01.2023 Gregor HebermehlWer Ende 1968 eine Corvette bestellte, konnte deren 4.000 Dollar Basispreis durch ein paar Haken in der Aufpreisliste spielend mehr als verdoppeln. Der L88-V8-Motor mit sieben Litern Hubraum und einer Leistung von zirka 560 PS stand schon mal mit 3.000 Dollar in der Optionsliste. Wichtig war auch die ZL-1-Option, die als RPO im Angebot war. RPO steht für "regular production option". Bei der damaligen Corvette umfasste diese 1.032 Dollar teure Option ein sportlicheres Fahrwerk, verstärkte Bremsen, eine verstärkte Zündanlage und ein Sperrdifferenzial an der Hinterachse.
US-Rennfahrer John W. Maher bestellte sich damals sein Corvette Cabrio genau so und er wollte zusätzlich noch eine Viergang-Automatik (Bestellcode M40) und die Farbe Monaco Orange. Insbesondere die Automatik lockte Maher an – sie half ihm später bei perfekten Rennstarts. Insgesamt musste er mehr als 10.000 Dollar zahlen – unter Einrechnung der Inflation wären das Anfang 2023 84.096 Dollar (aktuell umgerechnet zirka 77.760 Euro). Heute weiß man: Nur ein einziges Cabrio hat damals die Werkshallen in dieser Konfiguration verlassen – und dieses einzige Cabrio hat bei einer Auktion am 26. Februar 2023 3.140.000 Millionen Dollar (aktuell umgerechnet zirka 2.885.158 Euro) eingebracht. Frank Wilke, Analyst bei Classic Analytics, betont, dass bisher keine Corvette aus dem Modelljahr 1969 teurer war. Den absoluten Erlösrekord hält damit aber weiterhin ein 1967er-L88-Coupé, das 2014 für 3,8 Millionen Dollar (3,49 Millionen Euro) den Eigentümer gewechselt hat.
Verkauf war nicht vorgesehen
Die RPO-ZL-1-Ausstattung mit L88-Motor hatte GM ausschließlich als FIA/NHRA-Homologationsexperiment entwickelt – ein Verkauf an private Kunden war nicht vorgesehen. GM-Vertreter berichteten von dem experimentellen Motor deshalb nur bestimmten Rennfahrern. Mahers guter Freund, der US-Rennfahrer Don Yenko, wusste von dem Motor und erzählte ihm davon. Maher bestellte sofort, aber GM sträubte sich gegen diese Bestellung mit Händen und Füßen. Erst Mahers Freund Grady Davis, Senior Vice President bei Gulf Research, zweifacher SCCA-Nationalmeister – und seinerzeit Partner der geheimen Rennoperationen von GM -, konnte den Auftrag durchsetzen.
Die teuren ZL-1-Modelle enthielten übrigens ausdrücklich kein Radio, keine Klimaanlage, keine elektrischen Fensterheber sowie keine Servolenkung. Anstelle der Klimaanlage gab es eine sogenannte Astro Ventilation mit steuerbaren Lüftungsklappen im Bereich der Heckscheibe. Das Lüftungssystem hatte GM als Ersatz für die 1968 wegfallenden seitlichen Ausstellfenster entwickelt. Frische Luft strömte durch die Motorhaube in den Innenraum und stellte der Fahrer den Temperaturregler auf Heizen, schlossen sich die Ausströmungs-Lüftungsklappen im Bereich des Heckscheibenfußes.
Aufwendiger Montage-Prozess
Der Corvette beigelegte Dokumente zeigen, dass die ZL-1/M40-Antriebsstrang-Konfiguration am 21. November 1968 ihre Zulassung bekam. Die Montage von Mahers Corvette führte GM im Werk St. Louis durch. Zur Erfüllung von Mahers einzigartigem Auftrag war die Produktion von einer Kette an technischen Empfehlungen, Memos, technischer Änderungen und synchronisierter Genehmigungen begleitet. Am 9. Dezember 1968 war Mahers Corvette fertig montiert. Für die Teilnahme an Drag Races ließ Maher umgehend die Abgas-Gegendruck minimierende Sidepipes montieren. 1969 kam dann die Motorhaube mit Lüftungsöffnung hinzu, weil das Aggregat Überhitzungsprobleme hatte.
Von 1969 bis 1972 raste Maher mit seinem Cabrio bei Bergrennen, Drag Races und Autocross-Events mit. Mit Blick auf die Viergang-Automatik gab er seinem Auto den Spitznamen "Winning Automatically". Bereits im September 1969 war der erste Motor verschlissen, aber Maher organisierte sich über seine GM-Kontakte ein technisch identisches Austausch-Aggregat, das bis heute in der Corvette steckt.
Nach 15 Jahren Ruhe
Nach 15 Jahren Pause holte Maher seine Corvette 1989 wieder aus der Garage und brachte sie zu Bill Andrejko Auto Restorations aus Pennsylvania. Deren Fachleute versetzten das besondere Auto wieder in einen hervorragenden Zustand. Mit dem frisch restaurierten Renner nahm Maher an vielen Ausstellungen und auch wieder an Rennen teil. 2007 verkaufte Maher sein Einzel-Exemplar und der neue Eigentümer brachte das Auto zum renommierten Corvette-Restaurateur Kevin Mackay’s Corvette Repair Inc. in Valley Stream im US-Bundesstaat New York. Die Restauratoren stellten fest, dass alles an der Corvette original war. Der Motor war zwar ein Austausch-Aggregat, aber er war ein ebenso nur ganz zum Anfang der Produktion eingesetztes Aluminium-Triebwerk wie das Original. Mackay stellte die Corvette mit frischem schwarzen Vinyl-Interieur und ebenso neuer Lackierung in der Originalfarbe Monaco Orange 2014 auf der Bloomington Gold Show 2014 in Champaign im US-Bundesstaat Illinois vor. Die Bloomington Gold Show gehört zu den weltweit größten Corvette-Veranstaltungen. Nach sorgfältiger Prüfung der umfassenden Werkdokumentation hat die Veranstaltungs-Jury der Corvette die Bloomington Gold-Zertifizierung verliehen und das Auto offiziell als erste der beiden werkseitig gebauten ZL-1-Corvette-Modelle anerkannt.
In der Folge zeigte der neue Eigentümer das Auto auf vielen renommierten Veranstaltungen, bevor er es 2018 als Dauerleihgabe an das Simeone Foundation Automotive Museum in Philadelphia (US-Bundesstaat Pennsylvania) gab. Dort stand es bis zum Januar 2023.