Corvette C5 (1997-2005) Stärken und Schwächen
Porsche-Jäger mit 344-PS-V8 für 15.000 Euro
Die 1997 vorgestellte Corvette C5 ist eine echter Porsche- und Ferrari-Konkurrent zum Preis eines neuen VW Polo: Gepflegte Exemplare gibt es schon ab 15.000 Euro.
14.07.2019 Franz-Peter HudekEin Sportwagen für das 21. Jahrhundert mit Blattfedern? Auch an der Vorderachse? Das gibt's doch nicht. Und ob! Auch die 1997 eingeführte fünfte Corvette-Generation federt wie das erste Serienmodell von 1953 mit Kutschentechnik. Trotzdem ist die Corvette der am längsten ohne Unterbrechung gebaute Sportwagen der Welt. Allerdings sind die Blattfedern bei der C5 quer zur Fahrtrichtung eingebaut und bestehen nur aus einem einzigen Verbundkunststoff-Blatt. Sie dienen als platzsparendes Federelement für die vier einzeln an Doppelquerlenkern aufgehängten Räder.
Optisch wieder eine echte Corvette
Doch es gibt noch weitere Merkmale unserer roten Corvette, die trotz komplett neuer Technik und Karosserie an verschiedene Vorgänger erinnert. Die typischen Klappscheinwerfer gingen ab 1963 mit der C2 in Serie, die vier runden Einzelrückleuchten bereits seit 1961 zum letzten Facelift der C1-Baureihe. Schließlich ist die Grundform der traditionsgemäß aus Kunststoff bestehenden Karosserie fast schon von Corvette patentiert: langer, extrem niedriger Vorbau, flache Windschutzscheibe und das 1978 eingeführte Glaskuppel-Schrägheck.
Doch unter der Motorhaube hat sich einiges getan: Während die Basisversion des 5,7-Liter-V8 von 1978 auf gerade mal mickrige 175 PS kommt, leistet der gleich große Alu-Motor unserer C5-Corvette stramme 344 PS bei erstaunlich niedrigen 5.400/min. Das ist die höchste PS-Zahl, die Chevrolet bisher dem Sportwagen-Dauerbrenner als Standardmotorisierung spendierte. Nur die legendäre, von 1993 bis 1995 angebotene Corvette ZR1 mit aufwendig konstruiertem Vierventilmotor lag mit ihren 405 PS deutlich darüber. Der Super-Car-Exote war auch fast doppelt so teuer wie die 300 PS starke C4-Basisversion.
Stilistisch eigenständig – und etwas weichgespült
Trotz der klassischen Proportionen eines Frontmotor-Sportwagens sieht der C4-Nachfolger nicht besonders aggressiv aus. Die Rundungen der Motorhaube wirken weich und knuddelig, die üppig verglaste Dachpartie fast schon zerbrechlich. Nur das wuchtige, extrem hochgezogene Heck erinnert ein wenig an Serena Williams in Hotpants. Deshalb und wegen der extrem niedrigen Motorhaube, bei der man sich fragt, wie da ein V8-Motor reinpasst, ist die C5 dennoch ein ziemlich auffälliges Automobil.
Weiche Welle auch innen
Die weiche Welle setzt sich im geräumigen Innenraum der Corvette C5 fort. Eine große, sich weit öffnende Tür erleichtert das Hinabgleiten auf den rundlich ausgeformten Ledersitz. Wegen der niedrigen Gürtellinie und des aufpreispflichtigen transparenten Dacheinsatzes – die C5 ist wie der Vorgänger wieder ein Targa – dringt viel Licht in den Innenraum.
Ganz im Gegensatz zu den frühen Exemplaren des Vorgängers C4, deren kantiges Interieur wohl ein Praktikant mit Lineal und Bleistift auf kariertem Papier entworfen hat, zeigt das C5- Cockpit fast nur sanfte Rundungen: Belüftungsgitter, Wählhebelkonsole, Türöffnergriffe und vieles mehr. Der leere Beifahrerplatz wirkt so glatt und höhlenartig, als hätte ihn ein Wildbachstrudel ausgeformt.
Bordcomputer kommuniziert auf deutsch
Am Armaturenbrett erkennen wir weitere Stilelemente aus der Corvette-Ahnengalerie: Die unter einer halbrunden Abdeckung angeordneten Instrumente und ein Beifahrer-Haltegriff erinnern an das frühe C2-Coupé, das durch seinen Mittelsteg in der Heckscheibe („Splitwindow“) bekannt und zum Sammelobjekt wurde.
Den unterhaltsamen Bordcomputer, der über eine Tastenreihe und ein Textband in Deutsch mit dem Fahrer kommuniziert, kennen wir bereits aus dem Cadillac Seville STS. Hier kann man einige Grundeinstellungen der Corvette C5 vornehmen, sich über Benzinverbrauch informieren und mehr.
Was? Nur vier Gänge?
Doch jetzt soll die Reise endlich losgehen. Der elektrisch verstellbare Sitz ist angepasst, und der Blick richtet sich nach draußen auf die Straße. Trotz einer niedrigen Sitzposition kann man in der Corvette C5 den langen Vorbau gut überblicken. Das über 1,8 Meter breite Coupé ist ja gerade mal 1,21 Meter hoch. Wo aber der Wagen vorn endet, ist schwer einzuschätzen.
Per Daumenknopfdruck entriegeln wir den massiv gestalteten, lederummantelten Automatikwählhebel und schieben ihn auf D. Bescheidene vier Fahrstufen sollen bis zum Spitzentempo von fast 280 km/h genügen. Wir sind gespannt und rollen los, gewöhnen uns an Lenkung und Bremsen der Corvette C5.
Nur 1.505 kg treffen auf 344 PS
Wie auch bei anderen GM-Modellen aus den 90ern erleben wir zunächst eine geschmeidige Leichtigkeit. Als wäre man in einem aktuellen Golf mit Automatik unterwegs. Die Corvette C5 muss sich dabei mit nur 1.505 kg Gewicht und dem leistungsstarken V8 nicht besonders anstrengen. Schon kurz nach dem Losfahren grummeln wir in Stufe zwei, ab etwa 50 km/h in Stufe drei mit etwas mehr als Standgas durch den Mannheimer Hafen. Die Nadel des Drehzahlmessers pendelt dabei wie im Halbschlaf zwischen 1.000 und 1.500/min.
Auf freier Strecke wollen wir nun doch mal alle 344 Pferde galoppieren lassen und treten jetzt das Gaspedal voll durch. Wie elektrisiert schnellt die Drehzahlmesser-Nadel auf 5.000/min, gleichzeitig haut das Getriebe mit Nachdruck die erste Fahrstufe rein, während der V8 sich zornig grollend zu Wort meldet, um die Passagiere in die knautschigen Ledersessel zu pressen.
In 5,6 s auf Tempo 100
Bei auto motor und sport sprintete die Corvette C5 in 5,6 Sekunden vom Stand auf 100 km/h und in 19,7 Sekunden auf 200 km/h. Die zum Vergleich herangezogenen Jaguar XK8 und Mercedes 500 SL ließ die spurtstarke Corvette bis 200 km/h um jeweils etwa zehn lange Sekunden hinter sich. Damit wäre auch die Frage beantwortet, ob mit einer schlichten Viergangautomatik sportliche Fahrleistungen erzielt werden können – die leichte Corvette und ihr simpel gestrickter Zweiventil-V8 können das.
Und die Corvette C5 kann noch viel mehr, nämlich ordentlich lenken und sogar bei extremer Belastung fadingfrei bremsen. Auch Kurven durcheilt das V8- Leichtgewicht sicher und neutral, nur darf der Untergrund nicht zu holperig sein, was in alter US-Tradition zum Versetzen des Hecks führen kann.
Corvette C5 verwandelt sich in Sekunden zum Cabrio
Zuletzt ist die Corvette C5 fast sogar ein Cabrio, wenn man nach dem Lösen von drei Schnappverschlüssen das Dachteil herausnimmt und es in dem geräumigen Kofferraum verstaut. Dabei stellten die Tester von auto motor und sport fest, dass die Steifheit des unter der Plastikhaut steckenden Stahlchassis nicht abnimmt.
Offenbar stimmt also die Aussage der Corvette-Entwickler, dass das neu konstruierte Spaceframe-Fahrwerk mit Transaxle-Antrieb viermal steifer als das des Vorgängers sei. Knirsch- und Klappergeräusche, zitternde Interieurbestandteile und -Spaltenbildung gehören seit der Corvette C5 endgültig der Vergangenheit an. Dies in besonders hohem Maße bei unserem noch wenig gelaufenen Fotomodell aus dem Jahr 1997.
Damals wie heute unschlagbar günstig
Die Corvette C5 ist also fast ein Musterknabe von Sportwagen und steht auf einer Stufe mit Porsche 911 und Ferrari 360 zu einem unschlagbar günstigen Preis von damals 92.500 Mark. „Die Corvette hat sich zu einem Weltklassesportwagen gemausert“, frohlockt sogar auto motor und sport am Schluss des Testberichts. Der einzige wirkliche Minuspunkt sind vergleichsweise hohe Windgeräusche bei mehr als 200 km/h – wohl mehr ein Luxusproblem.
Für leistungshungrige Sportwagen-Fans ist die Corvette C5 also ein echtes Schnäppchen ohne große Schwächen. Nur die Bordelektronik versagt teilweise ihren Dienst. Aber wäre die C5 überhaupt noch eine richtige Corvette, wenn gar nichts Überdrehtes, Verruchtes und Unperfektes an ihr haftete?
So viel kostet eine Corvette C5
Wer ein zuverlässiges Exemplar im technisch guten Zustand sucht, sollte mit etwa 15.00 Euro aufwärts rechnen. Zustand-2-Fahrzeuge sind für etwa 25.000 Euro erhältlich.