Chevrolet Corvette LM (1960)
Cunninghams Le-Mans-Corvette versteigert
Diese Corvette fuhr 1960 in Le Mans und verschwand später für fast 40 Jahre in den USA. Jetzt wurde der Ex-Rennwagen versteigert. Genauer: was von ihm übrig ist. Der erhoffte Preis wurde allerdings nicht erzielt.
25.05.2021 Andreas Of-AllingerEine löchrige Karosserie mit mehreren Farbschichten, im Cockpit baumelnde Kabel, unterschiedliche Räder und ein nicht zum Baujahr passender Motor: Diese Corvette sieht traurig aus. Sie ist jedoch Teil einer spannenden Geschichte um einen Renneinsatz mit heimlicher Werksunterstützung, eine Freundschaft zwischen zwei Männern und den Ehrgeiz, Le Mans zu gewinnen.
Cunningham: Erbe und Rennfahrer
Briggs Cunningham hat als Procter-and-Gamble-Erbe und Unternehmer Geld und Zeit für aufwendige Hobbys: Er fährt Rennen mit Segelyachten und Sportwagen. Er möchte nicht die Zeit totschlagen, sondern gewinnen. Den America’s Cup holt er 1958 mit seiner Yacht Columbia. Auch im Motorsport hat er ein ehrgeiziges Ziel: Er möchte Le Mans gewinnen. Ford baut den GT40 bekanntlich genau zu diesem Zweck – allerdings erst ein paar Jahre später. Doch Ford beeinflusst Cunninghams Autowahl vielleicht indirekt: Der Thunderbird macht der 1953 erschienen Corvette arge Konkurrenz, so dass sich Chevrolet zu einem Neustart entscheidet: Der neue Chefingenieur Zora Arkus-Duntov sorgt mit einem leistungsfähigen V8-Motor dafür, dass die Corvette schneller wird.
Duntov macht die Corvette schnell
Gleichzeitig arbeitet ein Team unter Arkus-Duntov und Ed Cole an einem Wettbewerbsfahrzeug für Markenpokale. Dummerweise verpflichten sich US-Autohersteller genau zu dieser Zeit, keine Rennen zu fahren. Nicht-offizielle Vereinbarungen zwischen Herstellern und privaten Teams ersetzen die Werkseinsätze. Duntovs Partner: Briggs Cunningham. Er bekommt inoffiziell Rennmotoren vom Werk. Die Autos dazu kauft er offiziell bei einem Chevrolet-Händler in New York City. Die Chassis werden mit direkterer Lenkung und kürzer übersetztem Viergang-Schaltgetriebe ausgeliefert, erhalten außerdem ein Sperrdifferenzial und einen temperaturgesteuerten Lüfter.
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Die drei für Le Mans vorgesehen Corvette-Exemplare bekommen neben den GM-Rennmotoren weitere Renntechnik eingebaut: Zusatzinstrumente, Koni-Stoßdämpfer, Magnesiumräder und einen 140-Liter-Tank samt Schnellverschluß hinter den Sitzen. Die sind nicht serienmäßig, sondern aus einer Douglas C-47 Skytrain, einem Flugzeug also.
Kein Glück beim ersten Test
Weil zunächst nur zwei Motoren fertig werden, sammeln zwei Corvettes gut zwei Wochen vor dem Einsatz in Le Mans Rennerfahrung während der 12 Stunden von Sebring. Mit überschaubarem Erfolg: Nummer eins mit der Chassisnummer 2538 wird in Runde 27 bei einem Unfall nach Radlagerschaden schwer beschädigt und die Nummer zwei erleidet 14 Runden später einen Motorschaden.
Dennoch helfen die Erkenntnisse, die Autos für ihren Einsatz in Le Mans zu verbessern. Vier Autos kommen Anfang Juni an der Sarthe an. Nicht so gut kommt bei Zora Arkus Duntov an, dass er nicht starten darf: Den Erzählungen nach kostet das Cunningham 14 Jahre seiner Freundschaft mit dem schnellen Corvette-Ingenieur. Cunningham hatte jedoch lediglich eine Anweisung von GM befolgt: Der US-Hersteller wollte seinen wichtigen Mitarbeiter nicht dem Risiko eines 24h-Rennens aussetzen und die Firma selbst nicht dem Verdacht eines Werkseinsatzes – so die Legende.
Pech in Le Mans
Der Ersatzfahrer, Bill Kimberly, schafft in Le Mans nicht einmal eine Runde: Nach dem Fahrerwechsel geht ein starker Regen über der Strecke nieder. Am Ende seiner ersten Runde verliert Kimberly die Kontrolle über Chassis Nummer 3535, nachdem er den Hügel hinter der Arnage passiert hat und wegen des Regens vom Gas geht. Die Corvette gerät ins Schleudern, dreht sich zwei Mal um die eigene Achse und fängt Feuer. Kimberley bleibt zum Glück praktisch unverletzt. Kurz danach kommt das zweite Auto in derselben Kurve von der Strecke ab. Das dritte Auto immerhin kommt ins Ziel, gewinnt die Klasse der Fünfliter-GT und wird Achter im Gesamt-Klassement.
Fast wäre die Le-Mans-Corvette verschwunden
Nach dem Le-Mans-Einsatz kommen die Corvettes zurück in die USA und die Motoren gehen wieder an GM. Die Chassis werden verkauft. Nach einigen Besitzerwechseln verliert sich die Spur von Chassis Nummer 3535 für fast 40 Jahre. Erst 1993 findet ein Restaurator die originalen Chassis-Nummern der Le-Mans-Corvettes heraus. Anfang 2011 erscheint in Tampa, Florida, ein Inserat: "pre-production, Zagato-bodied, Pontiac prototype" schreibt der Verkäufer – und dazu einen niedrigen Preis. Er weiß nicht, was er hat. Bis er nach der Chassis-Nummer sucht und vermutlich bei dem Restaurator landet, der 1993 die Nummern der Le-Mans-Autos herausgefunden hat.
Erhofftes Ergebnis nicht ganz erreicht
Den Wert des Rennwagen-Fragments hatte RM Sotheby's auf 900.000 bis 1.100.000 US-Dollar geschätzt. Bis zu diesem Betrag wollten die Bieter während der Auktion in Amelia Island nicht mitgehen. Bei 685.000 US-Dollar war Schluss mit Bieten, inklusive Aufgeld wurde die Corvette schließlich für 785.500 Dollar versteigert – umgerechnet 651.000 Euro.