Citroen SM Mylord bei der Silvretta Classic 2015
Oh, Mylord - der Wahnsinn mit Methode
Ein echtes Goldstück ist im Starterfeld der Silvretta Classic 2015 zu finden - einer von nur 5 gebauten Citroën SM Mylord von Karosserie-Meister Henri Chapron.
02.07.2015 Kai Klauder"Wenn das Wort Wahnsinn neu definiert werden müsste, müsste man nur 'Motorraum Citroën SM' sagen" - Andreas Golz öffnet die Motorhaube seines Citroën SM - und grinst. Der Anblick des komplett ausgefüllten Abteils sorgt für staunende und ungläubige Gesichter. In der Mitte die beiden großen Luftfiltergehäuse, davor die grünen Kugeln der Hydropneumatik mit der Hochdruckpumpe, dazwischen eingepasst der hoch aufragende Klimakompressor. Weit hinten im Motorraum des Citroën SM ist der Maserati-V6 eingebaut, der von zahlreichen Kabeln und Schläuchen umgeben wird.
Wer sich hier ran traut, sollte entweder sehr viel Zeit haben - und gelenkfreie Finger - oder sich gut auskennen mit der Materie Citroën SM. Auf den Peugeot, Volvo und Citroën-Händler Golz trifft letzteres zu. Er ist einer der renommiertesten Experten, wenn es um Citroën DS geht - und auch beim SM kann er einige Erfahrung vorweisen.
35 Jahre im Dornröschenschlaf
So schlug er natürlich sofort zu, als ihm dieser Citroën SM angeboten wurde, denn bei dem goldenen Exemplar handelt es sich um eines von nur 5 gebauten Citroën SM Mylord, die Cabrioversion, die von Henri Chapron (1886 - 1978) gebaut wurde. Und damit nicht genug, denn diesen einzigartigen Mylord wollte der Karosseriekünstler für seine Tochter Noelle fertigstellen.
Doch dazu kam es nicht, die aufwändige Produktion sorgte schnell für finanzielle Schwierigkeiten. Denn zunächst wurden die von Chausson gebauten Karosserien des SM zu Chapron gebracht. Dort wurden das Dach, die B- und C-Säulen entfernt und zahlreiche Karosserieversteifungen eingeschweißt. Danach ging es zu Citroën, wo Antrieb und Technik installiert wurden. fertiggestellt wurde der Citroën SM Mylord schließlich mit Lackierung und der Montage der Inneneinrichtung wiederum bei Chapron.
So sollte es auch diesem 1973er SM ergehen, doch die Insolvenz kam dazwischen - nach nur 5 fertiggestellten Mylord (manche Quellen sprechen von 7 bzw. 8 Exemplaren). "Fast fertiggestellt wurde das seltene Cabriolet dann schließlich von Guy des Landes", sagt Golz, "doch 1978/79 wurde das Cabriolet komplett zerlegt stillgelegt."
Punktlandung zur Silvretta Classic
Der Citroën SM Mylord war mehr als 35 Jahre lang eingelagert - bis ihn Andreas Golz im letzten Jahr angeboten bekam. Er legte sofort los mit dem komplexen Bausatz. Alle Blechteile wurden entlackt und von Hand abgeschliffen, auch der Unterboden bekam neuen Lack, obwohl die Blechsubstanz sehr gut und rostfrei war. Auch der Maserati-V6 wurde komplett neu aufgebaut, die Hydropneumatik wurde mit vielen Neuteilen revidiert
"Im Grunde haben wir alles neu gemacht, nur für die Lackierung und Teile der Lederausstattung holten wir uns Hilfe von Spezialisten - und fertig mit dem Mylord wurden wir vor 2 Wochen - passend zur Silvretta" freut sich der Citroën-Fan.
Technische Highlights des Citroën SM
Mit dem SM bewies Citroën seinen Oberklasse-Anspruch. Als Antrieb kamen 2,7- und 3,0-Liter-90°-V6 von Maserati mit 170 bis 180 PS zum Einsatz, die für bemerkenswerte Fahrleistungen sorgten. So flog der SM mit mehr als 220 km/h über die Autobahn. Das dank der Hydropneumatik sehr komfortable Fahrwerk sorgte schnell für den passenden Spitznamen "Fliegendes Sofa". Doch der SM traf nicht den Nerv seiner Zeit. Nach knapp 5 Jahren und nur rund 12.900 Exemplaren war Schluss.
Eine Besonderheit sind die per Zentralhydraulik gesteuerte Höhenverstellung der Scheinwerfer. "An den Stabis vorne und hinten sitzt ein Druckgeber, der je nach Einfederungszustand der Räder das Niveau auf die Scheinwerfer überträgt", weiß Golz. Die mitlenkenden inneren Scheinwerfer sind dagegen schon fast kaum der Rede wert.
Dass sich nun die Citroën-Verantwortlichen für die Einstellung der Hydropneumatik entschieden haben, findet der Citroën-Fan fatal: "Die Technik ist doch problemlos. Wenn man mit den Autos alle 2 Jahre zur Wartung kommt, gibt es überhaupt keine Defekte. Die Hydropneumatik-Fahrwerke sind um Längen besser als andere - und waren im Wettbewerb wirklich ein einzigartiges Alleinstellungsmerkmal."
Citroën SM Mylord für 550.000 Euro versteigert
Doch zurück zum Mylord: Auch wenn so viel Arbeit in dem offenen Citroën SM steckt, will Golz ihn nicht behalten. "Das Fahren ist ein Traum, komfortables DS-Fahrwerk und dazu der kräftige SM-Motor. Doch irgendwie ist das nicht so recht mein Auto. Ich fahre lieber DS:"
Also steht der rare Citroën SM Mylord zum Verkauf. Die Preisgestaltung ist nicht gerade leicht bei einem solch exklusiven Auto, doch einen Anhaltspunkt gibt der letzte öffentliche Verkauf eines solchen Modells. Im Jahr 2014 versteigerte Artcurial im Rahmen der Retromobile-Auktion ein Exemplar - bei 548.320 Euro fiel der Hammer. Doch dieser Wagen befand sich nicht in solch einem guten Zustand - und hat auch keine Verbindung zu Chaprons Tochter. Das rechtfertigt durchaus einen Aufpreis. Realistisch wären etwa 600.000 bis 650.000 Euro. Doch man muss erstmal einen Citroën SM-Fan finden, der sich diesen Wahnsinn antun möchte.