Cabrio-Schnäppchen vom Kiesplatz

Offen um jeden Preis

Warme Sommertage locken die Menschen nach Draußen. Cabrio-Kauflust stellt sich ein. Mal sehen, was es gibt in den Kiesplatz-Kolonien am Großstadtrand. Da tut sich eine Wundertüte auf, in der alles drin ist, vom Smart bis zum Ferrari.

Mercedes SLK 230 K, Cabrios vom Kiesplatz Foto: Ingolf Pompe 17 Bilder

Die langersehnte Cabrio-Exkursion beginnt vor meiner Haustür. Nur einen Steinwurf entfernt, an der B 10, liegen die verschachtelten Areale der Export-Autohändler. Dort kaufte ich vor ein paar Jahren meinen rauchsilbernen 86er Mercedes 300E, der mich seitdem auf meinen Kiesplatz-Touren begleitet. Er war billig und ist immer noch vorzeigbar, inzwischen bekam er sogar das H-Kennzeichen. Also glaube ich an das Gute unter glitzernden Fähnchen, an die Nuggets im Kies neben den Ausfallstraßen. Zum Schnäppchen-Schürfen zieht es mich immer wieder dorthin. Oft genügt es mir, zu sehen, was es so gibt. Cabrios waren im limousinenlastigen Exporthandel früher eher Beifang, aber der große Bestand der letzten Jahrzehnte spiegelt sich nun auf den Plätzen wider.

Mercedes SLK 200: 1.799 Euro, technisch ok

Peugeot 206 CC, Cabrios vom Kiesplatz Foto: Ingolf Pompe
Glanz und Elend: SLK 200 und Peugeot 206 CC im Niedrigpreis-Segment.

Zielstrebig gehe ich auf einen blauschwarzen Mercedes SLK zu, der kurze, offene Spaß-Sportwagen mit dem genialen Variodach reizt mich schon lange. Der hier ist ein mild motorisierter, kompressorloser 200er mit 136 PS, 203.000 km auf dem Tacho und Fünfganggetriebe, er soll 1.799 Euro kosten, noch mit Rest-TÜV bis November. "Technisch o. k." steht auf dem Preisschild, der Kantenrost an Kotflügeln und Hauben ist unübersehbar. Ich denke angestrengt über ihn nach, stelle dabei fest, dass Mitleid ein schlechtes Kaufmotiv ist und dass Korrosion auch bei liebevoller Aufbereitung der Sieger bleibt.

Peugeot 206 CC: Siebtauto für 1.500?

Das strahlende, rostfreie Rot des Peugeot 206 CC von nebenan lenkt mich erst jetzt vom SLK ab. Das liegt daran, dass der kleine Peugeot mit dem Blech-Klappdach und der Kofferraum-Reling nie zu meinem Beuteschema zählte. Ich finde, dass der kompakte Wagen mit dem 109 PS starken 1,6-Liter-Vierventil-Vierzylinder wie ein skurril gestylter Damenschuh wirkt, was eindeutig auf die Zielgruppe hinweist. Doch weil der Preis bekanntlich alles relativiert, leckt der Schnäppchenjäger in mir Blut: ein hübsches kleines Cabrio, ohnehin nur mein Siebtauto, für 1.500 Euro, warum nicht? Eine flüchtige Sommerliebe im aparten Chic der Platinum-Variante. Doch im Container wartet niemand, der mich in meiner Begeisterung abholt, es ist vielleicht besser so.

Rendezvous mit Scarlet

Mercedes SLK 230 K, Cabrios vom Kiesplatz Foto: Ingolf Pompe
Feminine Züge: die extravagante "Scarlet"-Ausstattung des SLK-Innenraums.

Auf dem Kiesplatz gegenüber am "Schwarzen Graben" wartet noch ein silberner Mercedes SLK 200 Kompressor für 4.498 Euro auf mich. Auch er zeigt die üblichen Rostansätze, aber in milderer Form. Gerne würde ich eine Probefahrt machen, denn der SLK setzt sich in meinem Kopf fest. Doch hier, zwischen leeren Öldosen und alten Batterien, ist gerade niemand zuständig. Frustriert ziehe ich ab und bringe meinen 300E auf die gesunde Betriebstemperatur moderat durcheilter Autobahnkilometer.

An deren Ende empfängt mich zur Belohnung ein wahres, brillantsilbernes Prachtstück von SLK, das Vierzylinder-Topmodell 230 Kompressor mit 197 PS und der extravaganten "Scarlet"-Ausstattung, zur ersehnten Probefahrt. Stolze 9.900 Euro kostet der rostfreie, bestens gepflegte Roadster. Er liegt damit weit jenseits meines schmalen Budgets, aber mitten im Fadenkreuz meiner Träume. Leichtfüßig, aber dennoch mit kräftigem Nachdruck setzt sich der kompakte Wagen in Bewegung, das knackige Sechsganggetriebe begeistert.

Der SLK begeistert, aber passt er?

Mild, aber wirkungsvoll erfolgt der Einsatz des Kompressors um 2.500/min, es ist kein Turbo-Tritt, sondern ein schöner, anhaltender Rückenwind. Sogar mit der Automatik wäre der betont komfortabel abrollende, kinderleicht fahrende SLK unbedingt vorstellbar. Aber passt der sportive Wagen zu mir? Zwar fühle ich die Vertrautheit der C-Klasse-Bodengruppe in seinem Antriebsstrang. Ich ahne aber auch die Manieriertheit seiner beiden Powerdomes auf der Motorhaube, die an den legendären 300 SL erinnern sollen, oder das Heischende der weißen Instrumente, die den SSK zitieren.

Beides liegt nicht auf der Wellenlänge meines mit dem 300E gelebten Understatements, auch interpretiere ich das Interieur "Scarlet" wiederum als versteckte Botschaft: Für mich hat der wunderbar agile und behände SLK trotz des machohaften Wortes "Kompressor" eine feminine Attitüde. Und man ist versucht, gegen dieses Image anzufahren. Forsch, drehzahlgierig und die Gutmütigkeit seiner sanft einsetzenden Übersteuerneigung bis an die Grenze auskostend. Obwohl der Händler meinen Gesichtsausdruck beim Zurückparken des SLK instinktsicher als Absage wertet, bleibt er mir zugetan. Er bietet mir, "seinem Petrol-Bruder im Geiste", wie es ihm spontan in freundschaftlicher Zugewandtheit entfährt, ein Ferrari Mondial T Cabriolet zur Probefahrt an.

Neue Welten im Mondial

Ferrari Mondial T Cabriolet, Cabrios vom Kiesplatz Foto: Ingolf Pompe
Der offene Mondial mit Cab-Forward-Design von Pininfarina kostet moderate 54.900 Euro.

Der offene Zweipluszwei mit dem lang gezogenen Heck ist in neuwertigem Zustand, wird mit nur 18.852 km auf dem Veglia-Tacho für moderate 54.900 Euro angeboten und kommt geradewegs aus dem Winterquartier. Ich soll diesen späten 3,4-Liter-Mondial mit quer eingebautem Getriebe, daher das T für "trasversale", nun behutsam warm fahren und ins Leben zurückholen: "40 Kilometer und nicht über 3.000/min, Achtung, Zahnriemen!", lautet das zackige Händler-Kommando, bevor ich den Schalthebel mit Nachdruck nach links hinten in die Ferrari-typische offene Kulisse schiebe und nach ein paar rituellen Gasstößen losfahre. Trotz des sehr unorthodox quer vor dem Differenzial liegenden Fünfganggetriebes lässt sich der Ferrari präzise schalten. Schon auf den ersten Kilometern geht mir der pathetische Klang des Viernockenwellen-V8 unter die Haut.

Mondial fahren ist ein herrliches Gefühl, hinten spielt das Orchester, und hinten entfaltet sich der Schub, beides dirigiere ich mit dem Kulissenstock, der nun zügig den vierten Gang anpeilt. Meine Schaltdrehzahl liegt zunächst bei 2.500/min, später, als der Zeiger des Ölthermometers voll senkrecht steht, leiste ich mir 3.000 Touren. Es ist bequem auf dem feinen Connolly-Ledersitz, und auch die Pedale stehen nicht zu eng zusammen.

Schon aus dem Drehzahlkeller zieht der 300 PS starke V8 mit der flachen 180-Grad-Kurbelwelle gut durch -– dank seiner 323 Nm, die bei den zivilen 4.200/min etwa eines BMW 520i 24V erreicht werden, das ist für diesen gezähmten Rennmotor ein höchst alltagstauglicher Wert. Mit dem 3.000/min-Limit kann ich gut leben, obwohl der feurige V8 beim Beschleunigen schier unaufhaltsam nach Drehzahl giert, er bellt, er heult, er kreischt, und dann zerreißt mein Schaltvorgang diesen Furor, und er fällt resigniert zurück in ein sonores untertouriges Brabbeln.

Ich mag den Mondial, als T in Rosso Corsa verkörpert er für mich den F40 des kleinen Mannes. Technisch ist die Verwandtschaft evident; dass der F40 rund 20-mal so teuer ist, macht den Mondial T erst recht zum Schnäppchen vom Kiesplatz, zwischen pechschwarzen Altreifenstapeln und leuchtend gelbem Löwenzahn, denn Gelb, also Giallo Modena, ist auch eine klassische Ferrari-Farbe.

Smart, der große Kleine

Smart Roadster Softtouch, Cabrios vom Kiesplatz Foto: Ingolf Pompe
Targa mit Pfiff: nur drei Zylinder und 61 PS sorgen beim Turbo-Smart für ganz viel Fahrspaß.

Derart inspiriert von purem Fahrspaß, bleibe ich bei klangintensiven, heckgetriebenen Fahrmaschinen im Jahreswagenzustand. Auf einem Kiesplatz bei Fürstenfeldbruck spielt mir der Zufall einen Smart Roadster für 5.555 Euro in die Hände, der mit dem Stufenheck und dem elektrischen Targa-Verdeck. Der kleine Heckmotor-Sportwagen im Playmobil-Design mit seinem 61 PS starken Dreizylinder-Turbomotor wiegt nur 790 Kilo, da möchte ich mir sofort ein Bild von seiner sprichwörtlichen Agilität machen.

Also Dach auf, Fenster runter, den Zündschlüssel Saab-like unterm Schalthebel fröhlich rumgedreht, und schon meldet sich der Dreizylinder hinter mir kernig zu Wort. Er nennt sich mit zweitem Namen Softtouch, das ist eine Anspielung an das sequenzielle Sechsgang­getriebe. Mit dem Joystick-Hebel in der Mitte schaltet man, ohne zu kuppeln, in einer sanften Vorwärtsbewegung hoch; zieht man ihn vorsichtig nach hinten, wählt das Getriebe den niedrigen Gang. Der Automatikmodus wird über eine seitliche Taste aktiviert. Ich gewöhne mich rasch daran, Steptronic bei älteren BMW funktioniert ähnlich, nur sind die Schaltpausen beim Smart Roadster lang, der Kraftschluss lässt auf sich warten, was aber die subjektiv empfundene Quirligkeit dieses Spaßmobils kaum trübt. Es ist ein Gokart mit überschäumendem Temperament, sein Handling ist spielerisch, der schier grenzenlose Spaß kennt nur ein Limit – und das sind die 35 Liter im Tank.

Aber ich mache mir nichts vor, der lebhaft-juvenile Smart Roadster ist nicht genug Auto fürs Geld. Er passt genauso wenig zu mir wie der feminine Peugeot 206 CC. Meine Kiesplatz-Runde ist noch nicht zu Ende, zielstrebig und hoffnungsvoll zugleich steuere ich meinen 300E zu einer kleinen, beschaulichen Händler-Kolonie nach München-Trudering. Dort steht mein Cabriolet, geparkt neben wuchtigen Betontreppen. Es ist ein tadellos erhaltener BMW 320Ci der Baureihe E46, erst 99.000 Kilometer gelaufen, Steptronic und Vollausstattung. Der offene 3er fährt komfortabel, er hat den ersehnten Sechszylinder-Bonus, und er wirkt so altersneutral und zeitlos, dass ich mich darin sehen lassen kann. Mit 7.350 Euro sprengt er leider erst mal mein Budget, aber wollte ich nicht sowieso längst ein paar Autos verkaufen?