Bugatti EB 110 (1991-1995) Premiere, Test, Technik
Pionier mit Karbonhülle und vier Turbos
Der Bugatti EB 110 war ein Hightech-Auto, schneller war damals kein Sportwagen. Vor 30 Jahren hatte er Premiere in Paris. Seine Geschichte.
24.09.2021 Andreas Of-AllingerKarbon-Monocoque, Allradantrieb und vier Turbolader: Diese Merkmale hat der Bugatti EB 110 mit den späteren Modellen Veyron und Chiron gemeinsam. Heute leitet Bugatti-Chef Winkelmann aus dieser Verwandtschaft eine DNA ab. Damals war der EB 110 mit seinem 125 Kilogramm leichten Karbon-Monocoque Pionier. Gefertigt hat die Zelle das französische Raumfahrtunternehmen Aerospatiale – ein Bezug zur heutigen Bugatti-Heimat Frankreich, wenn man so will. Lohn der Mühe war ein Leergewicht, das je nach Version sogar stellenweise mit unter 1500 Kilogramm angegeben wird.
Fabrik und Auto vom selben Gestalter
Die Suche nach dem Produktionsstandort ging Romano Artioli pragmatisch an, nachdem er Ende der 1980er-Jahre die Rechte an der Marke Bugatti gekauft hatte: In Campogalliano bei Modena lässt er eine Fabrik bauen. Dort, im Zentrum der italienischen Autoindustrie, finden sich begabte Konstrukteure, Monteure und Designer. Die von Giampaolo Benedini gestalteten Gebäude mit der "Fabbrica Blu" genannten Entwicklungsabteilung steht bis heute. Der Architekt Benedini gestaltete auch die Karosserie des EB 110 – dass ein Auto und die Fabrik, in der es entsteht, vom selben Gestalter stammen, kommt selten vor. Auch Marcello Gandini, der Gestalter von Lamborghini Miura und Countach, hatte einen Designvorschlag geliefert, der aber nicht in Serie ging.
Kaufpreis: 690.000 Mark
Von 1991 bis 1995 baute Bugatti 134 EB 110. Zu wenig, um wirtschaftlich zu überleben. Einer kostete 690.000 Mark – inklusive Service und Reifen für die ersten drei Jahre. Heute ist ein EB 110 laut Marktbeobachter Classic Analytics eine halbe bis Dreiviertelmillion Euro wert. RM Sotheby’s versteigerte 2019 einen EB 110 Super Sport für 2,03 Millionen Euro.
Premiere in Paris
Zur Premiere hatte der Supersportwagen einen großen Auftritt in Paris: Alain Delon und Artiolis Gattin Renata zogen am 15. September 1991 vor 2.000 Gästen das Tuch vom neuen Supersportwagen. An diesem Tag wäre Ettore Bugatti 110 Jahre alt geworden. In Hufeisenform standen 50 historische Bugatti rund um den Platz vor der Grande Arche im Pariser Stadtteil La Defènse. Von dort fuhren der neue und die historischen Bugatti "zum Arc de Triomphe und über die Champs Elysées zum Place de la Concorde", berichtete Werner Schruf in auto motor und sport 20/1991.
Bugatti EB 110 im Test
Der Testbericht in auto motor und sport 5/1993 fiel positiv aus: Götz Leyrer schrieb, dass "die wiedererstandene Firma Bugatti den derzeit besten Sportwagen in der höchsten Leistungs- und Preisklasse baut". Der 3,5-Liter-V12 sei einerseits "so lammfromm wie jedes Brot-und-Butter-Triebwerk" und lasse sich auch mit 1.000/min ruckfrei fahren, entfessele anderseits oberhalb von 4.000/min "eine Urgewalt, die die mit dem schlichten Wort Beschleunigung nur unzureichend beschrieben wird." In Zahlen: von null auf 100 km/h genügten im Test 3,6 Sekunden und bis 200 vergingen nur 14,0 Sekunden. Damit war der EB 110 Beschleunigungsweltmeister. Die angegebene Höchstgeschwindigkeit von 351 km/h untertrifft der Testwagen um die Größenordnung eines flotten Joggers: 336 km/h stehen im Datenblatt. Das werksseitig angegebene Gewichtsversprechen von 1.620 Kilogramm hielt der Testwagen nicht: Er belastete die Waage mit 1.769 Kilogramm.
Leyrer lobte die Umgangsformen des Mittelmotor-Supersportwagens: Das Handling sei leicht, das Kurvenverhalten gut kontrollierbar. Auch die "zivile Geräuschentwicklung" und der kultivierte Lauf des Zwölfzylinders bekamen Lob. Einziger Nachteil des Kraftpakets von Motor: Der Testverbrauch lag bei 26,7 Litern je 100 Kilometer. Gut, dass die beiden Tanks je 60 Liter fassen. Die Bremswege von 37,8 Metern kalt und 39,4 Metern nach der zehnten Bremsung wären heute nicht mehr angemessen. Damals beurteilten die Tester die Brembo-Bremsen als "standfest".
Die Technik des EB 110
Innerhalb von drei Jahren entwickelt Bugatti den EB 110 komplett neu und macht dabei einiges anders als es bis dahin üblich war. Die Karosserie besteht aus einem Karbon-Monocoque, das die Raumfahrtfirma Aerospatiale fertigt. Entsprechend des damaligen Formel-1-Reglemnets entwickeln die Ingenieure einen 3,5-Liter-V12-Motor. Im Kopf steckt Hightech: Einzelzündspulen und fünf Ventile je Zylinder sind 1991 alles andere als üblich. Vier Turbolader erzeugen 1,05 bar Ladedruck .Die Höchstdrehzahl liegt bei 8.400/min und die Literleistung bei 160 PS. Spätere Versionen mit bis zu 1,2 bar Ladedruck leisten 610 PS. Eine Trockensumpfschmierung versorgt den Motor mit 15 Litern Öl.
Das passende Sechsganggetriebe entwickelte Bugatti selbst. Die Kraft überträgt ein Allradantrieb mit Viscokupplung, hinterem Torsen-Sperrdifferenzial und einer hecklastigen Momentverteilung von 27:73 Prozent. Auf die 18-Zoll-Räder aus Magnesium und Aluminium sind Reifen der Dimension 245/40 ZR 18 (vorn) und 325/30 ZR 18 (hinten) aufgezogen. Ein Heckspoiler, der bei Einschalten der Zündung ausfährt, stabilisiert die Aerodynamik.