Bristol 412 SII Zagato
Hässliches Zagato-Ufo
Bei aller Liebe für skurrile Formen, aber dieser Zagato ist missglückt. Man muss schon einen Panther Six, diesen Sechsrad-Tausendfüßler, danebenstellen, um den Bristol 412 SII schön zu finden.
14.09.2017
Alf Cremers
Foto: Dino Eisele
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Auf den ersten Schock folgt die Erkenntnis: Nein, bei diesem Wagen handelt es sich nicht um einen wilden Eigenbau, sondern um eines der teuersten Kleinserienfahrzeuge der 1970 bis 80er, den Bristol 412.
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Ugo Zagato hatte nicht gerade seinen besten Tag, als er den Bristol 412 entwarf.
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Purismus bestimmt die Heckpartie. Der Lancia Beta Spider stand Pate.
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Je intensiver man ihn betrachtet, desto mehr gewinnt er. Länge läuft, zumindest beim Bristol 412. Zagato war eben noch nie ein Mainstreamer. Der Radstand beträgt 2,90 m.
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Cruisen ist die lässige Domäne des Bristol. Leistung kann er nur bedingt, Kurven auch.
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Wie ein Bootsmotor hängt der Chrysler-5,9-Liter-V8 im engen Schacht. Die Karosserie besteht aus leichtem Aluminuim, das Gesamtgewicht liegt bei 1.690 kg..
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"Electronic Lean Burn System" steht auf dem Luftfilterkasten - und bewirbt eine wenig effektive Verbrauchsminderung durch eine Transistorzündung.
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Bristol Cars wurde 1946 alsSparte der Bristol Aircraft Company gegründet, die vor allem für die Royal Airforce leichte und mittlere Bomber herstellte, die die Namen Bristol Blenheim und Bristol Beaufighter trugen. Diese Namen wurden auch später für die Automobile übernommen.
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So ruinös wie das Gelände: Bristol musste 2011 Insolvenz anmelden.
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Begegnung an der Tanke: Der Royal-Enfield-Fahrer erkannte das Auto.
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Im Innenraum gibt sich der Bristol verspielt-chaotisch: Eine Uhrensammlung sitzt in einem Armaturen-Block, die Schalter, deren Funktion man im "Trial-and-Error"-Verfahren herausbekommt, sind wild verteilt.
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Zwei große Uhren und fünf kleine informieren den Fahrer.
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Instrumente aus dem Jaguar XJ und ein uninspiriertes Dreispeichenlenkrad, das vom Triumph Stag stammt.
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Die Zusammenstellung der Schalter wirkt zufällig - verbaut wurde offensichtlich, was gerade aus dem Teileregal gepurzelt kam.
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Vieles an dem teuren Auto wirkt billig gemacht und improvisiert.
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Die Kraft des Chrysler-V8 wird per Torqueflite-Dreigang-Automatik übertragen.
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Innen zeigt der Bristol auch, warum er so viel kostete: Connolly-Leder vom Feinsten und verspielte Ausstellfenster in der B-Säule.
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Ziemlich viel blauer Himmel, filigran umrahmt und vom Targabügel getrennt.
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Links wohnt das Reserverad, rechts die Batterie, jeder Bristol hat diese Luken.
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Von dem Bristol 412 entstanden zwischen 1975 und 1982 nur rund 62 Exemplare.
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Auch an der Tankstelle verlangt der Bristol 412 von seinem Fahrer viel: Rund 18,5 Liter pro 100 km laufen durch den Fallstrom-Vierfach-Vergaser.
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Ein Bristol 412 in Zustand 2 kostet rund 59.000 Euro, ein mäßiges Zustand-4-Exemplar etwa 18.500 Euro.
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Ersatzteile sind teuer, sobald die Karosserie betroffen ist, sogar exorbitant teuer. Die Komponenten für die US-Großserientechnik kauft man besser im freien Handel.
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Fazit von Alf Cremers zum Bristol 412: "Man braucht einen langen Tag, um sich den Bristol 412 schönzufahren. Lieben wird man ihn wohl nie. Für einen wahren Exzentriker ist er zu unauffällig und für einen Luxuswagen zu krude.
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Das ist eine Zerreißprobe für den Besitzer. Der Charakter des 412 ist angenehm, souverän und leise. Aber das ist ein Silver Shadow auch, und schön obendrein."
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Aber genug der Schmach, die einfallslos kantige Form ist funktional untadelig. Beste Übersicht, viel Frischluft dank großer Luke, dazu zwei verspielte Ausstellfensterchen im Targa-Bügel. Der Bristol 412 SII ist ein ganz Lieber.
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Skurille Lösung: Den Bristol-Designern kann man nicht vorwerfen, dass sie nicht innovative Lösungen gefunden hätten.
5,9-Liter-V8 aus dem MOPAR-Regal
Denn anders als bei anderen Exoten kann beim Bristol 412 SII nicht viel kaputtgehen. Der Chrysler-V8 aus dem Mopar-Regal schüttelt sich seine Kraft so drehzahllässig aus den Tiefen seiner zentralen Nockenwelle, dass Verschleiß ein Fremdwort bleibt. Das alubeplankte Stahlblechgerippe ist ab Werk, in dem alles per Handarbeit und in Muße geschah, bestens korrosionsgeschützt.
Außerdem ruht die versteifte Hülle des Bristol 412 SII auf einem soliden Kastenrahmen mit Traversen. Der snobistische Soft-Window-Targa, von dem es nur 62 Exemplare gab, weil guter Geschmack eben fürchterlich einsam macht, zeigt sich frei von Verwindungen. Die Aussage, dass man einen Bristol fahre, zwingt Autokenner zu anerkennendem Stirnrunzeln, denn gegen die homöopathische Dosis von Autos, die das ehemalige Flugzeugwerk in der gleichnamigen südenglischen Metropole verließen, ist ein Rolls-Royce fast vulgär.
Foto: Dino Eisele
Klassisch britisch: Das Cockpit verwöhnt mit Leder und Holz - und einer schönen Uhrensammlung.
Bristol 412 SII mit Starrachse
Der Bristol 412 gibt sich technisch weit konservativer als ein Silver Shadow, der mit seinem hydropneumatischen Federungssystem, seiner aufwendigen Bremsanlage und seiner Schräglenker-Hinterachse avantgardistische Züge trägt.
Stoisch hält Bristol 412 SII an der Starrachse fest, nichts an dem Wagen ist aufregend, nur die Ruhe, die er ausstrahlt. Das Connolly-Leder vermittelt Geborgenheit, die Qualität liegt auf verlässlichem Opel-Niveau. Mit dem Bristol muss und möchte man alt werden, weil man ihn nie wieder los wird.
Foto: Dino Eisele
Schrauber freuen sich beim Bristol über integrierte Ablageflächen im Motorraum. Fahrer über den 5,9-Liter-V8 von Chrysler.
So viel kostet ein Bristol 412 SII
Der Markt ist klein, die Nachfrage kaum vorhanden – und Bristol-Fahrer Überzeugungstäter. Im Zustand 2 gibt Classic-Analytics einen Preis von 59.000 Euro an.