BMW M1, Mercedes C111 und Porsche Carrera RS 2.7
Sportwagen-Träume der 1970er
Diese 3 Ikonen beherrschten die Träume aller Automobilbegeisterten der 70er: BMW M1, Mercedes C 111 und Porsche Carrera RS rennen weit über 250 km/h und sehen unverschämt gut aus – auch heute noch.
19.12.2014 Franz-Peter Hudek
Die erste Titelgeschichte von Motor Klassik galt drei Super-Sportwagen aus den 50ern. Analo g dazu präsentieren wir heute drei Ikonen aus den frühen 70ern: BMW M1, Mercedes C 111 und Porsche Carrera RS. Zur Premiere von Motor Klassik im Spätsommer 1984 begnügte sich Chefredakteur Dirk-Michael Conradt nicht mit VW Käfer und Goggomobil als Titelhelden, sondern bot doch etwas mehr PS auf: Unter der Überschrift „Glanz und Gloria“ traten drei deutsche Traum-Sportwagen aus den 50er-Jahren zum Vergleich an, die heute zu den weltweit kostbarsten Klassikern zählen – BMW 507, Mercedes 300 SL Flügeltürer und ein Porsche 356 A 1600 GS Carrera GT mit dem legendären Fuhrmann-Vier- Nockenwellen-Motor.
Zum 30. Geburtstag von Motor Klassik übernehmen nun drei jüngere Sportwagen der gleichen Hersteller die Rollen der fotogenen Supermodels. Sie sollten einen ähnlichen Status als PS-starkes, automobiles Meisterstück besitzen wie die drei Sportler aus den 50ern. Nach ausgiebiger Diskussion kam die Redaktion zu dem Schluss, dass drei Sportwagen aus den 70er-Jahren den Ikonen von damals am nächsten kommen: BMW M1 von 1978, Mercedes C 111 von 1970 und Porsche Carrera RS 2.7 von 1972.
Der Porsche Carrera RS macht schon optisch auf Krawall
Genau wie ihre Vorgänger 507, 300 SL und 356 Carrera GT repräsentieren BMW M1, Mercedes C 111 und Porsche Carrera RS 2.7 jeweils ein Spitzenprodukt der Marke, dessen Bedeutung als exklusiver, leistungsstarker Sportwagen in den vergangenen Jahren sogar noch zugenommen hat. Der in vielen Varianten gebaute C 111 blieb zwar nur ein Versuchsfahrzeug, das aber mit seiner radikalen Konzeption und den extravaganten Flügeltüren seine Verwandtschaft zum 300 SL nicht leugnen kann.
Beginnen wir mit dem Porsche Carrera RS 2.7, dem ersten ab Werk mit auffälligem Front- und Heckspoiler ausgestatteten Sportwagen aus Zuffenhausen. Auch die opulenten „Carrera“-Schriftzüge oberhalb der Schweller und die auf Wunsch farblich dazu passenden Alufelgen zeugen von einem neuen Selbstbewusstsein der aufstrebenden Sportwagenschmiede. Und das mit vollem Recht.
Porsche Carrera 2.7 als Ferrari-Schreck
Eigentlich beträgt die Mehrleistung des für den Rennsport konzipierten Porsche Carrera RS gegenüber dem optisch dezent-luxuriös gehaltenen 911 S gerade mal 20 PS. Aber der von 2,4 auf 2,7 Liter Hubraum vergrößerte Motor, die deutlich verbesserte Aerodynamik, das reduzierte Wagengewicht und voluminöse 215/60-Hinterreifen unter den verbreiterten Kotflügeln ermöglichten bis 160 km/h sogar bessere Beschleunigungswerte als ein Ferrari 365 GTB/4 Daytona mit zwölf Zylindern und 348 PS.
Im geruhsamen Alltagsbetrieb gefällt der Porsche Carrera RS mit denselben Tugenden wie jeder 911: relativ bequemer Einstieg, gutes Raumgefühl und eine angenehme, von der Windschutzscheibe entfernte Sitzposition. An die etwas schwergängige Kupplung und die langen Schaltwege gewöhnt man sich rasch. Auch an die typische Geräuschkulisse des luftgekühlten Boxers, der beim Gasgeben kernig grummelt und bei der Gaswegnahme etwas nachrauscht. Das wieselflinke Einlenkverhalten in Kurven und der kräftige Motorschub ab 3.000/min, der ab 5.000/min akustisch von einem Orkan begleitet wird, machen das Fahren im Carrera RS zu einem einzigartigen Vergnügen.
Der schöne M1 hatte viele Väter
Doch im direkten Vergleich zum 1978 vorgestellten BMW M1 wirkt das Karosserie-Design des Porsche überholt. Zumindest aus der Sicht der späten 70er-Jahre, als gerade Karosserielinien, Lamellenschmuck, Klappscheinwerfer und flache Windschutzscheiben in Mode waren. Der von Giorgio Giugiaro und seinem Italdesign-Team gezeichnete Super-Sportwagen M1 ging auf das Mittelmotor-Concept-Car Turbo von 1972 zurück, das Paul Bracq entworfen hatte. Mit Lamborghini existierte bereits ein Vertrag über den Bau von 400 Einheiten, die einen Sechszylinder-Vierventilmotor aus München mit 3,5 Litern Hubraum und 277 PS erhalten sollten.
Doch die Italiener hatten mit ihren eigenen Autos schon genug Probleme, sodass sie für BMW nicht einmal Vorserienautos produzieren konnten. Nach Auflösung des Vertrags mit Lamborghini lieferte Italdesign das Stahlrohr-Chassis plus Kunststoffkarosserie und Interieur zu Baur nach Stuttgart, wo man die BMW-Technik installierte. Die Endabnahme erfolgte schließlich in München, womit das Mittelmotor-Coupé tatsächlich als ein Kind der 1972 gegründeten BMW Motorsport GmbH gelten durfte, die damals Ex-Rennfahrer Jochen Neerpasch leitete. Der BMW M1 war ursprünglich für den Rennsport konzipiert, konnte sich aber dort gegen die kleineren Turboaggregate von Porsche und Ford nicht behaupten. So entstanden insgesamt nur 454 Exemplare, davon 48 Rennversionen.
Der BMW M1 ist Giugiaros Meisterstück
Auch heute beeindruckt der BMW M1 durch seine schlichte und dynamisch gestaltete Karosserie, die nach 36 Jahren noch so modern wie damals wirkt. Hat man dagegen auf dem Fahrersitz Platz genommen, zeigt der flache Bayern-Sportler seine zeittypischen Eigenheiten: Der Fahrer muss weit nach vorn bis fast unter die Windschutzscheibe rücken, um für den in Längsrichtung montierten Reihensechser Platz zu schaffen. Außerdem beengt das linke Radhaus den Fahrer-Fußraum. Das komplett in Schwarz gehaltene Interieur verzichtet auf jedes Schmuckelement und wirkt tatsächlich, gäbe es keine Heizung, Radio und elektrische Fensterheber, wie in einem GT-Rennwagen.
Wir starten jetzt den großvolumigen Sechszylinder und werden von dessen zunächst leisem Auftritt überrascht. Erst über 4.000/min meldet sich von hinten das ehemalige Rennaggregat zunächst mit sanftem Knurren und ab 5.000/min mit grimmigem Posaunen. Virtuos gefahren, schafft der BMW M1 den Sprint von null auf 100 km/h in 5,6 Sekunden und kann damit dem Carrera RS 2.7 locker folgen. Im Topspeed schlägt der M1 mit seinen 265 km/h den kompakten Porsche (245 km/h) dagegen deutlicher.
Mercedes im Wankel-Mut
Doch im direkten Vergleich zum Mercedes C 111-II von 1970, dessen Vierscheiben- Wankelmotor 350 PS leistete und den Mittelmotor-Keil bis auf 300 km/h beschleunigte, wirken BMW und Porsche wie zwei untermotorisierte Boulevard-Boliden. Ausgerechnet Mercedes, die damals als sportlichstes Auto den 250 PS starken Luxus-Viertürer 300 SEL 6.3 im Programm hatten, schockte die Autowelt mit einem Mittelmotorsportler, der jedem Ferrari auf und davon fahren konnte. Die Stuttgarter schienen selbst von ihrer „phantastischen“ Kreation überrascht zu sein und erklärten deshalb in einer Anzeige: „Der C 111 hat das Zeug zu einem Auto, wie es noch keines gegeben hat. Fast zu phantastisch. Deshalb bleibt er vorerst ein Versuchsfahrzeug.“ Als Begründung heißt es weiter: „Es ist absolut unmöglich, zu sagen, wann seine Ideen serienreif sein werden.“
Die im Mercedes C 111 realisierten Ideen sind unter anderem der Wankelmotor, die Kunststoffkarosserie, Klappscheinwerfer und Seitentanks. Nichts davon ist bis heute in einem Serien-Mercedes verwirklicht worden. Das schicke Wankel-Coupé verwandelte sich zudem in ein unattraktives Langstrecken- Rekordfahrzeug mit Diesel- und später V8-Biturbo-Ottomotor. Für einen echten Ferrari-Konkurrenten – auch mit 6,3-Liter-V8 – fehlte damals der Mut.
3,5-Liter-V8 statt Wankelmotor
Doch jetzt ist der originale, fahrbereite Mercedes C 111-II dank Mercedes-Benz Classic wieder da, mit 3,5-Liter-V8 und 200 PS. Diese Variante gab es bereits 1970, um im direkten Vergleich die Vor- und Nachteile des Wankelmotors zu ermitteln. Mann, wie sieht der in „Weißherbst“ lackierte Flügeltürer noch immer attraktiv und modern aus. Junge Radfahrer wundern sich bei der Fotosession auf Schloss Solitude über den „neuen Daimler“, der immerhin 44 Jahre alt ist.
Ein hoher und breiter Seitenschweller erschwert den Einstieg – wie bei seinem Vorgänger, dem 300 SL Flügeltürer auch. Schließlich rutscht man in den perfekt geformten Schalensitz und fühlt sich wie mit dem Auto verwachsen. Von den hier präsentierten Sportlern wirkt der Mercedes C 111 aus der Fahrerperspektive am ambitioniertesten.
Der V8 des Mercedes C111 glänzt mit kräftigem Durchzug und sattem Brabbel-Sound. Mühelos meistert das niedrige Mittelmotor-Coupé jede Verkehrssituation, lässt sich präzise lenken und geizt nicht mit Fahrkomfort. Fast schon wie ein modernes Auto. So kann man den Wow-Effekt des Mercedes nachhaltig genießen: Die Leute schauen, als wäre ein beliebter Kinoheld nach Jahren wieder auf die Leinwand zurückkehrt.