50 Jahre BMW E9 3.0 CSL (1971-1972)
Bayern-Tour mit dem leichten Bayern-Star
Vor 50 Jahren setzte BMW den E9 CS für den Motorsport auf Diät. Wie fährt sich das drahtige Coupé mit Reihensechser heute zwischen bayrischen Seen und Bergen?
06.02.2022 Michael SchröderNatürlich hätten wir auch eine große Geburtstagsparty auf einer Rennstrecke organisieren können, mit Kuchen, Kerzen und Überraschungsgästen für unseren BMW 3.0 CSL. 50 Jahre alt ist er inzwischen, und zu solch einem Anlass gehört es sich, dass man gratuliert und sich obendrein etwas einfallen lässt. Ford hätte anlässlich einer Feier selbstverständlich einen Capri RS 2600 vorbeigeschickt, und Porsche wäre ganz bestimmt mit einem Carrera 2.7 RS angereist, um die Riege dieser feurigen Homologationsmodelle zu ergänzen. Wir erinnern uns: Anfang der 70er-Jahre haben BMW, Ford und Porsche ihre schärfsten Modelle noch einmal einer radikalen Kur unterzogen, um jeweils eine aussichtsreiche Basis für den Rennsport zu erhalten.
Doch zum einen wäre so ein Geburtstags-Rennstrecken-Event womöglich eskaliert, denn wenn diese drei wilden Kerle aufeinandertreffen, brennt ganz einfach die Luft. Als Letzter am Kurvenausgang ankommen? Für jeden dieser Sportler undenkbar, damals wie heute. Und zum Zweiten – langjährige Leser werden sich ganz bestimmt erinnern – gab es diese Geschichte bereits in Motor Klassik Heft 1/2009, nur dass der Austragungsort für diesen famosen Dreikampf keine Rennstrecke, sondern ein abgesperrtes Flugfeld war. Glauben Sie mir, es war trotzdem nicht leicht, diese wilden Kerle seinerzeit im Zaum zu halten.
Landstraße statt Racetrack
Nein, ich habe mich heute für ein anderes Geburtstagsprogramm entschieden. Kein Racetrack, keine Boxengasse und auch keine Zeitnahme, sondern nur der Jubilar und ich, die in trauter Zweisamkeit einen Tag lang durch das bayerische Voralpenland wildern. Kurvige Heimatkunde also im Dreieck Bad Tölz, Bayrischzell und Garmisch-Partenkirchen für einen Motorsport-Helden, der sich mit seinem poppigen Orange – im BMW-Jargon Colorado – wohltuend zwischen sonnenbeschienenen Almwiesen und türkis schimmernden Seen in Szene zu setzen weiß.
Dessen schwarze Rallyestreifen sowie das üppige Radlaufchrom, das die Kotflügel um jeweils zwei Zentimeter verbreitert, um Raum für die sieben Zoll breiten Leichtmetallfelgen zu schaffen, verbuchen Kenner selbst im Vorbeifahren mit einem wertschätzenden Nicken als weitere, eindeutige CSL-Merkmale. Und einer, der bei einem Fotostopp am Sudelfeldpass um den BMW schleicht, weiß es sogar ganz genau: "Das muss eines der allerersten CSL-Modelle sein, weil ihm hinter den beiden Buchstaben CS auf dem Kofferraumdeckel noch das L für Leichtbau fehlt." Recht hat der Mann, der natürlich auch weiß, dass von der 180 PS starken Vergaser-Version der ersten CSL-Serie bis 1972 nur 169 Exemplare gebaut wurden. Experten-Small-Talk mit Blick auf den Wendelstein. Nicht schlecht.
Leichtbau: 200 Kilo weniger
Wir verabschieden uns, es geht wieder bergab, wobei wir – der BMW und ich – es jetzt besser nicht übertreiben sollten, denn mehr als Tempo 60 ist auf dieser 1123 Meter hohen Passstraße zwischen Bayrischzell und Oberaudorf offiziell nicht erlaubt. In den zahlreichen Kehren spürt man es am Steuer aber auch ohne viel Schwung, dass es sich hier um einen Leichtathleten handelt, der mit 1165 Kilo immerhin 200 Kilogramm weniger wiegt als ein serienmäßiger 3.0 CS.
Es ist Alpina-Chef Burkard Bovensiepen, der 1971 mit diesem nachhaltig abgespeckten, aber noch nicht leistungsgesteigerten E9-Coupé ein Homologationsgerät für den Tourenwagensport in der Gruppe 2 der Deutschen Rennsport-Meisterschaft auf die Räder stellt – BMW will endlich die schnellen Capri einfangen. Dafür lässt der Mann im Karmann-Werk in Rheine Türen und Hauben aus Aluminium sowie das Dach, die Trennwand zum Gepäckraum, die Radhäuser und die vorderen und hinteren Seitenwände aus dünnerem Blech fertigen. Für alle hinteren Scheiben kommt für Bovensiepen nur Plexiglas infrage, und die Motorhaube erhält anstelle des komplizierten Schließgestänges einfache Schnellverschlüsse. Zuletzt entfällt auch noch die vordere Chromstoßstange, sie wird durch einen zierlichen Spoiler aus GFK ersetzt.
Das Grummeln des Dreiliter-Sechszylinders mit seinen beiden Zenith-Doppelvergasern dringt dann auch eine Spur lauter in die Kabine, weil an Dämmmatten und Teppichverkleidungen ebenfalls gespart wurde. Obendrein hat sich Bovensiepen aus Gewichtsgründen auch der elektrischen Fensterheber entledigt, die Scheiben vorn werden gekurbelt, die hinteren sind in einem CSL starr. Die leichten Schalensitze anstelle der Sitzgarnitur des Serien-Coupés hingegen passen perfekt, es braucht nur etwas länger, ein- und auszusteigen.
Für einen Renneinsatz müssen jedoch mindestens 1.000 solcher CSL produziert werden, was die Verantwortlichen in München 1972 schließlich dazu veranlasst, die BMW Motorsport GmbH zu gründen. Unter der Leitung von Ex-Ford-Rennleiter Jochen Neerpasch erhält der CSL einen Einspritzmotor mit Bosch D-Jetronic, der Hubraum wächst auf 3003 cm³, die Leistung auf 200 PS. Von dieser zweiten Version entstehen 929 Exemplare, ab 1973 folgen weitere 167 Modelle mit einem 206 PS starken 3,2-Liter-Langpleuelmotor. Macht in Summe 1265 Sechszylinder-Coupés der Baureihe E9, die ein L im Zunamen tragen.
Der M30: ein Jahrhundertmotor
Wir lassen es laufen, haben uns inzwischen ernsthaft angefreundet, aber so ein CSL macht es dir am Steuer auch nicht wirklich schwer, im Gegenteil. Allein schon dessen Dreiliter-Sechszylinder mit seinem perfekten Massenausgleich, von dem nicht wenige sagen, es handele sich um einem Jahrhundertmotor. Aber an dieser Behauptung ist natürlich etwas dran, in Sachen Laufruhe und Durchzug dürfte dieses Triebwerk wohl heute noch als musterhaft gelten. Egal, ob bei Tempo 80 oder 180, es geht einfach immer voran, selbst wenn 180 PS heute kaum jemanden ernsthaft zu beeindrucken vermögen. Nicht einmal bei Drehzahlen jenseits der 5.000er-Marke wirkt dieser Motor übermäßig angestrengt, sondern begeistert vielmehr durch sein samtig-weiches Wesen.
Auf der Wunschliste eines Sportfahrers dürfte wohl einzig ein Fünfganggetriebe gestanden haben, bei vier Gängen zeigen sich die einzelnen Gangbereiche doch recht weit gespreizt. Unterm Strich erledigen wir die meisten schnellen Kurvenpassagen ausschließlich im Dritten, der bei diesem elastischen Motor im Landstraßenmodus irgendwie immer passt. Der Zweite ist erst dann an der Reihe, wenn es wirklich energisch zur Sache gehen soll. Zwischen vierfünf und fünfacht fühlt er sich übrigens am wohlsten, dieser herrliche Reihensechser.
Das Fahrwerk passt perfekt zum Wesen des CSL, schnelle Kurven zählen zu seiner Lieblingsdisziplin. Kaum Seitenneigung, in der Kurve erst untersteuernd, dann lange neutral – damit lässt es sich gut leben. Es dauert, bis dieses formvollendete Sport-Coupé dir am Steuer durch sanftes Wegwischen des Hecks mitteilt, dass es ihm jetzt allmählich doch zu bunt wird. Aber dann bleibt immer noch Zeit für eine Korrektur.
50 Jahre alt soll er sein, dieser grellbunte Kerl? Wirklich? Man merkt es ihm kaum an, was an der Leichtigkeit liegen muss, mit der dieser gestrippte CSL heute noch unterwegs ist. Beim nächsten Mal schmeißen wir dann wieder eine große Party, versprochen.