BMW Alpina B11 3.5 (E32) im Fahrbericht
Mit klassischem Tuning auf 254 PS
Ohne Biturbo kein Dampfhammer. Der Alpina B11 3.5 zeigt sich von der milden Sorte. Mit klassischem Tuning holt der Buchloer Tuner zahme 254 PS aus dem BMW-Sechszylinder – ein Leistungsplus von 34 PS.
09.11.2014 Alf CremersNie zuvor sah man solch einen seriösen Alpina wie diesen B11. Dezente Dekorstreifen statt quietschgrüner Signalbalken legen sich in harmonischem Kontrast über unscheinbares Delphin-Metallic. Als zeitlos-elegante Projektionsfläche für diesen weiß-blauen Traum dient ein 7er der Baureihe E32, großartiges Harmonie-Kino zweier Designgrößen namens Claus Luthe (NSU Ro 80) und Ercole Spada (Alfa Junior Zagato).
Limitierte Edition von 332 Alpina B11
Der dynamische, souverän auftretende Siebener der zweiten Serie schickte schon mal den Zwölfzylinder 750i wie einen Paukenschlag voraus. Zwölf Zylinder, 300 PS und 400 Newtonmeter vereitelten anfangs jeden Gegenangriff des Edel-Tuners, pardon, des Buchloer Produzenten exklusiver Automobile, der den BMW-Leuten gerne zeigt, wie man aus einem guten ein noch besseres Auto machen kann. Nur 8.000 Mark trennten 1987 ausstattungsbereinigt den BMW 750i vom Alpina B11.
Vielleicht blieb es auch deshalb bei nur 332 Exemplaren von dem Alpina B11 3.5. Der wuchtige Frontspoiler und die extrabreiten 17-Zoll-Räder sorgen bei dem veredelten E32 noch für einen Hauch Halbstarken-Habitus, den man weniger polemisch auch als Fahrwerksoptimierung bezeichnen könnte. Die formschöne Karosserie ist obendrein 20 Millimeter tiefergelegt. Wie beim Porsche 911 Carrera sind die Reifen hinten breiter als vorn. Sie füllen die Radkästen prall aus.
So sieht der 7er, der einen Schuss Jaguar in der Linienführung nicht verleugnen kann, so vital aus wie eine sprungbereite Großkatze. „B11“ steht in der Alpina-Nomenklatur für den Motortyp B, also für den klassischen BMW-Reihensechszylinder mit kettengetriebener Nockenwelle, und zeigt die elfte Entwicklungsstufe dieses Triebwerks an.
Erstauslieferung nach Japan
Unser Alpina B11 3.5 schöpft seine seriöse Attitüde auch aus seiner makellosen Erhaltung. Der luxuriöse Oberklassewagen wurde 1987 nach Japan ausgeliefert und hat gerade einmal 108.000 Kilometer auf dem Tacho. Corinna Fendt, Inhaberin des exklusiven Oldtimerhandels Munich Motors Masterpieces in Oberschleißheim, bietet die rostfreie Youngtimer-Rarität für 17.800 Euro an und betont den Jahreswagenzustand. Zu dieser Einschätzung passt auch das neuwertige schwarze Nappaleder-Interieur mit grünem Alpina-Zierstreifen.
Dezenter Alpina-Auftritt ohne Chichi
Neben dem typischen Vierspeichen-Sportlenkrad und der obligatorischen Alpina-Herstellerplakette mit der Seriennummer 146 deutet bei dem Alpina B11 3.5 nichts auf einen Siebener der Sonderklasse hin. Kein Öldruckmesser, kein Ölthermometer oder gar die früher bei Alpina obligatorische Anzeige der Öltemperatur im Differenzial outet den Hersteller aus Buchloe.
Wer ältere BMW – egal ob 5er oder 7er – kennt, fühlt sich hier auf Anhieb zu Hause. Diese Mischung aus funktionaler Strenge und gediegener Materialwahl begeistert. Nichts wirkt aufgesetzt oder gar protzig. Alles ist wertvoll gemacht und völlig selbsterklärend, ob Klimaanlage, Bordcomputer oder die Vierstufenautomatik, wahlweise mit Sport- oder Economy-Programm.
Sitzposition und Sicht sind hervorragend, man fühlt sich auf Anhieb wohl in der großzügig geschnittenen Limousine, ohne verloren zu wirken. Die Automatik passt nicht zu Alpina, der Erstbesitzer aus Japan wollte es so. Beschleunigungswerte unter acht Sekunden sind damit endgültig passé, aber undramatisches Cruisen liegt dem Alpina B11 3.5 eben viel mehr als ambitioniertes Schnellfahren.
Für Leistungshungrige gab es den Alpina B10 3.4 Biturbo mit 360 PS
Das zahme Leistungsplus von nur 34 PS gegenüber der auf Wunsch damals ebenfalls katalysatorlosen Serienvariante des 3,5-Liters verführt kaum dazu, schwarze Striche auf die Fahrbahn zu ziehen. Für solche Machtdemonstrationen gab es parallel zum zahmen Alpina B11 3.5 den brachialen B10 3.4 Biturbo auf Fünfer-E34-Basis. Gleich doppelt aufgeblasen, holt er aus dem gleichen Basistriebwerk unglaubliche 360 PS, 500 Newtonmeter und einen Schub, der erst bei 290 km/h langsam nachlässt. Nullhundert ist schon nach 5,3 Sekunden erledigt.
Nein, der Alpina B11 3.5 zeigt da ein ganz anderes Naturell. Er beißt weder giftig zu, noch schnellt er nach jedem Gangwechsel gierig nach vorn. Dieser Understatement-Alpina gibt ganz vornehm den Gentleman-Express, den entspannten Reisewagen für ein Wochenende in Paris oder Budapest. Er dreht mit fast schwereloser Leichtigkeit so fein linear hoch, wie es nur ein brillanter Sechszylinder-Saugmotor kann. Kernig klingt das angenehm sonor grummelnde Triebwerk erst über 4.500/min, dann kommt der Drehmomentgipfel, und es entfaltet sich seine ganze Kraft.
Auf Landstraßen macht es Sinn, den lederbezogenen Wählhebel des Alpina B11 3.5 auf 3 statt auf D zu belassen, sonst schaltet die Automatik zu früh in den direkten Gang und es geht Drehfreude verloren. Aus engen Kurven empfiehlt es sich, manuell aus 2 zu beschleunigen und dann bei 5.000/min Fahrstufe 3 einzulegen, das fühlt sich geschmeidiger an, als den stets gewalttätigen Kickdown einzufordern.
Größte Harmonie statt maximaler Leistung
Dank solch harmonischer Eigenschaften verdient der Motor das Adelsprädikat Alpina – nicht maximale Leistung, sondern größte Harmonie stand diesmal im Lastenheft. Es ist die sanfte Kur klassischen Tunings, die beim Alpina B11 3.5 zu solch angenehmer Leistungscharakteristik führt. Die Alpina-Rezeptur lautet: größere Auslassventile, eine Nockenwelle mit längeren Ventilöffnungszeiten, eine im Detail optimierte Brennraumform, polierte Einlasskanäle und ein fein ausbalancierter Kurbeltrieb mit längeren Pleueln und kürzeren Kolben, um die innere Reibung zu vermindern. Einen noch besseren Temperaturhaushalt schufen die Motoren-Ingenieure von Alpina, indem sie Spritzdüsen ins untere Ende der Zylinder einsetzten, die Öl zur Kühlung der Kolbenböden versprühen.
Von dem Feintuning merkt der Fahrer im weichen Nappaleder-Sessel wenig, denn dieser Alpina B11 3.5 hat noch nicht mal die üblichen Sportsitze in stark konturierter Form. Die trotzdem spürbare gesunde Härte geht allein vom Fahrwerk aus. Verkürzte Federn mit strafferer Kennung, spezielle Gasdruckstoßdämpfer und recht extreme Breitreifen mit wenig Gummi auf der Felge lassen den 1.700 Kilo schweren Wagen ziemlich trocken abrollen. Dafür liegt er in schnell gefahrenen Kurven wunderbar neutral und legt eine Agilität an den Tag, die für ein Auto dieser Größe verblüfft. Straßenlage geht also eindeutig zulasten des Fahrkomforts. Dies stellt aber die Reisewagen-Qualitäten des großen Alpina kaum infrage. Es ändert nichts daran, dass man im B11 sehr mühelos ziemlich schnell sein kann, allerdings geht das in einem BMW 735i genauso gut.
Der Preis der Exklusivität
Weil es schon immer etwas teurer war, einen besonderen Geschmack zu haben, kostet die limitierte Alpina-Edition B11 3.5 in unserem Fall heute dreimal so viel wie ein sehr gut ausgestatteter BMW 735i im Bestzustand und ist doppelt so teuer wie das Zwölfzylinder-Topmodell 750i.
Dieses ungünstige Verhältnis zwischen Preis und Gegenwert gehört seit jeher zum Alpina-Merkmal hoher Exklusivität. Es ist der Preis der Kleinserie eines Großserienwagens. Im Motorraum des Alpina B11 3.5 bleibt der zahme Tuning-Eingriff nahezu unsichtbar. Kein geprägter Alpina-Schriftzug auf schrumpflackierter Zylinderhaube. Keine Weber-Vergaserbatterie wie einst. Trotzdem merkt man beim Fahren das Leistungsplus und erfreut sich am sauberen Hochdrehen.
Unauffälliges Auto mit dem Reiz des Besonderen
Das straffe Fahrwerk gefällt dem Sportfahrer, der aber mit der Automatik hadert. Die Nappaleder-Pracht des Interieurs macht aus dem Tuning-Auto endgültig einen Luxuswagen, Sessel statt Sportsitze unterstreichen den wahren Charakter dieses Alpina, der vor allem denjenigen beeindruckt, der sonst mit Tuning-Autos nichts am Hut hat. Und das ist genau seine Chance. Er ist anders als die Großserienware von der Stange, setzt aber auf die gleichen Tugenden wie diese.
Perfekte Alltagstauglichkeit, hoher Reisekomfort, souveräne Kraftentfaltung und weitgehend unaufdringliche Eleganz. Für Alpina-Verhältnisse fehlt es dem B11 an brachialem Schub, aber dafür gibt es ja den Fünfer-E34 B10 3.4 Biturbo. Was bleibt, ist die Freude über ein unauffälliges Auto mit dem Reiz des Besonderen.
Fazit von Alf Cremers zum Alpina B11 3.5
Das Erfreuliche am Alpina B11 ist, dass er sich nicht wie ein getuntes Auto fährt. Er ist so luxuriös wie bequem, und die Automatik konterkariert ihn. Das Fahrwerk ist härter als beim Serien-Siebener. Am Ende spricht für ihn die Exklusivität.