Geheimprojekt Goldfisch BMW 7er E32 750iL V16
16 Zylinder, Kiemen an den Seiten und 408 PS
Vor gut 30 Jahren baute BMW einen V16 in einen 7er ein. Der Versuchsträger mit dem Namen Goldfisch gehört heute zur Kuriositäten-Sammlung des Konzerns.
29.03.2020 Andreas Of-Allinger, Gerd StegmaierDer 7er E32 von 1987 fällt neben seiner goldenen Lackierung vor allem mit Kiemen im seitlichen Heckbereich auf. Die Schlitze hinten sammeln Frischluft. Nein, der 7er hat keinen Heckmotor, aber hinter seiner schmalen Niere, die ursprünglich einem 735 iL gehörte, steckt kein braver Reihensechszylinder, sondern ein mächtiger V16-Motor. Und der passt nur deshalb gerade eben so in den Motorraum, weil seine Kühler im Kofferraum untergebracht wurden. Darum die Kiemen. Die reichen aber noch nicht: Zwischen den Rückleuchten sitzt ebenfalls ein schwarz lackiertes Kühlergitter. Die Kühlflüssigkeit schwappt in ihrem Behälter rechts an der Seitenwand.
Der V16 entstand aus zwei V12
Anlassen durften wir den 6,7-Liter-Motor leider nicht, fahren schon gar nicht: Der Goldfisch, so der vom Lack und den Kiemen inspirierte Spitzname, bräuchte nach der langen Standzeit erst mal eine große Inspektion.
Am Hubraum von 6.651 Kubikzentimetern lässt sich erkennen, was offensichtlich wird, wenn der Blick unter die Haube wandern darf: Der V16 entstand auf Basis des V12-Motors M70. Motorenntwickler Adolf Fischer hatte im Sommer 1987 den Auftrag bekommen, einen 16-Zylinder-Motor zu entwickeln. Er nahm dafür zwei M70-V12, kürzte den einen vorne um zwei Zylinderpaare und den zweiten um zwei hintere Zylinderpaare. Kurbelgehäuse und Zylinderkopf wurden neu gegossen. Die neu geschmiedete Kurbelwelle ist neunfach gelagert – das sind zwei Lager mehr als beim 12-Zylinder. Zu sehen ist von dem Aufwand auf den ersten Blick wenig: Der V16 orientiert sich an der Optik des V12. Zu Weihnachten 1987 war der Motor fertig. Er lief zunächst auf Prüfständen und wurde 1988 in einen E32 7er eingebaut.
280 km/h Höchstgeschwindigkeit
Nur mit einem ungewöhnlichen Trick fand der neue Motor Raum im 7er. Im E32 saß schon der V12 knapp. Für den V16 verlegten die Ingenieure die Kühler in den Kofferraum, installierten zwei Lüfter hinter einem schwarzen Gitter, schnitten Kiemen in die Seitenteile über den hinteren Radhäusern. Ein Schalter auf der Mittelkonsole startete die Lüfter im Heck. Von thermischen Problemen ist nichts bekannt. Ddafür berichtete Fischer davon, dass der Klang des Motors "über 4000/min grandios" gewesen sei. Grandios war auch der Durst des Triebwerks: 20 bis 21 Liter habe der Verbrauch betragen. Die Fahrleistungen des mit einem Sechsgang-Schaltgetriebe ausgerüsteten Prototypen waren sportlich In sechs Sekunden beschleunigte der nie so genannte "767Li" von null auf 100 km/h. Die Höchstgeschwindigkeit wurde bei Meßfahrten mit "etwa 280 km/h" ermittelt.
Mit dem V16 wollte BMW den Mercedes-V12 kontern. Mercedes wiederum konterte mit dem V12, der 1991 im 600 SE kam, den des 750i. Diesen Motor (M70) mit 300 PS hatte BMW 1987 vorgestellt. Er war mit den "kleinen" M20-Sechszylindern (320i, 325i) verwandt und sollte das obere Ende der Möglichkeiten darstellen. Was heute kaum jemand weiß: Auch einen Dreizylinder gab es. Angelehnt an die Daten des M20-320i dürfte ein Dreizylinder dieser Motorenfamilie bei einem Liter Hubraum etwa 65 PS leisten. Der V16 des Projekts "Goldfisch" kommt nach BMW-Angaben auf 408 PS – exakt die Leistung des M120 von Konkurrent Mercedes. Das Drehmoment ist mit 62,5 mkg angegeben – umgerechnet sind das 608 Newtonmeter. Die verwaltet ein Sechsgang-Schaltgetriebe. Der Schaltknauf wirkt benutzt.
Kein Wettrüsten, kein 16-Zylinder
Warum der V16 nicht kam? Heute sagt BMW, man habe ein Wettrüsten vermeiden wollen. Außerdem hatte der Zwölfzylinder Potential, das fast an die Leistung des V16 heranreichte: Im 850 CSi erreichte er mit höherer Verdichtung und mehr Hubraum 380 PS und 550 Nm. Spätere Ausbaustufen, wie etwa im McLaren F1, schafften sogar 600 bis 700 PS. Und selbst wenn der gewaltige Verbrauch des V16 hätte gesenkt werden können, sprachen gegen eine Serienfertigung ganz praktische Gründe: Der Motorraum hätte duetich verlängert werden müssen und der 60 kg schwerere Motor hätte die Gewichtsverteilung ungünstig verändert.