BMW 3er E36 Cabrio im Fahrbericht
Freiluft-Reihensechszylinder schon ab 3.500 Euro
Das Cabriolet des BMW 328i wirkt fast ein wenig zu nüchtern – bis der Reihensechszylinder gestartet wird. Im offenen BMW macht der 24-Ventiler besonders viel Spaß. Das Beste: Er ist schon ab 3.500 Euro zu haben. Der Youngtimer im Check.
20.10.2017 Dirk JohaeEs ist fies kalt, als ich an diesem Morgen auf dem Hof der 1A Autowelt von René Juretzek in Friedrichsdorf ankomme. Das viersitzige BMW 328i Cabriolet, für das ich mich interessiere, schlummert noch unter einer Reifschicht in einer langen Reihe von Youngtimern, die dicht gedrängt neben der Werkstatthalle im Freien auf Interessenten warten. Das Angebot an offenen Topmodellen der E36-Baureihe unterhalb des M3 Cabrios ist insgesamt nicht üppig, vor allem, wenn es ein unverbasteltes Auto und keine Tuning-Kiste mit Tieferlegung, Breitreifen und skurrilen Anbauteilen sein soll. Und eine Vierzylinderversion wäre prinzipiell zwar schon interessant – wie die meisten BMW-Fans aber bevorzuge ich die Sechszylindervarianten, weil sie eine bessere Laufkultur haben und leistungsstärker sind. Die 193 PS starke Topvariante mit 2,8 Litern Hubraum wäre die erste Wahl, am besten ausgestattet mit einem Fünfgang-Schaltgetriebe statt der damals auf Wunsch ebenfalls verfügbaren Fünfstufenautomatik von ZF – genau wie das Auto, das René Juretzek in der Nähe von Frankfurt anbietet.
Mit 3.500 Euro ist das viersitzige 3er Cabrio sogar überraschend günstig. „Die Wasserpumpe und die Lichtmaschine sind bereits getauscht worden“, zählt der Händler auf. Außerdem sei der Innenraum mit der Volllederausstattung erst vor Kurzem beim Aufbereiter gewesen; ins Verdeck wurde zudem ein neues Kunststoff-Heckfenster eingenäht. Das alte war nach sehr langer Nutzung verschlissen und gerissen – eine typische Schwäche dieser Verdeckfenster. Wie fährt das 328i Cabriolet zum Schnäppchenpreis? Dazu klappen wir manuell das Stoffdach zurück, weil die elektrohydraulische Verdeckautomatik nach den Reparaturen noch nicht wieder in Gang gesetzt wurde. Doch der 2,8-Liter-Motor funktioniert tadellos, springt sofort an und brummt mit dem klassischen BMW-Sechszylinder-Sound im Leerlauf.
Klang und Laufeigenschaften machen süchtig
Zum Glück scheint die Sonne, sodass die Probefahrt mit offenem Verdeck bei der winterlichen Kälte durch den Taunus sogar Spaß macht. Zudem muss man den Aerodynamikingenieuren von BMW gute Arbeit bescheinigen: Auch ohne ein Windschott lässt es sich hinter der großen Frontscheibe gut aushalten. Die Klimaanlage bläst dazu warme Luft in den Fußraum. Auf dem ersten Stück Landstraße kann der Sechszylinder zeigen, warum er und seine Artverwandten mit zwei und 2,5 Litern Hubraum so geschätzt sind. Der Klang und die Laufeigenschaften machen süchtig. Der drehfreudige Reihensechszylinder mit zwei obenliegenden Nockenwellen verfügt über die BMW-typische Vanos (variable Nockenwellensteuerung), die aber in dieser Motorversion konstruktionsbedingt nur auf der Einlassseite arbeitet – die Doppel-Vanos kam erst 1999. Das 2,8-Liter-Triebwerk kam erstmals in der 5er-Reihe zum Einsatz und verfügt auch im 3er über alle Raffinessen der neuen M52-Motorfamilie.
Die Reihensechszylinder laufen jetzt so kultiviert wie die Achtzylinder, die für die Konstruktion Pate standen. Zudem verfügt die neue Motorengeneration über ein Kurbelgehäuse aus Leichtmetall. In Verbindung mit weiteren Leichtbaumaßnahmen sinkt dadurch das Motorgewicht auf der Vorderachse gegenüber dem M50-Motordes 325i um 31 auf 163 Kilogramm. Auf diesen Sechszylinder möchte man nach den ersten Kilometern nicht mehr verzichten. Scheinbar mühelos dreht der geschmeidige 24-Ventiler bis zum roten Drehzahlbereich. Doch ein Detail beeinträchtigt den Sound des Probefahrtautos: Während der Fahrt scheppert von Zeit zu Zeit der Auspuff, was aber der Verkäufer später abschwächt: „Nicht weiter schlimm –es ist wahrscheinlich nur ein loses Blech im Schalldämpfer.“
BMW 328i Cabrio mit der Hinterachse vom Z1
Das M-Sportfahrwerk aus dem Zubehörpaket für das Cabriolet beeindruckt auf einem kurvigen Abschnitt einer abgelegenen Landstraße mit neutralem Fahrverhalten bei zügiger Fahrweise. Die dritte Generation der 3er-Familie bietet noch mehr Fahrspaß als die Vorgänger. Großen Anteil daran hat die neue Hinterachse des E36 mit Doppelquerlenkern und Längslenkern, die vom Zweisitzer Z1 übernommen wurde. Auch das Fünfgangetriebe zeigt sich gut abgestuft und schaltet sich leichtgängig– bald stellt sich das BMW-typische Fahrgefühl vom Ritt auf der Kardanwelle ein. In zügig gefahrenen Kurven machen sich die Sportledersitze besonders bezahlt, weil sie einen sehr guten Seitenhalt bieten.
Leider ist bei dem Auto der Verstellmechanismus des Fahrergestühls blockiert. Insgesamt macht das Lederinterieur aber einen gepflegten Eindruck. Die hochwertigen Materialien ab Werk und die Arbeit des Aufbereiters haben sich gelohnt. Da verlängert man gerne die Probefahrt für eine halbe Stunde, um die Vorzüge des 328i unter freiem Himmel noch weiter auszukosten. Außerdem gewinnt man etwas mehr Bedenkzeit. Ist dieses Auto wirklich seine 3.500 Euro wert? Oder werden die fälligen Reparaturen am Ende zum Fass ohne Boden und sorgen dafür, dass der Dreier mehr steht als fährt? Ich fahre mit dem BMW auf einen Parkplatz, steige aus und schaue ihn mir noch mal von allen Seiten genau an. Die Farbe Polarschwarzmetallic ist zwar nicht mein Fall, aber beim Sichten des Angebots scheinen neun von zehn E36-Cabrios in diesem Ton ausgeliefert worden zu sein. Offene schwarze Viersitzer waren eben in den 90er-Jahren besonders angesagt. Leider kann die Lackqualität nach fast 200.000 Kilometern Laufleistung nicht mehr überzeugen. Die Oberfläche ist größtenteils rau, und auf der dunklen Farbe stechen einige Kratzer besonders ins Auge. An der Kofferraumklappe blüht zudem im Bereich um das Schloss der Rost.
Der Kauf des BMW wäre ein Wagnis
Der tägliche Einsatz des Cabrios durch den letzten Vorbesitzer auch bei Wind und Wetter hat deutliche Spuren hinterlassen. Der Kotflügel vorn rechts wurde bereits nachlackiert. Außerdem ist die Windschutzscheibe auf der Fahrerseite unten gerissen, allerdings außerhalb des Blickfelds. Dass die originalen gelben Blinkergläser von einem Vorbesitzer mal gegen weiße aus dem Zubehörprogramm ausgetauscht wurden, stört dagegen kaum. Ebenso wenig die mattgewordenen Scheinwerferabdeckungen aus Kunststoff. Der Kauf dieses 328i wäre schon ein Wagnis. Wer allerdings nur 3.500 Euro ausgeben möchte, bekommt ein Cabrio mit guter Antriebstechnik und einem faszinierenden Motor. Von seinem satten und scheinbar unverbrauchten Klang lässt man sich gerne über den Zustand der Karosserie hinwegtäuschen. So langsam sollte ich zur 1A Autowelt zurückfahren. Dank des guten Drehmoments lässt sich der Dreier nicht nur sportlich bewegen, man kann mit ihm genauso gut schaltfaul über die Landstraße cruisen. Ich genieße die letzten Kilometer in der goldgelben Nachmittagssonne, die den Asphalt vor mir in ein kitschig-schönes Licht taucht. Diese idyllische Stimmung im offenen Auto verführt dazu, den Kauf gleich abzuschließen.
Aber es sind noch einige Fragen an den Verkäufer offen. René Juretzek versteht sein Handwerk und versucht, die Vorzüge des Autos herauszustellen: „Wer ein bisschen Herzblut in den Wagen steckt, der bekommt etwas dafür.“ Er rechnet vor, dass gepflegte 328i Cabriolets für rund 5.000 Euro gehandelt werden. „Das Auto hier bietet auf jeden Fall eine gute Basis.“ Gegen Aufpreis würde er noch ein Koni-Sportfahrwerk einbauen. Dabei bräuchte der E36 kein besseres Fahrwerk, sondern zunächst eine umfangreiche Lackaufbereitung. Anfallende Reparaturen hat der letzte Vorbesitzer durch einen privaten Schrauber erledigen lassen. Somit endet die nachvollziehbare Servicehistorie des Autos bei etwa 100.000 Kilometern. All das hat seine Spuren an diesem 3er hinterlassen. Die Möglichkeit, den Preis zu verhandeln, scheidet allerdings aus: Schon in der Annonce in einem Internetportal hat Juretzek auf den Festpreis von 3.500 Euro hingewiesen – trotz der für Cabriolets nicht idealen Winterzeit.
Auch der 325i mit 170 PS ist interessant
Wer ein gutes, scheckheftgepflegtes Auto sucht, muss auf jeden Fall mehr Geld ausgeben. Der Preisunterschied wird sich schnell rechnen. Also ist Geduld gefragt. Denn das Angebot an gepflegten 3er Cabriolets der E36-Familie ist nicht sehr groß, und man sollte sich auf eine ausdauernde Suche einstellen. Aber es muss ja nicht unbedingt die Spitzenversion sein: Neben dem 2,8-Liter-Aggregat wurden der 320i mit 150 PS und zwei Litern Hubraum und der 325i mit 170PS und 2,5 Litern Hubraum angeboten. Je kleiner allerdings der Hubraum, desto geringer fallen bei den Cabriolets auch die Stückzahlen aus.
Preise: zwischen 3.000 und 13.000 Euro
Die Marktbeochatungsexperten von Classic-Analytics nennen für ein BMW 328i Cabrio in mäßigem Zustand einen Wert zwischen 2.600 und 3.400 Euro. Exemplare in gepflegtem Zustand können zwischen 10.200 und 13.600 Euro kosten. Eine gute Ausstattung und ein guter, originaler Zustand wirken wertsteigernd. Zubehör-Räder, weiße Nachrüst-Blinker oder ein Sportauspuff sind Geschmackssache; auch als Cabrio wurde der 3er gern und häufig getunt. Sportfahrwerke und Tieferlegungen sind nicht gut für die Karosseriesteifigkeit und bei allen nicht ab Werk erfolgten Umrüstungen gilt, dass die Wiederherstellung des Originalzustandes Geld kostet. Interessant sind Autos mit Individual-Ausstattung und die späten Edition-Modelle.
Vom 320i wurden nur circa 31.000 Exemplare gebaut, vom 328i dagegen rund 50.000. Neben der größeren Verbreitung spricht für die Topversion auch eine oft bessere Ausstattung. So wandern die Schlüssel des 3er wieder zurück in die Hände von René Juretzek. Zu guter Letzt holen wir das Verdeck wieder aus dem Kasten zwischen Rücksitzbank und Kofferraum und verschließen es. Beinahe wehmütig klingt das Surren der elektrischen Fensterheber, die die Seitenscheiben wieder nach oben fahren. Weitersuchen oder zugreifen? Bei einer wärmenden Tasse Kaffee im Verkaufsraum kann man sich alles nochmal in Ruhe durch den Kopf gehen lassen. Der Sound des wunderbaren Reihensechszylinders bleibt jedenfalls noch sehr lange im Ohr.