Youngtimer Schnäppchen
BMW 3er für 350 Euro
Die Farbe ist der Schlüsselreiz für den Kauf eines ziemlich undramatischen BMW 316i. Calypsorot wärmt das Herz, und der Preis ist heiß: 350 Euro für 1.220 Kilo Premium-Auto. Lohnt der gewagte Kauf des Billig-3ers?
30.07.2019 Alf CremersBlind habe ich ihn gekauft und ohne Probefahrt, also das getan, was Sie niemals tun sollten. Er steht 166 Kilometer weit weg in Mittelfranken. Das Angebot von Laviva Automobile im Internet war sehr präzise formuliert, unter anderem hieß es: "Calypsorot-Metallic, scheckheftgepflegt, elektrisches Schiebedach, Bavaria Reverse, Motor M43." Es gab nur ein kurzes Telefongespräch und danach eine verbindliche Kaufzusage per Fax "für den BMW 316i, Baujahr 1996, Km-Stand 212.000, vierte Hand, 350 Euro", ganz altmodisch, keine E-Mail.
BMW 316i mit Steuerketten-M43
Händler Ramazan Yürüyen aus Weißenburg wirkte in seiner Rede vertrauenswürdig und sachkundig: "Der Wagen ist fahrbereit und wirklich keine Ruine, nur der Fahrersitz ist ziemlich verschlissen. Sogar das Bordbuch mit Wartungsheft liegt im Handschuhfach, aber es gibt nur einen Originalschlüssel mit dem typischen BMW-Lederanhänger." Aha, dachte ich, der Mann kennt sich aus, schreibt sogar den internen BMW-Motorcode mit rein. M43 bedeutet Steuerkette statt Zahnriemen wie beim optisch total ähnlichen Vorgänger M40. Neben der leuchtenden Metallic-Farbe und dem passablen Erscheinungsbild ist dies wohl das beste Argument für die kompakte Limousine. Der abgerockte Fahrersitzbezug ist beim E36 kein Indiz für schlampigen Umgang im Endstadium eines Verbrauchtwagens, es gehört leider zur sprichwörtlich mäßigen Interieurqualität dieses Typs. Offenbar mussten die Controller die Kosten für die aufwendige Mehrlenker-Hinterachse wieder hereinholen.
350 Euro für das Auto, 123 Euro für die Embleme
Herrn Yürüyens Geduld wird auf eine harte Probe gestellt, volle sechs Wochen nach meinem Versprechen mache ich mich nun endlich auf den Weg zu meinem 316i, 350 Euro habe ich in der Tasche, eine intakte Batterie nehme ich mit. Aus Erfahrung weiß ich, dass es sich mit einem tief entladenen Exemplar nicht gut fährt. Kontrollleuchten flackern auf, die Motordrehzahl schwankt, die Elektronik wird gestresst, auch bei einem relativ simplen Auto wie dem 316i. Eine kleine schwarze BMW-M-Tüte begleitet mich, ihr Inhalt kostet stattliche 123 Euro. Es sind nur fünf lächerliche BMW- Embleme, vier für die Radkappen, ein großes für die Motorhaube, und der Typenschriftzug "316i". Dieser Zierrat ist so unerwartet teuer, als käme er vom Juwelier. Für mich hat das Geschmeide rituelle Wirkung, ich grenze den Wagen damit gegenüber seinen Vorbesitzern ab, sobald ich ihm das verliehen habe, gehört er mir.
Als ich in dem bunt zusammengewürfelten Industriegebiet in Weißenburg ankomme, steht mein 3er bei Laviva Automobile schon bereit. Verführerisch leuchtet das Calypsorot in der Sonne. Herr Yürüyen schraubt gerade intakte Nummernschildhalter dran. Die Motorhaube ist offen, der Vierzylinder läuft nach dem Start mithilfe des Boosters zufrieden vor sich hin, ohne zu sägen oder zu klappern. Der Händler begrüßt mich mit Handschlag: "Ich bin Ramazan, das spricht sich leichter." Gerade bekommt er einen Anruf auf dem Handy und wendet sich dem 97er Mercedes C 220 CDI Classic ganz hinten am Zaun zu, den er einem Kunden beschreibt. So habe ich Gelegenheit, meine Neuerwerbung in Ruhe zu beschnuppern. Untenherum gibt es schon einiges an Rost, aber er scheint nicht dramatisch zu sein. Vorsichtig sehe ich mich einen Augenblick lang um und lege mich auf eine Mixtur aus sprießendem Gras und hellem Jurakies. Die Wagenheberaufnahmen sind nur angerostet, und der Unterboden sieht gut aus. Vorne, im Bereich von Ölwanne und Spurstange, hängen ein paar Öltropfen fest, da nässt der M43 wohl etwas, aber wir reden über ein 23 Jahre altes Auto für 350 Euro.
Die fiesen Schonbezüge kommen weg
Rasch springe ich auf, klopfe mir den Staub von der Jacke und setze mich ins Auto. Im Handschuhfach greife ich nach dem Bordbuch mit Wartungsheft, öffne das Schiebedach für frische Luft und pelle, noch bevor Ramazan zurückkommt, die beiden fiesen Schonbezüge von den Vordersitzen. In Windeseile stecke ich sie in einen herumliegenden Müllsack. Weil ein Neustart mangels Saft misslingt, baue ich gleich die mitgebrachte Batterie ein, dann kann ich auch gleich anschließend in Ruhe tanken, waschen und staubsaugen, ohne vorher 50 Kilometer fahren zu müssen. Vor allem innen hat der Dreier eine Reinigung dringend nötig. Bei der Kontrolle der Flüssigkeiten fällt mir auf, dass der Lenkservobehälter halb voll ist, ein undichter, weil ölverschmierter Druckschlauch ist wohl daran schuld. Der Dachhimmel hängt hinten runter, und der Werkzeugkasten in der Kofferraumklappe ist fast leer. Aber dafür haben die vier Vredestein Hi-Trac-Sommerreifen noch richtig gutes Profil. Ich fahre einmal um den Block, was alle Zweifel zerstreut: Motor, Kupplung, Getriebe, Bremsen, Lenkung – läuft! Will heißen, ja ich will ihn, meinen BMW 316i in Calypsorot für 350 Euro!
In Ramazans Pavillon unterschreibe ich, er zählt das Geld: "Leider ist der erste Brief weg", bedauert er. Nach einem langen Pflege-Boxenstopp an der Tankstelle nimmt der 3er die Heimfahrt unter seine 15-Zoll-Räder. Nun erst fühle ich mich richtig wohl, blicke auf die hübschen Instrumente mit großem Drehzahlmesser und auf den fast makellosen Beifahrersitz.
Der 1,6-Liter-Motor macht Freude
Das Schiebedach ist offen, der Fahrtwind rauscht vorbei. Übermut kommt auf, der optisch kleine Motor nimmt gierig Gas an, dreht mühelos über 4000/min, und das immer noch superexakt schaltbare Fünfganggetriebe hält ihn dabei im Zaum. Magere 60 im Vierten und dann vorsichtiges Niedertreten des Pedals sind auch möglich, die Elastizität des Bonsai-Vierzylinders ist ebenso erstaunlich, und das mit nur einer Nockenwelle und lediglich acht Ventilen. Ist es diese sprichwörtliche Freude am Fahren, die angeblich jeder halbwegs alte und intakte BMW vermittelt? Auch so ein 1600er-Sparbrötchen mit 102 PS wie mein 316i, dessen scheinbar rigorose Frugalität der Neuwagenkäufer verdeckte, indem er das Typenschild abbestellte.
Seine Fahrdynamik hat etwas Mitreißendes, etwas unerhört Stimulierendes, der Wagen liegt gut, er lenkt präzise und stellt mit seiner Agilität jeden Fronttriebler weit in den Schatten. Leider muss ich Rücksicht auf die rostigen Bremsen nehmen, sonst wäre ein noch ausgelasseneres Kurvenräubern angesagt.