Auto-Legende VW Käfer (1938 bis 2003)
Heckschleuder fürs Volk
Laut, lahm, geliebt: Dem Charme des VW Käfer kann sich kaum jemand entziehen. Doch was ist das Tolle am Käfer und was macht ihn so besonders?
26.05.2019
Andreas Of-Allinger
Foto: VW
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Ferdinand Porsches Konstruktion mit dem luftgekühlten Heckmotor hat Vor- und Nachteile, aber vor allem Charme: Klang und Form sind unverwechselbar.
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Die ersten Prototypen entstehen 1936. Der Boxermotor hat einen Liter Hubraum und 25 PS.
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Die Autos werden intensiv erprobt, 30 Prototypen sammeln fast 2,5 Millionen Kilometer.
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Noch hat der Käfer hinten kein Fenster. Die Grundform ist jedoch 1937 schon erkennbar.
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170.000 Sparer kleben wöchentlich Marken für je fünf Mark in ein Heftchen. Ein Auto werden sie dafür nicht bekommen. Hier steht ein Käfer-Prototyp 1937 auf dem Großglockner.
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Weil zwischenzeitlich der Zweite Weltkrieg angefangen hat, baut das Werk am Mittellandkanal statt der versprochenen zivilen Autos fast ausschließlich Militärversionen des Typ1, wie zum Beispiel diesen Kommandeurswagen.
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Für die Wehrmacht ist auch der Kübelwagen bestimmt.
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MIt diesem Aufbau und Propeller am Heck wird der Typ 1 zum Schwimmwagen.
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Nach dem Zweiten Weltkrieg beginnt 1946 langsam wieder die Käfer-Produktion unter britischer Leitung.
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Kaum jemand hat jedoch 5.000 Mark für ein Auto.
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Hier ist die Konstruktion des Käfer gut zu sehen: Ein Plattformrahmen trägt die Karosserie. Das macht Sonderaufbauten relativ einfach.
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Anfangs ist noch viel Handarbeit nötig.
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Monteure tragen Kittel und sitzen zum Einbau von Teilen im Kofferraum, wenn es nötig ist.
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Hier schweißt einer am Brezelfenster, das der Käfer bis 1953 hat.
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Der 10.000. Käfer läuft noch 1946 vom Band. Die Arbeiter protestieren gegen die schlechte Versorgungslage: "10.0000 Wagen, nichts im Magen, wer kann das vertragen", steht auf einem Schild.
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Der 10-millionste Käfer läuft 1965 vom Band.
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Jubiläum in Wolfsburg: Weltmeister wird der Käfer im Februar 1972, als Nummer 15.007.034 den Produktionsrekord des Ford T-Modell einstellt.
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Der 20-millionste VW Käfer läuft im Mai 1981 in Puebla vom Band. Die Produktion in Deutschland hat schon 1978 geendet, erst 2003 ist in Mexiko Schluss. Da ist der Golf I (im Hintergund) längs Geschichte.
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So sieht das VW-Modellprogramm 1974 aus: noch leicht hecklastig, aber mit Golf, Scirocco, Passat und dem von NSU geerbten K70 sind schon die ersten Frontantriebs-Autos da.
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Der Käfer wird fleißig exportiert, 1949 führt VW sogar ein besser ausgestattetes Export-Modell ein.
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Bis 1974 baut das Werk Wolfsburg 11.916.516 Käfer, aus Emden rollen 2.360.591 Käfer in die Welt.
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Doch der Käfer gelangt nicht nur per Schiff ins Ausland, sondern wird in 19 Ländern auf fünf Kontinenten gebaut. Sogar in Singapur und Malaysia werden Käfer montiert.
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Der letzte VW Käfer rollt am am 30. Juli 2003 im mexikanischen Puebla vom Band.
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Weil ab Anfang der 1950er-Jahre in Deutschland nur noch Viertürer eine Zulassung als Taxi bekommen, verlängert der Berliner Karosseriebauer den Käfer um 27 Zentimeter und spendiert ihm zwei gegenläufig öffnende Fondtüren. Doch das VW-Werk stellt sich gegen das Projekt, verweigert die Lieferung von Neuwagen, und so bleibt es bei nur 38 Taxi-Umbauten.
Foto: AMS Archiv
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Die viersitzige Spezialausführung für die Polizei wird Anfang der 1950er-Jahre in nur zwei Monaten aus der normalen Limousine entwickelt und von den drei Firmen Hebmüller, Papler und Austro-Tatra gebaut. Sie hat ein klappbares Allwetter-Verdeck, vier Segeltuchtüren und stoffummantelte Sicherheitsketten.
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Weil die Bundeswehr einen Nachfolger für den Munga braucht, bringt VW im Herbst 1969 eine moderne Version des Kübelwagens auf den Markt. Mit seinem Heckantrieb ist der 181 nur bedingt geländetauglich, doch umso mehr gefällt er Förstern und Surfern. In den USA heißt der Viertürer schlicht „The Thing“.
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Für die Briefkastenleerung und Eilzustellung wünscht sich die Deutsche Bundespost ein wirtschaftliches und geräumiges Fahrzeug, das die engen, unpraktischen Käfer ablösen soll. Im Auftrag von VW entwickelt Westfalia einen 3,75 Meter langen Kleintransporter mit Ganzstahlaufbau und Schiebetür, von dem zwischen 1964 und 1974 genau 6.123 Stück entstehen.
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Als "Herbie" wird der VW Käfer 1968 zum Filmstar. Der Film wird mehrfach neu aufgelegt, zuletzt kam 2005 eine neue Fassung in die Kinos.
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Der „Käfer im Sonntagskleid“ wird beim italienischen Designer Ghia entworfen und bei Karmann in Osnabrück gebaut. Zum Start im August 1955 kostet das Coupé 7.500 Mark, und im Laufe seines langen Lebens erhält es stets die neueste und beste Käfer-Technik. Bis zum Frühjahr 1974 entstehen 443.000 Typ 14.
Foto: Uli Joos
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Anders als das viersitzige Karmann-Pendant ist das Cabrio der Wülfrather Karosseriefabrik ein Zweisitzer mit hinteren Notsitzen und eigenständigem Heck. Nach einem Großbrand im Werk am 23. Juli 1949 kommt die Produktion nicht mehr richtig in Gang, sodass insgesamt nur 696 Hebmüller Cabrios entstehen.
Foto: Hans-Dieter Seufert
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Wer hat’s erfunden? Die spaß- und erlebnishungrigen Kalifornier natürlich, die in den frühen 1960er-Jahren verkürzte Käfer-Fahrgestelle als ideale Basis für ein leichtes Strandfahrzeug entdecken. Neben diversen Kunststoffkarosserien zum Selberbauen gibt es später auch Komplettautos wie den Karmann Imp.
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Zwischen 1969 und 1979 baut die Firma Fiberfab erst in Ditzingen, danach in Ilsfeld rund 1.000 Bonito-Bausätze aus GFK. Der flache Zweisitzer basiert auf dem Käfer-Chassis mit Kurbellenker-Vorderachse, viele Anbauteile kommen aus den Opel- und Ford-Regalen. Über 200 Bonitos sollen überlebt haben.
Foto: Arturo Rivas
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Selbst Audrey Hepburn und Victor de Kowa fühlen sich in den 1950er-Jahren gut angezogen in diesem schicken Coupé, das dreimal den Schönheitswettbewerb auf dem Genfer Salon gewinnt. Bis 1961 werden etwa 500 Exemplare nach Entwürfen von Johannes Beeskow bei Rometsch in Berlin gebaut.
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In den 1960er-Jahren wird zunächst in den USA eine eigene Rennserie für den Nachwuchs geschaffen, die den Einstieg in den Motorsport durch günstige Großserien-Komponenten erleichtert. Neben Motor und Getriebe stammen meist auch die Achsen von Volkswagen, Fahrer sind etwa Helmut Marko und Niki Lauda.
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Kein Wunder, dass sich Porsche bei seinem ersten Modell unter eigenem Namen jener Basis bedient, die es selbst entwickelt hat. Die frühen Sportwagen aus Gmünd und Zuffenhausen nutzen jedenfalls unter der bauchigen Karosserie noch die nur wenig veränderte Fahrwerks- und Antriebstechnik des Käfers.
Foto: Porsche
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Karl Meier aus Wolfsburg gründet 1952 ein Unternehmen, das Zubehörteile für den Volkswagen entwickelt und vertreibt. Der berühmte Kamei-Spoiler ist weltweit der erste seiner Art, er wird bei seiner Vorstellung Tiefensteuer genannt.
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Kamei verkauft zahlreiches Zubehör für den Käfer-Innenraum. Heute baut das Unternehmen unter anderem Dachboxen, hauptsächlich für Volkswagen und Mercedes.
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1958 beginnt Theo Decker, in seiner Werkstatt in Essen-Borbeck Volkswagen-Motoren zu tunen – frisieren wird das damals noch genannt. Berühmt wird Motorenguru Decker für seine Zweivergaser-Anlagen und die scharfen Nockenwellen. Das Unternehmen TDE (Theo Decker Essen) existiert bis heute.
Foto: Hans-Peter Seufert
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Riechert aus Essen baut den Zweiliter-Motor des VW-Porsche 914 ins 1303-Heck. Zwei Doppelvergaser und ein aufwendiges Axialgebläse verhelfen dem Motor zu gesunden 100 PS. Riechert tunt übrigens ebenfalls bis heute luftgekühlte VW-Motoren.
Foto: Hans-Peter Seufert
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Der Münchner VW-Händler Mahag baut bis zu 75 PS starke 1,6-Liter-Motoren in den 1302 ein. Ein so getunter Käfer ist bis 80 km/h schneller als ein zeitgenössischer BMW 2002 oder eine Alfa Giulia Super.
Foto: Hans-Peter Seufert
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Das hat seinen Preis: Der Mahag-1302 ist mit 12.000 Mark fast so teuer wie ein VW-Porsche 914, einen Serien-1302 mit 50 PS gibt es ab 6.500 Mark.
Foto: Hans-Peter Seufert
Fragen Sie mal einen Freund, Bekannten oder Verwandten nach dem VW Käfer: Es wird schwer sein, jemanden zu finden, der keine Geschichte zum Käfer zu erzählen hat. Die lange Bauzeit sorgte nicht nur für einen Produktionsrekord von rund 21,5 Millionen Exemplaren, sondern führte auch dazu, dass praktisch jeder Bundesbürger über 30 schon mal in einem Käfer gefahren sein dürfte. Die Polizei fuhr ihn, die Post und manchmal auch der Pfarrer. Zu fast jedem Haushalt in Westdeutschland dürfte irgendwann zwischen 1949 und heute ein Käfer gehört haben. Eingestellt hat den Produktionsrekord des Käfer 2002 dessen Nachfolger, der VW Golf – der Käfer lief übrigens noch bis 2003 als Neuwagen im mexikanischen Puebla vom Band. Das meistgebaute Auto ist übrigens keiner der Beiden: Ford hat seit 1948 über 34 Millionen Pickups der F-Serie gebaut. Heute ist der VW Käfer in Deutschland der Nummer-1-Oldtimer: 36.258 Exemplare waren am 1. Januar 2018 mit H-Kennzeichen zugelassen.
Was ist typisch für den Käfer?
Foto: VW
Der luftgekühlte Motor über der hinteren Pendelachse macht das Fahrverhalten tückisch.
Doch nur bei einem Auto rauscht das Gebläse, brabbelt der Motor so wie beim Käfer. Nur beim Käfer sitzt der Fahrer so dicht mit der Nase vor der Scheibe, muss das stehende Bremspedal mangels Servo kräftig treten und beim Lastwechsel in schnellen Kurven auch mal beten. Das Eigenlenkverhalten früher Pendelachs-Käfer war tückisch und bis zum Schluss lehrte das Fahrwerk Generationen das Gegenlenken. Heizen war nie die Stärke des luftgekühlten Boxermotors – und wenn es warm wird, riecht die Luft immer ein bisschen nach Abgas, Benzin oder Öl. Die Türen schließen nur mit Schwung – weil die Kabine so dicht ist. Weil der Käfer so gründlich erprobt (2,5 Millionen Testkilometer!), so lange gebaut und ständig optimiert wurde, stimmt kaum ein Teil eines späten Emdener Modells von 1978 mit einem 1949er-Typ-1 überein. Die Form blieb jedoch von 1938 bis 2003 praktisch gleich. Kompliziert zu bedienen war der Käfer nie – was den Umgang mit ihm enorm erleichtert und das Auto nur sympathischer macht. Solide und scheinbar für die Ewigkeit gebaut war der VW jedoch immer.
Welche Schwächen hat der Käfer?
Foto: Martin Meiners
Eng? Nein, gemütlich. Im Käfer sitzen Fahrer und Beifahrer eng zusammen und nah an der Scheibe.
Dass er eng, laut und seitenwindempfindlich ist, steht in praktisch jedem Testbericht der auto motor und sport zwischen 1951 und 1978. Der Boxermotor gilt außerdem als durstig und wenig durchzugsstark; 10 Liter auf 100 Kilometern zu verbrauchen, stellt kein großes Problem dar. Weil der Motor ruhig läuft und bei schneller Fahrt auf der Autobahn hoch dreht, wird dem dritten Zylinder schnell heiß um den Kopf – ein Ölthermometer ist sinnvoll. Ob der Käfer so wirtschaftlich und zuverlässig ist, wie von VW gern behauptet, überprüfte auto motor und sport 1972 in einem Dauertest. Der endete nicht bei den damals üblichen 50.000 Kilometern. Erst ein gravierender Schaden sollte den Dauerläufer stoppen. Der kam bei Kilometer 104.000: Das überhitzte Auslassventil des vierten Zylinders war gebrochen: "Brennraum und Kolbenboden wurden völlig zerhämmert", schreibt der Autor 1974 im Abschlussbericht. Am Rest des Motors und des Autos war der Verschleiß jedoch gering – beides hätte ohne den Ventilschaden noch eine ganze Zeitlang Dienst getan.
Hat Ferdinand Porsche den Käfer erfunden?
Ferdinand Porsche hat den Käfer entwickelt, erprobt und zur Serienreife gebracht. Die Idee zu einem Auto mit luftgekühltem Boxermotor im Heck hatten vor ihm jedoch schon andere: Der von Hans Ledwinka konstruierte Tatra V570 sieht den ersten Käfer-Prototypen verblüffend ähnlich, war aber einige Jahre früher da. Dazu kommt: Ledwinka und Porsche kannten sich. VW musste darum in den Sechziger-Jahren 1,5 Millionen D-Mark an die Tatra-Erben überweisen. Ein Käfer-ähnliches Konzept hatte schon 1925 Béla Barényi entworfen, jedoch nicht schützen lassen. Dennoch wird Jahrzehnte später seine geistige Vaterschaft nach einem drei Jahre langen Rechtsstreit anerkannt. Auch der Prototyp des Motorjournalisten Josef Ganz wird immer wieder als erster Volkswagen bezeichnet.
Stimmt es, dass ein Promi seinen Käfer verschenkt hat?
Foto: VW
Als Herbie wurde der Käfer 1968 selbst zum Filmstar.
Der vermutlich bekannteste Käfer-Cabrio-Fahrer der Bundesrepublik heißt Jürgen Klinsmann. Der Stürmerstar und gelernte Bäcker war übrigens nicht der einzige Fußballspieler, der ein Käfer Cabrio fuhr: Die Spieler der WM-Mannschaft 1974 samt Trainern bekamen jeweils ein VW 1303 Cabrio aus der Sonderserie "World Cup ‘74" geschenkt. Es gab davon nur 25 Exemplare in Cliffgrün, die nicht frei verkauft wurden. Alle anderen Sondermodelle dieser kleinen Serie waren geschlossene Limousinen. Der Schauspieler Götz George fuhr bis 1986 einen VW 1303 S, den er 1974 von seiner Mutter übernommen hatte. Paul Newman soll ein Käfer Cabrio mit V8-Motor besessen haben. Moderator Günther Jauch hatte sich 1986 einen metallicgrauen Ovali von 1956 gekauft, den er 2013 an die Oldtimerspendenaktion weitergab – er hat ihn also gespendet, nicht verschenkt..
Was kostet ein Käfer?
Der bisher teuerste Käfer wurde 2018 in Schweden versteigert, als der Sammler Bengt Holmgren sein Museum aufgelöst und für ein 1948 Export-Modell umgerechnet 130.200 Euro erlöst hat. Auch wenn sich die Preise für einen VW 1300 seit 1999 verfünffacht haben: Mit 12.800 Euro sind selbst Exemplare in gutem Zustand noch bezahlbar. Ein 1303 LS Cabriolet notiert Classic-Analytics bei 26.000 Euro. Sozialneid ist also nicht angebracht, wenn ein Käfer ums Eck brabbelt.