Auktion: 1994er Ferrari F355 Challenge, Ex-Jay Kay
Keiner will den Ferrari vom Jamiroquai-Frontmann
Dieser Ferrari F355 Challenge hat sich einst im Besitz des Auto-Connaisseurs Jay Kay befunden und sollte im Internet versteigert werden – vorerst ohne Erfolg.
26.08.2021 Thomas HarloffAn der Musik von Jamiroquai haben sich in Wohnzimmern, an Stammtischen und vor Konzertbühnen schon zahlreiche hitzige Debatten entzündet. "Nicht zu ertragen", meinen die einen. "Etwas Besseres gibt's nicht", entgegnen die anderen. #Geschmackssache. Der Autogeschmack von Jay Kay ist dagegen über jeden Zweifel erhaben. Gefühlt gibt es keinen streng limitierten Edel-Sportwagen, der sich nicht zumindest zeitweise im Besitz des Jamiroquai-Frontmanns befunden hätte. Vor allem die Produkte der Marke Ferrari haben es dem Briten angetan. Hier kommt das in dieser Geschichte vorgestellte Auto ins Spiel, das kürzlich auf der Online-Plattform "Collecting Cars" versteigert werden sollte.
Es handelt sich um einen Ferrari F355. Aber keinen gewöhnlichen für die Straße, wie unschwer zu erkennen ist. Sondern einen Rennwagen für den schnellen Markenpokal, den die Italiener 1993 mit dem 348er etablierten und in dem ab 1995 auch der 355er starten durfte. Ob Jay Kay auch einmal an Rennen der Serie teilnahm, ist nicht überliefert. Jedenfalls holte er den Mittelmotor-Ferrari nach Großbritannien – auch, um ihn einem speziellen Zweck zuzuführen. Dem Anbieter zufolge soll das Coupé als Kamerafahrzeug bei Drehs von Jamiroquai-Musikvideos verwendet worden sein, wobei sich die entsprechenden Halterungen angeblich noch an Bord befinden.
Vom Renn- zum Straßenwagen und zurück
Auch nachdem Jay Kay den F355 Challenge wieder abgab, finden sich illustre Namen in der Besitzerliste. Neben Nigel Chiltern-Hunt, dem Vorsitzenden des britischen Ferrari Owner's Clubs, hatten auch der auf Fußballer-Portraits spezialisierte Maler Mark I'Anson sowie Rennfahrer Tristan Simpson diesen Boliden unter ihren Fittichen. Sie setzten ihn in verschiedenen Rennserien ein, wobei der Italiener Rennstrecken in ganz Europa unter seine Reifen nahm. Auf öffentlichen Straßen fuhr er zeitweise ebenfalls; allerdings ist die letzte MOT-Prüfung (das britische Pendant zum deutschen TÜV) bereits 15 Jahre her.
Gegenüber einem normalen Ferrari F355 weist ein Vertreter mit Challenge-Signet einige motorsportspezifische Eigenheiten auf. Die Abgasanlage ist nicht nur etwas lauter, sondern auch leichter als beim Straßenauto. Die Kupplung zeigt sich ebenso verstärkt wie das Fahrwerk. Die 14-Zoll-Bremsanlage wurde auch beim 80er-Jahre-Supersportwagen F40 verwendet. Hinten unterscheidet er sich ferner durch einen XXL-Heckflügel vom zahmen Sportwagen. Hinzu kommen Besonderheiten am vorderen Ende: In der Leichtbau-Stoßstange finden sich nachgerüstete Leuchten; die Klappscheinwerfer wurden nämlich entfernt, um Gewicht zu sparen.
"Safety first" im Interieur
Innen erwartet der Ferrari die Fahrerin oder den Fahrer mit einem für Rennwagen typischen Cockpit. Das zentrale Element ist ein Überrollkäfig, in dessen Schoß sich ein Rennsitz samt -gurten aus dem Hause OMP befindet. Auf das Thema Sicherheit zahlen auch der Feuerlöscher und der Notaus-Schalter ein. Hinzu kommt ein Airbag-freies Momo-Lenkrad. Trotz dieser Ausstattung soll sich der Ferrari F355 Challenge aber mit wenigen Modifikationen für den Einsatz auf öffentlichen Straßen umrüsten lassen.
Die abwechslungsreiche Rennkarriere hat den Auslieferungszustand des 355ers nicht gerade konserviert. Im Gegenteil: Steinschläge finden sich auf dem gesamten Vorderwagen, an der Mittelkonsole sind einige Schrammen zu entdecken, und der linke Seitenspiegel wurde auf eine Art und Weise repariert, wie man derartige Schäden an einem Rennwochenende nun mal repariert – unter exzessiver Verwendung von Panzertape. Zuletzt hatte der Challenge-Ferrari Schäden am hinteren Seitenteil und an der Heckstoßstange erlitten. Beides wurde jedoch ebenso repariert wie der zuvor ziemlich verschlissene Rennsitz.
3,5-Liter-V8 mit 380 PS
Generell wurde der Bolide aber an jedem Rennwochenende intensiv gewartet. Die inzwischen 16.414 gefahrenen Meilen (26.416 Kilometer) dürften dem 3,5-Liter-V8 also nicht besonders geschadet haben. Zudem erhielt der Mittelmotor 2018 eine Generalüberholung, weshalb noch fast alle der ursprünglich vorhandenen 380 PS und maximal 363 Newtonmeter zur Verfügung stehen dürften. Um Kraftstoffversorgung und Zündung kümmert sich damals wie heute eine Bosch Motronic 2.7. Für die Kraftübertragung ist ein manuelles Sechsgang-Getriebe mit – typisch Ferrari – offener Schaltkulisse verantwortlich.
Fünf Tage vor Auktionsende lagen die Gebote für den F355 Challenge bei 75.000 Pfund (aktuell umgerechnet knapp 88.000 Euro); drei Tage später standen 97.500 Pfund (fast 114.000 Euro) auf dem Zähler. Am Ende wurde jedoch offensichtlich nicht genug Geld geboten, um den Händler davon zu überzeugen, das Auto in einen neuen Besitz zu übergeben. Es steht demnach weiterhin zum Verkauf; Interessenten können sich vertrauensvoll an "Collecting Cars" wenden.